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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Englische Ausfälle gegen den deutschen Ariegsschiffbau

tonnen Arbeit gegen 17876 Metertonnen bei Barfleur. Daß dieser gewaltige
Unterschied eine schwächere Nebenbewaffnung auf der kleinern Brandenburg
zur Folge hat, ist ganz natürlich. Trotzdem ist die ganze Geschoßmasse, die
Brandenburg in einer Minute werfen kann, nur 291 Kilogramm leichter als
die von Barfleur, die in einer Minute 3471 Kilogramm ausmacht. Daß die
Panzerung der beiden Brustwehrtürme auf Barfleur bis auf den Gürtel¬
panzer heruntergeführt worden ist, hat nur geringe Vorteile für den Schutz
der Geschütze und erhöht das Gewicht auf den Schiffsenden sehr, sodaß von
günstigerer Gewichtsverteilung als auf Brandenburg gar nicht die Rede sein
kann. Es liegt also gar kein Grund zu der Annahme vor, Barfleur sei ein
viel zweckmäßigeres und seetüchtigeres Schiff als Brandenburg. Unsre neuen
Panzerschiffe haben ihre Seetüchtigkeit in der stürmischen Nordsee hinreichend
bewährt und haben kürzlich auch durch den Besuch des Hafens von Vigo
gezeigt, daß sie die berüchtigte biskahische Bucht nicht zu fürchten brauchen.
Deshalb muß die alberne Bemerkung des Timeskorrespondenten, der Platz
unsrer Schiffe sei eher in der Ostsee als auf dem Atlantischen Meere, ent¬
schieden zurückgewiesen werden.

Der Platz für unsre großen Schlachtschiffe ist da, wo das Vaterland,
wo Kaiser und Reich sie brauchen -- sei es an unsern Küsten, oder sei es
jenseits der Weltmeere. So gut wie unser altes Panzerschiff Kaiser in kurzer
Zeit in die chinesischen Gewässer hinausgedampft ist, so gut werden auch unsre
neuen Schlachtschiffe, wenn es nötig werden sollte, den Weg in diese oder
in andre ferne Gewässer zu finden wissen, trotz des neidischen Blicks der Eng¬
länder, die freilich lieber sähen, daß uns die Dänen, wie noch im Jahre 1864,
nicht aus dem kleinen Ententeich der Ostsee herausließen. Niemand blickt mit
solcher Mißgunst auf die Ausbreitung unsrer Weltmacht, auf das Blühen und
Wachsen unsrer Handelsflotte und unsrer Kriegsflotte wie die Engländer;
meist verdeckt' der treffliche vaut ihre wahre Gesinnung, aber zuweilen verrät
sie sich in solchen Artikeln wie dem besprochnen. Es ist ihnen unbequem,
daß wir tüchtige Seeleute und gute Seeschiffe haben; deshalb ziehen sie
vor, sich selbst zu täuschen und sich weiszumachen, unsre Schiffe wären
nur für die Ostsee gut, aber bis nach England, der Insel im Atlantischen
Meere, könnten sie kaum herüberkommen. Sie fürchten, daß "Festeuropa"
unter Deutschlands kräftiger Führung ihrem Weltreich gefährlich werden
könnte.

Es würde zu weit führen, den ganzen Timesartikel, der auch die aus¬
ländischen Schiffe behandelt, hier^ ähnlich durchzunehmen. Erwähnt sei nur
noch, daß bei unsern Kreuzern Kaiserin Augusta und Gefion nur nebensäch¬
liches getadelt wird, sodaß es nicht der Mühe lohnt, darauf einzugehen. Reiches
Lob wird allen Anordnungen bei der Eröffnungsfeier gespendet. Hier sagt
der Verfasser: "Wenn auch im Bau von Schlachtschiffen Deutschland der


Englische Ausfälle gegen den deutschen Ariegsschiffbau

tonnen Arbeit gegen 17876 Metertonnen bei Barfleur. Daß dieser gewaltige
Unterschied eine schwächere Nebenbewaffnung auf der kleinern Brandenburg
zur Folge hat, ist ganz natürlich. Trotzdem ist die ganze Geschoßmasse, die
Brandenburg in einer Minute werfen kann, nur 291 Kilogramm leichter als
die von Barfleur, die in einer Minute 3471 Kilogramm ausmacht. Daß die
Panzerung der beiden Brustwehrtürme auf Barfleur bis auf den Gürtel¬
panzer heruntergeführt worden ist, hat nur geringe Vorteile für den Schutz
der Geschütze und erhöht das Gewicht auf den Schiffsenden sehr, sodaß von
günstigerer Gewichtsverteilung als auf Brandenburg gar nicht die Rede sein
kann. Es liegt also gar kein Grund zu der Annahme vor, Barfleur sei ein
viel zweckmäßigeres und seetüchtigeres Schiff als Brandenburg. Unsre neuen
Panzerschiffe haben ihre Seetüchtigkeit in der stürmischen Nordsee hinreichend
bewährt und haben kürzlich auch durch den Besuch des Hafens von Vigo
gezeigt, daß sie die berüchtigte biskahische Bucht nicht zu fürchten brauchen.
Deshalb muß die alberne Bemerkung des Timeskorrespondenten, der Platz
unsrer Schiffe sei eher in der Ostsee als auf dem Atlantischen Meere, ent¬
schieden zurückgewiesen werden.

