Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.Im Zwischendeck nach Jahresfrist -- leider nicht öfter -- erbarmungslos überstrichen werden, [Beginn Spaltensatz]
Der Leuchtturm gießt sein Licht Weithin über die Wogen. Die heimkehrenden Schiffe Sehen es meilenweit; Sie finden den sichern Port In seinem glitzernden Schein, Sie meiden die tückische Klippe In seinem sichern Schutz. O, weithin leuchtendes Licht! Wem hast du deinen Schein Nicht schon als ersten Gruß Im fernen Lande geboten! Wie viele sahen dich hoffnungsvoll, Wie viele glaubten das Glück, Das trügende, irdische Glück, In dem Lande zu finden, Das du ihnen zuerst gezeigt, [Spaltenumbruch] Und wie viele wurden enttäuscht! Und gingen unter, dir fluchend. Daß du die Klippe zeigtest, Die sonst sie verschlungen (!) hätte, Und ihnen qualvolle Pein Gnädig erspart. Wie viele Fahren zurück in die alte Heimat, Gramvoll gebeugt. Das Schiff hat sie sicher geleitet Hinwärts und heimwärts. Und doch erlitten sie Schiffbruch Hier und dort. O, trügerisch leuchtendes Licht, Nicht nur deu Vögeln bist du verderblich. Die dein Schein zauberhaft anzieht, Und die sich die Köpfe zerschmettern Vor deinem trügender Licht! [Ende Spaltensatz] Der größte Teil der Auswandrer macht die Seereise "über dem untersten Es wird sich schwerlich, selbst mit Hilfe der Statistik, nachweisen lassen, Wenn ich im Nachfolgenden zwei Erfahrungen schildere, so glaube ich Im Zwischendeck nach Jahresfrist — leider nicht öfter — erbarmungslos überstrichen werden, [Beginn Spaltensatz]
Der Leuchtturm gießt sein Licht Weithin über die Wogen. Die heimkehrenden Schiffe Sehen es meilenweit; Sie finden den sichern Port In seinem glitzernden Schein, Sie meiden die tückische Klippe In seinem sichern Schutz. O, weithin leuchtendes Licht! Wem hast du deinen Schein Nicht schon als ersten Gruß Im fernen Lande geboten! Wie viele sahen dich hoffnungsvoll, Wie viele glaubten das Glück, Das trügende, irdische Glück, In dem Lande zu finden, Das du ihnen zuerst gezeigt, [Spaltenumbruch] Und wie viele wurden enttäuscht! Und gingen unter, dir fluchend. Daß du die Klippe zeigtest, Die sonst sie verschlungen (!) hätte, Und ihnen qualvolle Pein Gnädig erspart. Wie viele Fahren zurück in die alte Heimat, Gramvoll gebeugt. Das Schiff hat sie sicher geleitet Hinwärts und heimwärts. Und doch erlitten sie Schiffbruch Hier und dort. O, trügerisch leuchtendes Licht, Nicht nur deu Vögeln bist du verderblich. Die dein Schein zauberhaft anzieht, Und die sich die Köpfe zerschmettern Vor deinem trügender Licht! [Ende Spaltensatz] Der größte Teil der Auswandrer macht die Seereise „über dem untersten Es wird sich schwerlich, selbst mit Hilfe der Statistik, nachweisen lassen, Wenn ich im Nachfolgenden zwei Erfahrungen schildere, so glaube ich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0581" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220907"/> <fw type="header" place="top"> Im Zwischendeck</fw><lb/> <p xml:id="ID_2193" prev="#ID_2192"> nach Jahresfrist — leider nicht öfter — erbarmungslos überstrichen werden,<lb/> um wieder andern Platz zu machen. Ich würde nicht darüber sprechen, wenn<lb/> ich nicht an einem solchen Orte eines Amerikadampfers folgendes Gedicht ge¬<lb/> lesen und trotz der Umgebung abgeschrieben Hütte:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_40" type="poem"> <l><cb type="start"/> Der Leuchtturm gießt sein Licht<lb/> Weithin über die Wogen.<lb/> Die heimkehrenden Schiffe<lb/> Sehen es meilenweit;<lb/> Sie finden den sichern Port<lb/> In seinem glitzernden Schein,<lb/> Sie meiden die tückische Klippe<lb/> In seinem sichern Schutz. O, weithin leuchtendes Licht!<lb/> Wem hast du deinen Schein<lb/> Nicht schon als ersten Gruß<lb/> Im fernen Lande geboten!<lb/> Wie viele sahen dich hoffnungsvoll,<lb/> Wie viele glaubten das Glück,<lb/> Das trügende, irdische Glück,<lb/> In dem Lande zu finden,<lb/> Das du ihnen zuerst gezeigt, <cb/> Und wie viele wurden enttäuscht!<lb/> Und gingen unter, dir fluchend.<lb/> Daß du die Klippe zeigtest,<lb/> Die sonst sie verschlungen (!) hätte,<lb/> Und ihnen qualvolle Pein<lb/> Gnädig erspart. Wie viele<lb/> Fahren zurück in die alte Heimat,<lb/> Gramvoll gebeugt.<lb/> Das Schiff hat sie sicher geleitet<lb/> Hinwärts und heimwärts.<lb/> Und doch erlitten sie Schiffbruch<lb/> Hier und dort. O, trügerisch leuchtendes Licht,<lb/> Nicht nur deu Vögeln bist du verderblich.