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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Englische Ausfälle gegen den deutschen Ariegsschiffbau

dem Deck. Das Achterdeck, worauf der Hintere Brustwehrturm steht, liegt
beträchtlich niedriger und wird wahrscheinlich schon bei mäßig schwerem See¬
gange überflutet werden. Schwache Punkte in der Anordnung des Panzers
und der Bewaffnung scheinen zu sein: das kleine Kaliber der Schnellfeuer¬
geschütze, ferner die Gefahr, daß die vorder" Panzergeschütze das Feuer der
über ihnen aufgestellten Schnellfeuergeschütze hindern könnten, und daß die
Mannschaft dieser Panzergeschütze von dem Feuer der Schuellfeuergeschütze
verletzt werden könnte, und schließlich, daß die Grundflächen der Brustwehr¬
türme nicht gepanzert sind." Hier zeigt der Berichterstatter, daß er den Sieg¬
fried nur sehr oberflächlich betrachtet hat. Denn zunächst ist der Freibord
des hintern Panzergeschützes auf Siegfried etwa 1 Meter größer als der der
vordern Turmgeschütze der englischen Hochseepanzcrschiffe Hood (1891 gebaut)
und Sans Pareil (1887); es wird aber jedem Laien klar sein, daß Bug-
geschütze höher aufgestellt sein müssen als Heckgeschütze, denn der Bug des
Schiffs ist der Überflutung vielmehr ausgesetzt als das Heat. Ein Freibord,
der auf englischen Hochseeschiffe" für Buggcschütze genügen soll, wird also
ganz gewiß für die Heckgeschütze unsrer Küstenverteidiger ausreichen. Der
Verfasser scheint ferner nicht zu wissen, daß unsre neuen Schiffe über ihren
Panzergeschützen starke stählerne Panzerkuppcln zum Schutze der Mannschaft
tragen; die vordern Schnellfeuergeschütze feuern glatt und unbehindert über
diese Kuppeln hinweg. Sollte also einmal eine Granate über der Kuppel
bersten, was bei guten Granaten nur sehr selten vorkommt, so ist die Geschütz¬
mannschaft unter der Kuppel völlig geschützt. Mit Ausnahme der allerneusten
englischen Schlachtschiffe haben fast alle Panzerschiffe unter den allein stehenden
Brustwehrtürmen keine Panzerung, das gesteht der Timesberichterstatter selbst
zu; fügt man nun erläuternd hinzu, daß der Boden der Türme des Siegfried
aus sehr kräftigen Stahlplatten besteht, die von unter heraufschlagenden Granat¬
splittern widerstehen können, so zerfließt auch der letzte Tadel des Engländers.
Daß das Kaliber der Schnellfeuerkanonen des Siegfried zu klein sei, kann
auch nicht zugegeben werden. Wie sehr die noch von Jahr zu Jahr wichtiger
werdende Bewaffnung mit Schnellfeuerkanoiieu auch von unsrer Mariueleitung
geschätzt wird, geht schon daraus hervor, daß alle Schiffe derselben Art, die
später als Siegfried gebaut worden find, acht Schnellladekanonen, ja die beiden
letzten, Odin und Ägir, sogar zehn bekommen haben, während Siegfried, der
erste der Kanalschutzpnnzer, nur sechs hat. Alle diese Geschütze haben das
Kaliber von 8,8 Centimeter; die Rohre sind 30 Kaliber lang und feuern in
der Minute zehn Stahlgranaten von 7,5 Kilogramm Gewicht. Dieses Kaliber
durchschlägt noch etwa 11 Centimeter Pauzerstärke; es muß den artilleristischen
Anforderungen sehr gut entsprechen, da es auf sehr vielen unsrer Kriegsschiffe
eingeführt ist. Da der Plan jedes Panzerschiffs ein bestimmtes Gewicht für
die Schnellfeuerkanonen und deren Schießbedarf festsetzt, das nicht über-


