Anselm von Feuerbach als politischer Schriftsteller
Unablässig war Feuerbachs Streben auf Verbesserung der Rechtspflege gerichtet. Obwohl wir auch das zu seinem politischen Wirken rechnen dürfen, so verbietet uns doch hier der Raum, näher darauf einzugehen. Schon 1812 hatte er Betrachtungen über das Geschwornengericht geschrieben. Sehr ergötzlich zu lesen ist die "Unterthänige Bitte und Vorstellung der gefangnen Gerechtig¬ keit an eine hohe Ständeversammlung zu I" aus dem Jahre 1819, und er¬ götzlich war auch ihre Wirkung: der Justizminister, gegen den doch die bittere Satire hauptsächlich gerichtet war, lief, als er sie gelesen hatte, spornstreichs zum König; er habe soeben einen sehr wertvollen Bericht aus Ansbach er¬ halten, der ganz mit seinen Absichten übereinstimme, und bitte nun um Ge¬ nehmigung, in diesem Sinne zu handeln. Zwei Jahre später gab Feuerbach einen ansehnlichen Band "Betrachtungen über Öffentlichkeit und Mündlichkeit" heraus, dem 1825 ein zweiter über das französische Gerichtsverfahren folgte, als Frucht einer im Auftrag der Regierung unternommenen Studienreise. Marquardsen") nennt diese Schriften "das Beste, was zu Gunsten dieser beiden Grundpfeiler einer gesunden Rechtspflege je geschrieben worden ist." Erst lange nach Feuerbachs Tode ist die Reform in einzelnen deutschen Staaten und dann im Reiche durchgeführt worden.
Im Jahre 1830 versuchte der Minister des Innern die bairische Gerichts¬ verfassung ohne Zustimmung der Stände umzugestalten. Sofort erschien Feuerbach, obwohl er schon von Krankheit heimgesucht war, wieder auf der Wacht, um in einer mit dem vollen Rüstzeug des öffentlichen Rechts ge¬ wappneten Denkschrift dagegen Verwahrung einzulegen.
Aber nicht minder kampfbereit als auf dem weltlichen Gebiete war Feuer- bnch gegen alle Übergriffe der kirchlichen Dunkelmänner; auch hier stand ihm eindringende Kenntnis der Geschichte und des Rechts zu Gebote. Aus seiner Feder sind zunächst die gegen das Konkordat gerichteten "Religionsbeschwerden der Protestanten in Baiern" hervorgegangen, die, von den angesehensten Prote¬ stanten der Städte Ansbach, Augsburg, Baireuth, Erlangen und Nürnberg unterzeichnet, der Ständeversammlung des Jahres 1822 überreicht werden sollten -- eine gründliche, nach Inhalt und Form musterhafte Schrift. Die Ständeversammlung wird um Verwendung dafür ersucht, daß 1. dem prote¬ stantischen Oberkonsistorium die ihm nach dem Grundgesetze des Königreichs zukommende Selbständigkeit eingeräumt, 2. für alle die protestantische Kirche betreffenden Angelegenheiten ein der protestantischen Religion zugethaner Kult- minister bestellt und 3. diesem die oberste Aufsicht über die protestantischen Schulen übertragen werde. Schließlich wird noch um baldige Einführung der verheißenen Synodalverfassung gebeten. Zur Bezeichnung ihrer ganzen Rich¬ tung hier nur ein Satz aus der Begründung des auf die Schulen bezug-
*) In der Allgemeinen deutschen Biographie VI, S. 731 ff.
Anselm von Feuerbach als politischer Schriftsteller
Unablässig war Feuerbachs Streben auf Verbesserung der Rechtspflege gerichtet. Obwohl wir auch das zu seinem politischen Wirken rechnen dürfen, so verbietet uns doch hier der Raum, näher darauf einzugehen. Schon 1812 hatte er Betrachtungen über das Geschwornengericht geschrieben. Sehr ergötzlich zu lesen ist die „Unterthänige Bitte und Vorstellung der gefangnen Gerechtig¬ keit an eine hohe Ständeversammlung zu I" aus dem Jahre 1819, und er¬ götzlich war auch ihre Wirkung: der Justizminister, gegen den doch die bittere Satire hauptsächlich gerichtet war, lief, als er sie gelesen hatte, spornstreichs zum König; er habe soeben einen sehr wertvollen Bericht aus Ansbach er¬ halten, der ganz mit seinen Absichten übereinstimme, und bitte nun um Ge¬ nehmigung, in diesem Sinne zu handeln. Zwei Jahre später gab Feuerbach einen ansehnlichen Band „Betrachtungen über Öffentlichkeit und Mündlichkeit" heraus, dem 1825 ein zweiter über das französische Gerichtsverfahren folgte, als Frucht einer im Auftrag der Regierung unternommenen Studienreise. Marquardsen") nennt diese Schriften „das Beste, was zu Gunsten dieser beiden Grundpfeiler einer gesunden Rechtspflege je geschrieben worden ist." Erst lange nach Feuerbachs Tode ist die Reform in einzelnen deutschen Staaten und dann im Reiche durchgeführt worden.
