Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Tage des Handwerks

der Gastwirtschaft liegt die Sache heute noch so wie sie früher gelegen hat,
daß nämlich kleine, mittlere und große Wirtschaften sowohl notwendig als
lebensfähig sind, daß dieses Gewerbe also mit sehr verschiednen Kapitalien be¬
trieben werden kann. Dieser Gruppe schließen sich zunächst die Lebensmittel¬
gewerbe an. Einige davon, namentlich die Mutterei und die Brauerei, sind
Großgewerbe geworden, solche Handwerker aber, deren Erzeugnisse täglich frisch
gefordert werde", bleiben an einen beschränkten Kundenkreis gebunden und
können daher ihren Betrieb nicht allzu weit ausdehnen; es sind das nament¬
lich die Koche, Bäcker, Konditoren und Fleischer. Die Vrotbückerei allerdings
neigt mehr und mehr zum Großbetrieb, der teils von Gutsbesitzern und andern
Privatunternehmern, teils von Konsumvereinen und Behörden eingerichtet wird,
dagegen wird die Feiubäckerei "den Kleinbetrieben in absehbarer Zeit wohl
nicht entrissen werden können," wie Grieshammer in seiner Arbeit über die
Leipziger Bäckerei und Konditorei schreibt; in Karlsruhe nimmt nicht die Zahl
der kleinen, sondern die der größern Bäckereien ab. Maschinen -- Krek- und
Fleischhackmaschinen -- werden in der Bäckerei und Fleischerei nur in be¬
schränktem Umfang angewandt und können namentlich in der Fleischerei nie¬
mals den größern Teil der Handarbeit überflüssig machen. Bei der Fleischerei
lehrt die Erfahrung, daß die Ausdehnung des Betriebs über eiuen mäßigen
Umfang nicht rentirt; sie bleibt so sehr Handwerk, daß in manchen Gegenden
die Gesellen regelmüßig Meister werden, freilich nicht überall; über Düsseldorf
z. B. berichtet Westbaus, daß dort viele Gesellen nicht ans Ziel kommen und
zu Grunde gehen müssen, weil alte Gesellen keine Arbeit finden. Wo über
Preisdruck geklagt wird, geht er nicht von den großen, sondern von den kleinen
Fleischern aus.

Nach einer andern Seite schließen sich der ersten Gruppe die Anbringe¬
gewerbe an. Reines Anbringegewerbe ist die Tapeziererei, sofern sie sich auf
das Tapeteuankleben, Teppichlegen, Gardineuaufmachen u. dergl. beschränkt.
Zwar übernehmen solche Leistungen mitunter auch große Dekorationsgeschüfte,
die viele Arbeiter halten, aber da an jeder Arbeitsstelle gewöhnlich nicht mehr
als zwei Mann gleichzeitig beschäftigt werden können, und doch nicht jedesmal
ein sachkundiger Aufseher mitgegeben werden kann, so wird die Arbeit schlecht
gemacht. So lohnt denn dieses Gewerbe am besten, wenn der Meister bloß
mit einem Gehilfen oder Lehrling arbeitet. Auf die anderweitige Entwick¬
lung dieses Handwerks kommen wir zurück. Die Bautischlerei, die Bauklemp¬
nerei, die Bauschlosserei sind keine reinen Anbringegewerbe, da sie ursprünglich
die anzubringenden Gebäudeteile selbst anfertigten und daneben auch andre
Zweige ihres Gewerbes pflegten. Soweit sie Anbringegewerbe sind, können
sie niemals von der Maschine überflüssig gemacht werden; der Großbetrieb
könnte sich ihrer bemächtigen, wird es aber aus dem bei der Tapeziererei an¬
geführten Grunde nicht thun. Einen Teil der Anfertigungsarbeit hat ihnen


Die Tage des Handwerks

der Gastwirtschaft liegt die Sache heute noch so wie sie früher gelegen hat,
daß nämlich kleine, mittlere und große Wirtschaften sowohl notwendig als
