Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.Waren, worauf eine Kommission niedergesetzt und ein dickes Blaubuch veröffent¬ Um die Schwierigkeiten zu vollenden, kam der Sturz des Silberpreises In den Wahlen des letzten Sommers ist Naoroji durchgefallen, dafür aber in einem
Londoner Bezirk ein andrer Jndier gewählt worden, der wohl folgsamer sein wird. Waren, worauf eine Kommission niedergesetzt und ein dickes Blaubuch veröffent¬ Um die Schwierigkeiten zu vollenden, kam der Sturz des Silberpreises In den Wahlen des letzten Sommers ist Naoroji durchgefallen, dafür aber in einem
Londoner Bezirk ein andrer Jndier gewählt worden, der wohl folgsamer sein wird. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220835"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1992" prev="#ID_1991"> Waren, worauf eine Kommission niedergesetzt und ein dickes Blaubuch veröffent¬<lb/> licht wurde. Letztes Frühjahr erhob sich aber mit viel stärkern Klagen der Parse<lb/> Navroji im Unterhaus, der die anglo-indische Finanzwirtschaft als eine schamlose<lb/> Ausbeutung Indiens zum Vorteil Englands hinstellte und zum Verdruß vieler<lb/> Engländer die Zustimmung radikaler Parlamentsmitglieder erhielt. Der Staats¬<lb/> sekretär für Indien sagte die Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung<lb/> der von dem Parsen vorgebrachten Beschwerden zu, verwarf aber gleichzeitig<lb/> mit großen Worten jedes Eingehen auf einen Hauptpunkt der Klage der Jndier,<lb/> daß sie nämlich für den gewaltigen Aufwand der Politik jenseits der Grenze,<lb/> wie die Unterstützung des Emir von Afghanistan und andrer Nachbarfürsten<lb/> Indiens, oder die Zahlung von 10000 Pfd. Se. für das Kabel Mauritius-<lb/> Ostafrika aufkommen und einen Beitrag zum Unterhalt der britischen Flotte<lb/> zahlen müssen. Indien zahlt auch die Truppen im afrikanischen Dienst, ja<lb/> selbst in Aden und am Mittelmeer. 1882 bis 1391 hatte es 126 Millionen<lb/> Rupien für militärische Lasten außerhalb Indiens aufzubringen, wobei die<lb/> Unterstützung Afghanistans nicht mit inbegriffen ist. Man begreift nun die<lb/> Russenfreundlichkeit der indischen Presse, die nicht bloß Abneigung gegen den<lb/> Islam ist: sie spekulirt auf die Erleichterung der kostspieligen Kriegsrüstung<lb/> Indiens. Naoroji war mit großer Mäßigung vorgegangen, wurde aber dann<lb/> in den größern englischen Blättern lächerlich gemacht, in den Zeitschriften tot¬<lb/> geschwiegen. Er hatte es doch erreicht, daß auch in der Presse anerkannt<lb/> wurde, Indien werde mit Lasten wie keine andre Kolonie überlade». Es lag eine<lb/> Rechtfertigung seiner Klage darin, daß das indische Amt selbst die Armut Indiens<lb/> gegen übertriebne Forderungen der Admiralität geltend machte, wobei der<lb/> Premierminister als Schiedsrichter dem indischen Amt Recht geben mußte. ^)<lb/> Die Auffassung des Grenzschutzes, die die Unterstützung Afghanistans mit<lb/> Geld und Waffen und die Einverleibung Oberbirmas Indien zur Last legt,<lb/> weil England nichts dadurch gewinne, wohl aber diese Vorwerke für Indien<lb/> notwendig seien, zeigt den Grad von Selbsttäuschung, zu dein sich Engländer<lb/> hinaufreden, wenn ihre Verwaltung in Indien kritisirt wird. Denn sie sind<lb/> es doch, die diesen Schutz für ihre Herrschaft in Indien nötig halten und die<lb/> diese ganze Organisation geschaffen haben, ohne Indien zu fragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1993" next="#ID_1994"> Um die Schwierigkeiten zu vollenden, kam der Sturz des Silberpreises<lb/> in den letzten zwanzig Jahren hinzu. Die Währungsverhnltnisfe sind ja für<lb/> Indien von der größten Bedeutung. Indien ist eines der wenigen in großen:<lb/> Maße Silber aufnehmenden und festhaltenden Länder. Einerseits hat der Fall<lb/> der Silberprcise für Indien die Folge gehabt, daß z. B. die Pflanzer von<lb/> Castor noch 1887 eine Ausfuhrprämie von 40 Prozent genossen, da Silber</p><lb/> <note xml:id="FID_45" place="foot"> In den Wahlen des letzten Sommers ist Naoroji durchgefallen, dafür aber in einem<lb/> Londoner Bezirk ein andrer Jndier gewählt worden, der wohl folgsamer sein wird.