<lb/> Die dein Schein zauberhaft anzieht,<lb/> Und die sich die Köpfe zerschmettern<lb/> Vor deinem trügender Licht! <cb type="end"/> </l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2194"> Der größte Teil der Auswandrer macht die Seereise „über dem untersten<lb/> Raum des Schiffs," d. h. auf Zwischendeck. Die Zwischendeckspassagiere gelten<lb/> bei den Auswandrerschiffen als Haupteinnahmequelle, sie werden von den<lb/> Schiffsagenten als sehr begehrenswerte Objekte betrachtet und darnach be¬<lb/> handelt, bis sie den Fahrpreis bezahlt haben. Von diesem Augenblick an er¬<lb/> lischt jedes weitere Interesse für sie. Man lese in Dickens meisterhafter Schil¬<lb/> derung, wie Martin Chnzzlewit d. I. vor seiner Abreise nach der blühenden<lb/> Stadt Eden gefeiert wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_2195"> Es wird sich schwerlich, selbst mit Hilfe der Statistik, nachweisen lassen,<lb/> aus welchen Berufszweigen sich die Passagiere des Zwischendecks zusammen¬<lb/> setzen. Daß sie im allgemeinen solchen Leuten augehören, die das Zwischen¬<lb/> deck der Kostenersparnis wegen wählen, dürfte wohl außer Frage stehen. Aber<lb/> damit ist nicht bewiesen, daß diese Passagiere durchweg dem „Arbeiterstande"<lb/> in dem Sinne angehörten, wie sich gewisse Kreise und Leute den Arbeiterstand<lb/> denken. Es dürften die verschiedensten Berufe darunter vertreten sein, auch<lb/> der „gebildete" Arbeiterstand, wenn ich diese Bezeichnung gebrauchen darf.<lb/> Ich kenne Leute, deren Beruf öftere überseeische Reisen erfordert, und die ihr<lb/> Geldbeutel doch ins Zwischendeck nötigt. Am Tage vor der Abreise können<lb/> sie sich noch als kultivirte Menschen betrachten; von dem Augenblick an, wo<lb/> sie das Schiff betreten, hört das auf, bis sie es wieder verlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2196" next="#ID_2197"> Wenn ich im Nachfolgenden zwei Erfahrungen schildere, so glaube ich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0581]
Im Zwischendeck
nach Jahresfrist — leider nicht öfter — erbarmungslos überstrichen werden,
um wieder andern Platz zu machen. Ich würde nicht darüber sprechen, wenn
ich nicht an einem solchen Orte eines Amerikadampfers folgendes Gedicht ge¬
lesen und trotz der Umgebung abgeschrieben Hütte:
Der Leuchtturm gießt sein Licht
Weithin über die Wogen.
Die heimkehrenden Schiffe
Sehen es meilenweit;
Sie finden den sichern Port
In seinem glitzernden Schein,
Sie meiden die tückische Klippe
In seinem sichern Schutz. O, weithin leuchtendes Licht!
Wem hast du deinen Schein
Nicht schon als ersten Gruß
Im fernen Lande geboten!
Wie viele sahen dich hoffnungsvoll,
Wie viele glaubten das Glück,
Das trügende, irdische Glück,
In dem Lande zu finden,
Das du ihnen zuerst gezeigt,
Und wie viele wurden enttäuscht!
Und gingen unter, dir fluchend.
Daß du die Klippe zeigtest,
Die sonst sie verschlungen (!) hätte,
Und ihnen qualvolle Pein
Gnädig erspart. Wie viele
Fahren zurück in die alte Heimat,
Gramvoll gebeugt.
Das Schiff hat sie sicher geleitet
Hinwärts und heimwärts.
Und doch erlitten sie Schiffbruch
Hier und dort. O, trügerisch leuchtendes Licht,
Nicht nur deu Vögeln bist du verderblich.
Die dein Schein zauberhaft anzieht,
Und die sich die Köpfe zerschmettern
Vor deinem trügender Licht!
Der größte Teil der Auswandrer macht die Seereise „über dem untersten
Raum des Schiffs," d. h. auf Zwischendeck. Die Zwischendeckspassagiere gelten
bei den Auswandrerschiffen als Haupteinnahmequelle, sie werden von den
Schiffsagenten als sehr begehrenswerte Objekte betrachtet und darnach be¬
handelt, bis sie den Fahrpreis bezahlt haben. Von diesem Augenblick an er¬
lischt jedes weitere Interesse für sie. Man lese in Dickens meisterhafter Schil¬
derung, wie Martin Chnzzlewit d. I. vor seiner Abreise nach der blühenden
Stadt Eden gefeiert wird.
Es wird sich schwerlich, selbst mit Hilfe der Statistik, nachweisen lassen,
aus welchen Berufszweigen sich die Passagiere des Zwischendecks zusammen¬
setzen. Daß sie im allgemeinen solchen Leuten augehören, die das Zwischen¬
deck der Kostenersparnis wegen wählen, dürfte wohl außer Frage stehen. Aber
damit ist nicht bewiesen, daß diese Passagiere durchweg dem „Arbeiterstande"
in dem Sinne angehörten, wie sich gewisse Kreise und Leute den Arbeiterstand
denken. Es dürften die verschiedensten Berufe darunter vertreten sein, auch
der „gebildete" Arbeiterstand, wenn ich diese Bezeichnung gebrauchen darf.
Ich kenne Leute, deren Beruf öftere überseeische Reisen erfordert, und die ihr
Geldbeutel doch ins Zwischendeck nötigt. Am Tage vor der Abreise können
sie sich noch als kultivirte Menschen betrachten; von dem Augenblick an, wo
sie das Schiff betreten, hört das auf, bis sie es wieder verlassen.
Wenn ich im Nachfolgenden zwei Erfahrungen schildere, so glaube ich
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