lebensfähig sind, daß dieses Gewerbe also mit sehr verschiednen Kapitalien be¬
trieben werden kann. Dieser Gruppe schließen sich zunächst die Lebensmittel¬
gewerbe an. Einige davon, namentlich die Mutterei und die Brauerei, sind
Großgewerbe geworden, solche Handwerker aber, deren Erzeugnisse täglich frisch
gefordert werde», bleiben an einen beschränkten Kundenkreis gebunden und
können daher ihren Betrieb nicht allzu weit ausdehnen; es sind das nament¬
lich die Koche, Bäcker, Konditoren und Fleischer. Die Vrotbückerei allerdings
neigt mehr und mehr zum Großbetrieb, der teils von Gutsbesitzern und andern
Privatunternehmern, teils von Konsumvereinen und Behörden eingerichtet wird,
dagegen wird die Feiubäckerei „den Kleinbetrieben in absehbarer Zeit wohl
nicht entrissen werden können," wie Grieshammer in seiner Arbeit über die
Leipziger Bäckerei und Konditorei schreibt; in Karlsruhe nimmt nicht die Zahl
der kleinen, sondern die der größern Bäckereien ab. Maschinen — Krek- und
Fleischhackmaschinen — werden in der Bäckerei und Fleischerei nur in be¬
schränktem Umfang angewandt und können namentlich in der Fleischerei nie¬
mals den größern Teil der Handarbeit überflüssig machen. Bei der Fleischerei
lehrt die Erfahrung, daß die Ausdehnung des Betriebs über eiuen mäßigen
Umfang nicht rentirt; sie bleibt so sehr Handwerk, daß in manchen Gegenden
die Gesellen regelmüßig Meister werden, freilich nicht überall; über Düsseldorf
z. B. berichtet Westbaus, daß dort viele Gesellen nicht ans Ziel kommen und
zu Grunde gehen müssen, weil alte Gesellen keine Arbeit finden. Wo über
Preisdruck geklagt wird, geht er nicht von den großen, sondern von den kleinen
Fleischern aus.

Nach einer andern Seite schließen sich der ersten Gruppe die Anbringe¬
gewerbe an. Reines Anbringegewerbe ist die Tapeziererei, sofern sie sich auf
das Tapeteuankleben, Teppichlegen, Gardineuaufmachen u. dergl. beschränkt.
Zwar übernehmen solche Leistungen mitunter auch große Dekorationsgeschüfte,
die viele Arbeiter halten, aber da an jeder Arbeitsstelle gewöhnlich nicht mehr
als zwei Mann gleichzeitig beschäftigt werden können, und doch nicht jedesmal
ein sachkundiger Aufseher mitgegeben werden kann, so wird die Arbeit schlecht
gemacht. So lohnt denn dieses Gewerbe am besten, wenn der Meister bloß
mit einem Gehilfen oder Lehrling arbeitet. Auf die anderweitige Entwick¬
lung dieses Handwerks kommen wir zurück. Die Bautischlerei, die Bauklemp¬
nerei, die Bauschlosserei sind keine reinen Anbringegewerbe, da sie ursprünglich
die anzubringenden Gebäudeteile selbst anfertigten und daneben auch andre
Zweige ihres Gewerbes pflegten. Soweit sie Anbringegewerbe sind, können
sie niemals von der Maschine überflüssig gemacht werden; der Großbetrieb
könnte sich ihrer bemächtigen, wird es aber aus dem bei der Tapeziererei an¬
geführten Grunde nicht thun. Einen Teil der Anfertigungsarbeit hat ihnen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0127" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221103"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Tage des Handwerks</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_404" prev="#ID_403"> der Gastwirtschaft liegt die Sache heute noch so wie sie früher gelegen hat,<lb/>