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0509]
Waren, worauf eine Kommission niedergesetzt und ein dickes Blaubuch veröffent¬
licht wurde. Letztes Frühjahr erhob sich aber mit viel stärkern Klagen der Parse
Navroji im Unterhaus, der die anglo-indische Finanzwirtschaft als eine schamlose
Ausbeutung Indiens zum Vorteil Englands hinstellte und zum Verdruß vieler
Engländer die Zustimmung radikaler Parlamentsmitglieder erhielt. Der Staats¬
sekretär für Indien sagte die Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung
der von dem Parsen vorgebrachten Beschwerden zu, verwarf aber gleichzeitig
mit großen Worten jedes Eingehen auf einen Hauptpunkt der Klage der Jndier,
daß sie nämlich für den gewaltigen Aufwand der Politik jenseits der Grenze,
wie die Unterstützung des Emir von Afghanistan und andrer Nachbarfürsten
Indiens, oder die Zahlung von 10000 Pfd. Se. für das Kabel Mauritius-
Ostafrika aufkommen und einen Beitrag zum Unterhalt der britischen Flotte
zahlen müssen. Indien zahlt auch die Truppen im afrikanischen Dienst, ja
selbst in Aden und am Mittelmeer. 1882 bis 1391 hatte es 126 Millionen
Rupien für militärische Lasten außerhalb Indiens aufzubringen, wobei die
Unterstützung Afghanistans nicht mit inbegriffen ist. Man begreift nun die
Russenfreundlichkeit der indischen Presse, die nicht bloß Abneigung gegen den
Islam ist: sie spekulirt auf die Erleichterung der kostspieligen Kriegsrüstung
Indiens. Naoroji war mit großer Mäßigung vorgegangen, wurde aber dann
in den größern englischen Blättern lächerlich gemacht, in den Zeitschriften tot¬
geschwiegen. Er hatte es doch erreicht, daß auch in der Presse anerkannt
wurde, Indien werde mit Lasten wie keine andre Kolonie überlade». Es lag eine
Rechtfertigung seiner Klage darin, daß das indische Amt selbst die Armut Indiens
gegen übertriebne Forderungen der Admiralität geltend machte, wobei der
Premierminister als Schiedsrichter dem indischen Amt Recht geben mußte. ^)
Die Auffassung des Grenzschutzes, die die Unterstützung Afghanistans mit
Geld und Waffen und die Einverleibung Oberbirmas Indien zur Last legt,
weil England nichts dadurch gewinne, wohl aber diese Vorwerke für Indien
notwendig seien, zeigt den Grad von Selbsttäuschung, zu dein sich Engländer
hinaufreden, wenn ihre Verwaltung in Indien kritisirt wird. Denn sie sind
es doch, die diesen Schutz für ihre Herrschaft in Indien nötig halten und die
diese ganze Organisation geschaffen haben, ohne Indien zu fragen.
Um die Schwierigkeiten zu vollenden, kam der Sturz des Silberpreises
in den letzten zwanzig Jahren hinzu. Die Währungsverhnltnisfe sind ja für
Indien von der größten Bedeutung. Indien ist eines der wenigen in großen:
Maße Silber aufnehmenden und festhaltenden Länder. Einerseits hat der Fall
der Silberprcise für Indien die Folge gehabt, daß z. B. die Pflanzer von
Castor noch 1887 eine Ausfuhrprämie von 40 Prozent genossen, da Silber
In den Wahlen des letzten Sommers ist Naoroji durchgefallen, dafür aber in einem
Londoner Bezirk ein andrer Jndier gewählt worden, der wohl folgsamer sein wird.
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