schaft hat ihr größter Dichter mitbekommen, Hebbel, wie ihre gut nieder¬ sächsische Schlichtheit, Innigkeit, Gemütlichkeit, ihren Humor und ihren Sinn für die enge Wirklichkeit, das Kleinleben, ihr zweiter. Klaus Groth. Jedes dithmarsische Nest weist übrigens, nebenbei bemerkt, seine "Berühmtheit" auf, ein Beweis für die Tüchtigkeit des Volksstammes: hat Heide, die jetzige Haupt¬ stadt, Klaus Groth, so hat Meldorf den Hainbunddichter Boie und halb und halb Barthold Georg Niebuhr, der hier zwar nicht geboren, aber doch groß wurde, Wesselburen Hebbel, Lunden den Satiriker Rachel aus Opitzens Schule und Marne den Theologen Klaus Harms und den Germanisten Müllenhoff. Alle diese Städtchen liegen durchweg nur zwei Meilen von einander.
Verhältnismäßig glücklicher angelegt als der niedersächsische ist der thü¬ ringische Volksstamm. Er ist unbedingt viel lebenslustiger und liebenswürdiger, seine Phantasie ist beweglicher, farbenreicher, naturfrischer und -freudiger, sein Gemüt von Haus aus poetischer gestimmt, dabei ist die Heimathliebe nicht weniger tief und innig. Das alte Hol8a.t,in <M'i8in) non vAutxck paßt zwar gerade auf Dithmarsen nicht, denn es hatte zur Zeit seiner Freiheit eine Fülle eigner, meist historischer Volkslieder, aber die Musik- und Gesangliebe der Thüringer und ihre Anlage sür diese Künste findet bekanntlich in Deutschland nicht ihresgleichen. Thüringen hatte auch stets im Mittelpunkte deutscher Kultur gelegen, seine Geschichte ist für bestimmte Perioden, vor allem für das Refvrmationszeitalter, geradezu die deutsche Geschichte, und wenn auch sein Volkstum in den Zeiten der Kleinstaaterei vielfach unter schwerem Druck gelitten hatte, es hatte doch an geistiger Beweglichkeit gewonnen und sich, wie Stern treffend hervorhebt, eine gewisse Anspruchslosigkeit angewohnt, die die Lebenslust hin und wieder mir um so fröhlicher hervorbrechen ließ. Doch fehlt bei aller Liebenswürdigkeit dem thüringischen Volksstamm keineswegs der männliche Ernst, wenn er auch selten die herbe nordische Form annimmt, und ebenso wenig die Tiefe. Neben der höfischen und städtischen Kultur blieb in dem Lande eben auch immer ein großes Stück ungebrochner Waldnatur bestehen. Otto Ludwig gehörte, wie Johann Sebastian Bach, zu den durchaus ernsten und tiefen thüringischen Naturen, doch hatte er einem Hebbel gegenüber eine Reihe menschlich-liebenswürdiger Eigenschaften, die seine Persönlichkeit wie seine Werke jedem, der nicht bis zum Tiefsten dringt, sympathischer machen, als die des Dithmarsen.
Auch der Familicnabstainmung wie den Jngendschicksalen nach steht Ludwig in mancher Beziehung glücklicher da als Hebbel. Zwar muß man wohl an¬ nehmen, daß Ludwig sein Nervenleiden, das ihn schon früh plagte, ihn während seines ganzen Lebens nicht verließ und verhältnismäßig früh ins Grab zog, von seinen Eltern ererbt hatte, während die Eltern Hebbels, soviel man weiß, gesunde Menschen waren und ihr früher Tod wohl eher auf aufreibende Arbeit und Sorge, als auf angeborne schwächliche Körperbeschaffenheit zurückzuführen
Friedrich Hebbel und Gelo Ludwig
schaft hat ihr größter Dichter mitbekommen, Hebbel, wie ihre gut nieder¬ sächsische Schlichtheit, Innigkeit, Gemütlichkeit, ihren Humor und ihren Sinn für die enge Wirklichkeit, das Kleinleben, ihr zweiter. Klaus Groth. Jedes dithmarsische Nest weist übrigens, nebenbei bemerkt, seine „Berühmtheit" auf, ein Beweis für die Tüchtigkeit des Volksstammes: hat Heide, die jetzige Haupt¬ stadt, Klaus Groth, so hat Meldorf den Hainbunddichter Boie und halb und halb Barthold Georg Niebuhr, der hier zwar nicht geboren, aber doch groß wurde, Wesselburen Hebbel, Lunden den Satiriker Rachel aus Opitzens Schule und Marne den Theologen Klaus Harms und den Germanisten Müllenhoff. Alle diese Städtchen liegen durchweg nur zwei Meilen von einander.