daß nämlich kleine, mittlere und große Wirtschaften sowohl notwendig als<lb/>
lebensfähig sind, daß dieses Gewerbe also mit sehr verschiednen Kapitalien be¬<lb/>
trieben werden kann. Dieser Gruppe schließen sich zunächst die Lebensmittel¬<lb/>
gewerbe an. Einige davon, namentlich die Mutterei und die Brauerei, sind<lb/>
Großgewerbe geworden, solche Handwerker aber, deren Erzeugnisse täglich frisch<lb/>
gefordert werde», bleiben an einen beschränkten Kundenkreis gebunden und<lb/>
können daher ihren Betrieb nicht allzu weit ausdehnen; es sind das nament¬<lb/>
lich die Koche, Bäcker, Konditoren und Fleischer. Die Vrotbückerei allerdings<lb/>
neigt mehr und mehr zum Großbetrieb, der teils von Gutsbesitzern und andern<lb/>
Privatunternehmern, teils von Konsumvereinen und Behörden eingerichtet wird,<lb/>
dagegen wird die Feiubäckerei &#x201E;den Kleinbetrieben in absehbarer Zeit wohl<lb/>
nicht entrissen werden können," wie Grieshammer in seiner Arbeit über die<lb/>
Leipziger Bäckerei und Konditorei schreibt; in Karlsruhe nimmt nicht die Zahl<lb/>
der kleinen, sondern die der größern Bäckereien ab. Maschinen &#x2014; Krek- und<lb/>
Fleischhackmaschinen &#x2014; werden in der Bäckerei und Fleischerei nur in be¬<lb/>
schränktem Umfang angewandt und können namentlich in der Fleischerei nie¬<lb/>
mals den größern Teil der Handarbeit überflüssig machen. Bei der Fleischerei<lb/>
lehrt die Erfahrung, daß die Ausdehnung des Betriebs über eiuen mäßigen<lb/>
Umfang nicht rentirt; sie bleibt so sehr Handwerk, daß in manchen Gegenden<lb/>
die Gesellen regelmüßig Meister werden, freilich nicht überall; über Düsseldorf<lb/>
z. B. berichtet Westbaus, daß dort viele Gesellen nicht ans Ziel kommen und<lb/>
zu Grunde gehen müssen, weil alte Gesellen keine Arbeit finden. Wo über<lb/>
Preisdruck geklagt wird, geht er nicht von den großen, sondern von den kleinen<lb/>
Fleischern aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_405" next="#ID_406"> Nach einer andern Seite schließen sich der ersten Gruppe die Anbringe¬<lb/>
gewerbe an. Reines Anbringegewerbe ist die Tapeziererei, sofern sie sich auf<lb/>
das Tapeteuankleben, Teppichlegen, Gardineuaufmachen u. dergl. beschränkt.<lb/>
Zwar übernehmen solche Leistungen mitunter auch große Dekorationsgeschüfte,<lb/>
die viele Arbeiter halten, aber da an jeder Arbeitsstelle gewöhnlich nicht mehr<lb/>
als zwei Mann gleichzeitig beschäftigt werden können, und doch nicht jedesmal<lb/>
ein sachkundiger Aufseher mitgegeben werden kann, so wird die Arbeit schlecht<lb/>
gemacht. So lohnt denn dieses Gewerbe am besten, wenn der Meister bloß<lb/>
mit einem Gehilfen oder Lehrling arbeitet. Auf die anderweitige Entwick¬<lb/>
lung dieses Handwerks kommen wir zurück. Die Bautischlerei, die Bauklemp¬<lb/>
nerei, die Bauschlosserei sind keine reinen Anbringegewerbe, da sie ursprünglich<lb/>
die anzubringenden Gebäudeteile selbst anfertigten und daneben auch andre<lb/>
Zweige ihres Gewerbes pflegten. Soweit sie Anbringegewerbe sind, können<lb/>
sie niemals von der Maschine überflüssig gemacht werden; der Großbetrieb<lb/>
könnte sich ihrer bemächtigen, wird es aber aus dem bei der Tapeziererei an¬<lb/>