Im Jahre 1830 versuchte der Minister des Innern die bairische Gerichts¬ verfassung ohne Zustimmung der Stände umzugestalten. Sofort erschien Feuerbach, obwohl er schon von Krankheit heimgesucht war, wieder auf der Wacht, um in einer mit dem vollen Rüstzeug des öffentlichen Rechts ge¬ wappneten Denkschrift dagegen Verwahrung einzulegen.
Aber nicht minder kampfbereit als auf dem weltlichen Gebiete war Feuer- bnch gegen alle Übergriffe der kirchlichen Dunkelmänner; auch hier stand ihm eindringende Kenntnis der Geschichte und des Rechts zu Gebote. Aus seiner Feder sind zunächst die gegen das Konkordat gerichteten „Religionsbeschwerden der Protestanten in Baiern" hervorgegangen, die, von den angesehensten Prote¬ stanten der Städte Ansbach, Augsburg, Baireuth, Erlangen und Nürnberg unterzeichnet, der Ständeversammlung des Jahres 1822 überreicht werden sollten — eine gründliche, nach Inhalt und Form musterhafte Schrift. Die Ständeversammlung wird um Verwendung dafür ersucht, daß 1. dem prote¬ stantischen Oberkonsistorium die ihm nach dem Grundgesetze des Königreichs zukommende Selbständigkeit eingeräumt, 2. für alle die protestantische Kirche betreffenden Angelegenheiten ein der protestantischen Religion zugethaner Kult- minister bestellt und 3. diesem die oberste Aufsicht über die protestantischen Schulen übertragen werde. Schließlich wird noch um baldige Einführung der verheißenen Synodalverfassung gebeten. Zur Bezeichnung ihrer ganzen Rich¬ tung hier nur ein Satz aus der Begründung des auf die Schulen bezug-
*) In der Allgemeinen deutschen Biographie VI, S. 731 ff.
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Anselm von Feuerbach als politischer Schriftsteller
Unablässig war Feuerbachs Streben auf Verbesserung der Rechtspflege
gerichtet. Obwohl wir auch das zu seinem politischen Wirken rechnen dürfen,
so verbietet uns doch hier der Raum, näher darauf einzugehen. Schon 1812
hatte er Betrachtungen über das Geschwornengericht geschrieben. Sehr ergötzlich
zu lesen ist die „Unterthänige Bitte und Vorstellung der gefangnen Gerechtig¬
keit an eine hohe Ständeversammlung zu I" aus dem Jahre 1819, und er¬
götzlich war auch ihre Wirkung: der Justizminister, gegen den doch die bittere
Satire hauptsächlich gerichtet war, lief, als er sie gelesen hatte, spornstreichs
zum König; er habe soeben einen sehr wertvollen Bericht aus Ansbach er¬
halten, der ganz mit seinen Absichten übereinstimme, und bitte nun um Ge¬
nehmigung, in diesem Sinne zu handeln. Zwei Jahre später gab Feuerbach
einen ansehnlichen Band „Betrachtungen über Öffentlichkeit und Mündlichkeit"
heraus, dem 1825 ein zweiter über das französische Gerichtsverfahren folgte,
als Frucht einer im Auftrag der Regierung unternommenen Studienreise.
Marquardsen") nennt diese Schriften „das Beste, was zu Gunsten dieser beiden
Grundpfeiler einer gesunden Rechtspflege je geschrieben worden ist." Erst
lange nach Feuerbachs Tode ist die Reform in einzelnen deutschen Staaten
und dann im Reiche durchgeführt worden.
Im Jahre 1830 versuchte der Minister des Innern die bairische Gerichts¬
verfassung ohne Zustimmung der Stände umzugestalten. Sofort erschien
Feuerbach, obwohl er schon von Krankheit heimgesucht war, wieder auf der
Wacht, um in einer mit dem vollen Rüstzeug des öffentlichen Rechts ge¬
wappneten Denkschrift dagegen Verwahrung einzulegen.
Aber nicht minder kampfbereit als auf dem weltlichen Gebiete war Feuer-
bnch gegen alle Übergriffe der kirchlichen Dunkelmänner; auch hier stand ihm
eindringende Kenntnis der Geschichte und des Rechts zu Gebote. Aus seiner
Feder sind zunächst die gegen das Konkordat gerichteten „Religionsbeschwerden
der Protestanten in Baiern" hervorgegangen, die, von den angesehensten Prote¬
stanten der Städte Ansbach, Augsburg, Baireuth, Erlangen und Nürnberg
unterzeichnet, der Ständeversammlung des Jahres 1822 überreicht werden
sollten — eine gründliche, nach Inhalt und Form musterhafte Schrift. Die
Ständeversammlung wird um Verwendung dafür ersucht, daß 1. dem prote¬
stantischen Oberkonsistorium die ihm nach dem Grundgesetze des Königreichs
zukommende Selbständigkeit eingeräumt, 2. für alle die protestantische Kirche
betreffenden Angelegenheiten ein der protestantischen Religion zugethaner Kult-
minister bestellt und 3. diesem die oberste Aufsicht über die protestantischen
Schulen übertragen werde. Schließlich wird noch um baldige Einführung der
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tung hier nur ein Satz aus der Begründung des auf die Schulen bezug-
*) In der Allgemeinen deutschen Biographie VI, S. 731 ff.
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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/375>, abgerufen am 28.01.2025.
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