Verhältnismäßig glücklicher angelegt als der niedersächsische ist der thü¬ ringische Volksstamm. Er ist unbedingt viel lebenslustiger und liebenswürdiger, seine Phantasie ist beweglicher, farbenreicher, naturfrischer und -freudiger, sein Gemüt von Haus aus poetischer gestimmt, dabei ist die Heimathliebe nicht weniger tief und innig. Das alte Hol8a.t,in <M'i8in) non vAutxck paßt zwar gerade auf Dithmarsen nicht, denn es hatte zur Zeit seiner Freiheit eine Fülle eigner, meist historischer Volkslieder, aber die Musik- und Gesangliebe der Thüringer und ihre Anlage sür diese Künste findet bekanntlich in Deutschland nicht ihresgleichen. Thüringen hatte auch stets im Mittelpunkte deutscher Kultur gelegen, seine Geschichte ist für bestimmte Perioden, vor allem für das Refvrmationszeitalter, geradezu die deutsche Geschichte, und wenn auch sein Volkstum in den Zeiten der Kleinstaaterei vielfach unter schwerem Druck gelitten hatte, es hatte doch an geistiger Beweglichkeit gewonnen und sich, wie Stern treffend hervorhebt, eine gewisse Anspruchslosigkeit angewohnt, die die Lebenslust hin und wieder mir um so fröhlicher hervorbrechen ließ. Doch fehlt bei aller Liebenswürdigkeit dem thüringischen Volksstamm keineswegs der männliche Ernst, wenn er auch selten die herbe nordische Form annimmt, und ebenso wenig die Tiefe. Neben der höfischen und städtischen Kultur blieb in dem Lande eben auch immer ein großes Stück ungebrochner Waldnatur bestehen. Otto Ludwig gehörte, wie Johann Sebastian Bach, zu den durchaus ernsten und tiefen thüringischen Naturen, doch hatte er einem Hebbel gegenüber eine Reihe menschlich-liebenswürdiger Eigenschaften, die seine Persönlichkeit wie seine Werke jedem, der nicht bis zum Tiefsten dringt, sympathischer machen, als die des Dithmarsen.
Auch der Familicnabstainmung wie den Jngendschicksalen nach steht Ludwig in mancher Beziehung glücklicher da als Hebbel. Zwar muß man wohl an¬ nehmen, daß Ludwig sein Nervenleiden, das ihn schon früh plagte, ihn während seines ganzen Lebens nicht verließ und verhältnismäßig früh ins Grab zog, von seinen Eltern ererbt hatte, während die Eltern Hebbels, soviel man weiß, gesunde Menschen waren und ihr früher Tod wohl eher auf aufreibende Arbeit und Sorge, als auf angeborne schwächliche Körperbeschaffenheit zurückzuführen
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Friedrich Hebbel und Gelo Ludwig
schaft hat ihr größter Dichter mitbekommen, Hebbel, wie ihre gut nieder¬
sächsische Schlichtheit, Innigkeit, Gemütlichkeit, ihren Humor und ihren Sinn
für die enge Wirklichkeit, das Kleinleben, ihr zweiter. Klaus Groth. Jedes
dithmarsische Nest weist übrigens, nebenbei bemerkt, seine „Berühmtheit" auf,
ein Beweis für die Tüchtigkeit des Volksstammes: hat Heide, die jetzige Haupt¬
stadt, Klaus Groth, so hat Meldorf den Hainbunddichter Boie und halb und
halb Barthold Georg Niebuhr, der hier zwar nicht geboren, aber doch groß
wurde, Wesselburen Hebbel, Lunden den Satiriker Rachel aus Opitzens Schule
und Marne den Theologen Klaus Harms und den Germanisten Müllenhoff.
Alle diese Städtchen liegen durchweg nur zwei Meilen von einander.
Verhältnismäßig glücklicher angelegt als der niedersächsische ist der thü¬
ringische Volksstamm. Er ist unbedingt viel lebenslustiger und liebenswürdiger,
seine Phantasie ist beweglicher, farbenreicher, naturfrischer und -freudiger, sein
Gemüt von Haus aus poetischer gestimmt, dabei ist die Heimathliebe nicht
weniger tief und innig. Das alte Hol8a.t,in <M'i8in) non vAutxck paßt zwar
gerade auf Dithmarsen nicht, denn es hatte zur Zeit seiner Freiheit eine Fülle
eigner, meist historischer Volkslieder, aber die Musik- und Gesangliebe der
Thüringer und ihre Anlage sür diese Künste findet bekanntlich in Deutschland
nicht ihresgleichen. Thüringen hatte auch stets im Mittelpunkte deutscher
Kultur gelegen, seine Geschichte ist für bestimmte Perioden, vor allem für das
Refvrmationszeitalter, geradezu die deutsche Geschichte, und wenn auch sein
Volkstum in den Zeiten der Kleinstaaterei vielfach unter schwerem Druck gelitten
hatte, es hatte doch an geistiger Beweglichkeit gewonnen und sich, wie Stern
treffend hervorhebt, eine gewisse Anspruchslosigkeit angewohnt, die die Lebenslust
hin und wieder mir um so fröhlicher hervorbrechen ließ. Doch fehlt bei aller
Liebenswürdigkeit dem thüringischen Volksstamm keineswegs der männliche
Ernst, wenn er auch selten die herbe nordische Form annimmt, und ebenso
wenig die Tiefe. Neben der höfischen und städtischen Kultur blieb in dem
Lande eben auch immer ein großes Stück ungebrochner Waldnatur bestehen.
Otto Ludwig gehörte, wie Johann Sebastian Bach, zu den durchaus ernsten
und tiefen thüringischen Naturen, doch hatte er einem Hebbel gegenüber eine
Reihe menschlich-liebenswürdiger Eigenschaften, die seine Persönlichkeit wie seine
Werke jedem, der nicht bis zum Tiefsten dringt, sympathischer machen, als die
des Dithmarsen.
Auch der Familicnabstainmung wie den Jngendschicksalen nach steht Ludwig
in mancher Beziehung glücklicher da als Hebbel. Zwar muß man wohl an¬
nehmen, daß Ludwig sein Nervenleiden, das ihn schon früh plagte, ihn während
seines ganzen Lebens nicht verließ und verhältnismäßig früh ins Grab zog,
von seinen Eltern ererbt hatte, während die Eltern Hebbels, soviel man weiß,
gesunde Menschen waren und ihr früher Tod wohl eher auf aufreibende Arbeit
und Sorge, als auf angeborne schwächliche Körperbeschaffenheit zurückzuführen
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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/44>, abgerufen am 27.01.2025.
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