geführten Grunde nicht thun. Einen Teil der Anfertigungsarbeit hat ihnen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0127] Die Tage des Handwerks der Gastwirtschaft liegt die Sache heute noch so wie sie früher gelegen hat, daß nämlich kleine, mittlere und große Wirtschaften sowohl notwendig als lebensfähig sind, daß dieses Gewerbe also mit sehr verschiednen Kapitalien be¬ trieben werden kann. Dieser Gruppe schließen sich zunächst die Lebensmittel¬ gewerbe an. Einige davon, namentlich die Mutterei und die Brauerei, sind Großgewerbe geworden, solche Handwerker aber, deren Erzeugnisse täglich frisch gefordert werde», bleiben an einen beschränkten Kundenkreis gebunden und können daher ihren Betrieb nicht allzu weit ausdehnen; es sind das nament¬ lich die Koche, Bäcker, Konditoren und Fleischer. Die Vrotbückerei allerdings neigt mehr und mehr zum Großbetrieb, der teils von Gutsbesitzern und andern Privatunternehmern, teils von Konsumvereinen und Behörden eingerichtet wird, dagegen wird die Feiubäckerei „den Kleinbetrieben in absehbarer Zeit wohl nicht entrissen werden können," wie Grieshammer in seiner Arbeit über die Leipziger Bäckerei und Konditorei schreibt; in Karlsruhe nimmt nicht die Zahl der kleinen, sondern die der größern Bäckereien ab. Maschinen — Krek- und Fleischhackmaschinen — werden in der Bäckerei und Fleischerei nur in be¬ schränktem Umfang angewandt und können namentlich in der Fleischerei nie¬ mals den größern Teil der Handarbeit überflüssig machen. Bei der Fleischerei lehrt die Erfahrung, daß die Ausdehnung des Betriebs über eiuen mäßigen Umfang nicht rentirt; sie bleibt so sehr Handwerk, daß in manchen Gegenden die Gesellen regelmüßig Meister werden, freilich nicht überall; über Düsseldorf z. B. berichtet Westbaus, daß dort viele Gesellen nicht ans Ziel kommen und zu Grunde gehen müssen, weil alte Gesellen keine Arbeit finden. Wo über Preisdruck geklagt wird, geht er nicht von den großen, sondern von den kleinen Fleischern aus. Nach einer andern Seite schließen sich der ersten Gruppe die Anbringe¬ gewerbe an. Reines Anbringegewerbe ist die Tapeziererei, sofern sie sich auf das Tapeteuankleben, Teppichlegen, Gardineuaufmachen u. dergl. beschränkt. Zwar übernehmen solche Leistungen mitunter auch große Dekorationsgeschüfte, die viele Arbeiter halten, aber da an jeder Arbeitsstelle gewöhnlich nicht mehr als zwei Mann gleichzeitig beschäftigt werden können, und doch nicht jedesmal ein sachkundiger Aufseher mitgegeben werden kann, so wird die Arbeit schlecht gemacht. So lohnt denn dieses Gewerbe am besten, wenn der Meister bloß mit einem Gehilfen oder Lehrling arbeitet. Auf die anderweitige Entwick¬ lung dieses Handwerks kommen wir zurück. Die Bautischlerei, die Bauklemp¬ nerei, die Bauschlosserei sind keine reinen Anbringegewerbe, da sie ursprünglich die anzubringenden Gebäudeteile selbst anfertigten und daneben auch andre Zweige ihres Gewerbes pflegten. Soweit sie Anbringegewerbe sind, können sie niemals von der Maschine überflüssig gemacht werden; der Großbetrieb könnte sich ihrer bemächtigen, wird es aber aus dem bei der Tapeziererei an¬ geführten Grunde nicht thun. Einen Teil der Anfertigungsarbeit hat ihnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/127
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/127>, abgerufen am 24.07.2024.