Der Platz für unsre großen Schlachtschiffe ist da, wo das Vaterland,
wo Kaiser und Reich sie brauchen — sei es an unsern Küsten, oder sei es
jenseits der Weltmeere. So gut wie unser altes Panzerschiff Kaiser in kurzer
Zeit in die chinesischen Gewässer hinausgedampft ist, so gut werden auch unsre
neuen Schlachtschiffe, wenn es nötig werden sollte, den Weg in diese oder
in andre ferne Gewässer zu finden wissen, trotz des neidischen Blicks der Eng¬
länder, die freilich lieber sähen, daß uns die Dänen, wie noch im Jahre 1864,
nicht aus dem kleinen Ententeich der Ostsee herausließen. Niemand blickt mit
solcher Mißgunst auf die Ausbreitung unsrer Weltmacht, auf das Blühen und
Wachsen unsrer Handelsflotte und unsrer Kriegsflotte wie die Engländer;
meist verdeckt' der treffliche vaut ihre wahre Gesinnung, aber zuweilen verrät
sie sich in solchen Artikeln wie dem besprochnen. Es ist ihnen unbequem,
daß wir tüchtige Seeleute und gute Seeschiffe haben; deshalb ziehen sie
vor, sich selbst zu täuschen und sich weiszumachen, unsre Schiffe wären
nur für die Ostsee gut, aber bis nach England, der Insel im Atlantischen
Meere, könnten sie kaum herüberkommen. Sie fürchten, daß „Festeuropa"
unter Deutschlands kräftiger Führung ihrem Weltreich gefährlich werden
könnte.

Es würde zu weit führen, den ganzen Timesartikel, der auch die aus¬
ländischen Schiffe behandelt, hier^ ähnlich durchzunehmen. Erwähnt sei nur
noch, daß bei unsern Kreuzern Kaiserin Augusta und Gefion nur nebensäch¬
liches getadelt wird, sodaß es nicht der Mühe lohnt, darauf einzugehen. Reiches
Lob wird allen Anordnungen bei der Eröffnungsfeier gespendet. Hier sagt
der Verfasser: „Wenn auch im Bau von Schlachtschiffen Deutschland der


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[0362] Englische Ausfälle gegen den deutschen Ariegsschiffbau tonnen Arbeit gegen 17876 Metertonnen bei Barfleur. Daß dieser gewaltige Unterschied eine schwächere Nebenbewaffnung auf der kleinern Brandenburg zur Folge hat, ist ganz natürlich. Trotzdem ist die ganze Geschoßmasse, die Brandenburg in einer Minute werfen kann, nur 291 Kilogramm leichter als die von Barfleur, die in einer Minute 3471 Kilogramm ausmacht. Daß die Panzerung der beiden Brustwehrtürme auf Barfleur bis auf den Gürtel¬ panzer heruntergeführt worden ist, hat nur geringe Vorteile für den Schutz der Geschütze und erhöht das Gewicht auf den Schiffsenden sehr, sodaß von günstigerer Gewichtsverteilung als auf Brandenburg gar nicht die Rede sein kann. Es liegt also gar kein Grund zu der Annahme vor, Barfleur sei ein viel zweckmäßigeres und seetüchtigeres Schiff als Brandenburg. Unsre neuen Panzerschiffe haben ihre Seetüchtigkeit in der stürmischen Nordsee hinreichend bewährt und haben kürzlich auch durch den Besuch des Hafens von Vigo gezeigt, daß sie die berüchtigte biskahische Bucht nicht zu fürchten brauchen. Deshalb muß die alberne Bemerkung des Timeskorrespondenten, der Platz unsrer Schiffe sei eher in der Ostsee als auf dem Atlantischen Meere, ent¬ schieden zurückgewiesen werden. Der Platz für unsre großen Schlachtschiffe ist da, wo das Vaterland, wo Kaiser und Reich sie brauchen — sei es an unsern Küsten, oder sei es jenseits der Weltmeere. So gut wie unser altes Panzerschiff Kaiser in kurzer Zeit in die chinesischen Gewässer hinausgedampft ist, so gut werden auch unsre neuen Schlachtschiffe, wenn es nötig werden sollte, den Weg in diese oder in andre ferne Gewässer zu finden wissen, trotz des neidischen Blicks der Eng¬ länder, die freilich lieber sähen, daß uns die Dänen, wie noch im Jahre 1864, nicht aus dem kleinen Ententeich der Ostsee herausließen. Niemand blickt mit solcher Mißgunst auf die Ausbreitung unsrer Weltmacht, auf das Blühen und Wachsen unsrer Handelsflotte und unsrer Kriegsflotte wie die Engländer; meist verdeckt' der treffliche vaut ihre wahre Gesinnung, aber zuweilen verrät sie sich in solchen Artikeln wie dem besprochnen. Es ist ihnen unbequem, daß wir tüchtige Seeleute und gute Seeschiffe haben; deshalb ziehen sie vor, sich selbst zu täuschen und sich weiszumachen, unsre Schiffe wären nur für die Ostsee gut, aber bis nach England, der Insel im Atlantischen Meere, könnten sie kaum herüberkommen. Sie fürchten, daß „Festeuropa" unter Deutschlands kräftiger Führung ihrem Weltreich gefährlich werden könnte. Es würde zu weit führen, den ganzen Timesartikel, der auch die aus¬ ländischen Schiffe behandelt, hier^ ähnlich durchzunehmen. Erwähnt sei nur noch, daß bei unsern Kreuzern Kaiserin Augusta und Gefion nur nebensäch¬ liches getadelt wird, sodaß es nicht der Mühe lohnt, darauf einzugehen. Reiches Lob wird allen Anordnungen bei der Eröffnungsfeier gespendet. Hier sagt der Verfasser: „Wenn auch im Bau von Schlachtschiffen Deutschland der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/362>, abgerufen am 01.09.2024.