Englische Ausfälle gegen den deutschen Ariegsschiffbau

dem Deck. Das Achterdeck, worauf der Hintere Brustwehrturm steht, liegt
beträchtlich niedriger und wird wahrscheinlich schon bei mäßig schwerem See¬
gange überflutet werden. Schwache Punkte in der Anordnung des Panzers
und der Bewaffnung scheinen zu sein: das kleine Kaliber der Schnellfeuer¬
geschütze, ferner die Gefahr, daß die vorder» Panzergeschütze das Feuer der
über ihnen aufgestellten Schnellfeuergeschütze hindern könnten, und daß die
Mannschaft dieser Panzergeschütze von dem Feuer der Schuellfeuergeschütze
verletzt werden könnte, und schließlich, daß die Grundflächen der Brustwehr¬
türme nicht gepanzert sind." Hier zeigt der Berichterstatter, daß er den Sieg¬
fried nur sehr oberflächlich betrachtet hat. Denn zunächst ist der Freibord
des hintern Panzergeschützes auf Siegfried etwa 1 Meter größer als der der
vordern Turmgeschütze der englischen Hochseepanzcrschiffe Hood (1891 gebaut)
und Sans Pareil (1887); es wird aber jedem Laien klar sein, daß Bug-
geschütze höher aufgestellt sein müssen als Heckgeschütze, denn der Bug des
Schiffs ist der Überflutung vielmehr ausgesetzt als das Heat. Ein Freibord,
der auf englischen Hochseeschiffe» für Buggcschütze genügen soll, wird also
ganz gewiß für die Heckgeschütze unsrer Küstenverteidiger ausreichen. Der
Verfasser scheint ferner nicht zu wissen, daß unsre neuen Schiffe über ihren
Panzergeschützen starke stählerne Panzerkuppcln zum Schutze der Mannschaft
tragen; die vordern Schnellfeuergeschütze feuern glatt und unbehindert über
diese Kuppeln hinweg. Sollte also einmal eine Granate über der Kuppel
bersten, was bei guten Granaten nur sehr selten vorkommt, so ist die Geschütz¬
mannschaft unter der Kuppel völlig geschützt. Mit Ausnahme der allerneusten
englischen Schlachtschiffe haben fast alle Panzerschiffe unter den allein stehenden
Brustwehrtürmen keine Panzerung, das gesteht der Timesberichterstatter selbst
zu; fügt man nun erläuternd hinzu, daß der Boden der Türme des Siegfried
aus sehr kräftigen Stahlplatten besteht, die von unter heraufschlagenden Granat¬
splittern widerstehen können, so zerfließt auch der letzte Tadel des Engländers.
Daß das Kaliber der Schnellfeuerkanonen des Siegfried zu klein sei, kann
auch nicht zugegeben werden. Wie sehr die noch von Jahr zu Jahr wichtiger
werdende Bewaffnung mit Schnellfeuerkanoiieu auch von unsrer Mariueleitung
geschätzt wird, geht schon daraus hervor, daß alle Schiffe derselben Art, die
später als Siegfried gebaut worden find, acht Schnellladekanonen, ja die beiden
letzten, Odin und Ägir, sogar zehn bekommen haben, während Siegfried, der
erste der Kanalschutzpnnzer, nur sechs hat. Alle diese Geschütze haben das
Kaliber von 8,8 Centimeter; die Rohre sind 30 Kaliber lang und feuern in
der Minute zehn Stahlgranaten von 7,5 Kilogramm Gewicht. Dieses Kaliber
durchschlägt noch etwa 11 Centimeter Pauzerstärke; es muß den artilleristischen
Anforderungen sehr gut entsprechen, da es auf sehr vielen unsrer Kriegsschiffe
eingeführt ist. Da der Plan jedes Panzerschiffs ein bestimmtes Gewicht für
die Schnellfeuerkanonen und deren Schießbedarf festsetzt, das nicht über-


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[0356] Englische Ausfälle gegen den deutschen Ariegsschiffbau dem Deck. Das Achterdeck, worauf der Hintere Brustwehrturm steht, liegt beträchtlich niedriger und wird wahrscheinlich schon bei mäßig schwerem See¬ gange überflutet werden. Schwache Punkte in der Anordnung des Panzers und der Bewaffnung scheinen zu sein: das kleine Kaliber der Schnellfeuer¬ geschütze, ferner die Gefahr, daß die vorder» Panzergeschütze das Feuer der über ihnen aufgestellten Schnellfeuergeschütze hindern könnten, und daß die Mannschaft dieser Panzergeschütze von dem Feuer der Schuellfeuergeschütze verletzt werden könnte, und schließlich, daß die Grundflächen der Brustwehr¬ türme nicht gepanzert sind." Hier zeigt der Berichterstatter, daß er den Sieg¬ fried nur sehr oberflächlich betrachtet hat. Denn zunächst ist der Freibord des hintern Panzergeschützes auf Siegfried etwa 1 Meter größer als der der vordern Turmgeschütze der englischen Hochseepanzcrschiffe Hood (1891 gebaut) und Sans Pareil (1887); es wird aber jedem Laien klar sein, daß Bug- geschütze höher aufgestellt sein müssen als Heckgeschütze, denn der Bug des Schiffs ist der Überflutung vielmehr ausgesetzt als das Heat. Ein Freibord, der auf englischen Hochseeschiffe» für Buggcschütze genügen soll, wird also ganz gewiß für die Heckgeschütze unsrer Küstenverteidiger ausreichen. Der Verfasser scheint ferner nicht zu wissen, daß unsre neuen Schiffe über ihren Panzergeschützen starke stählerne Panzerkuppcln zum Schutze der Mannschaft tragen; die vordern Schnellfeuergeschütze feuern glatt und unbehindert über diese Kuppeln hinweg. Sollte also einmal eine Granate über der Kuppel bersten, was bei guten Granaten nur sehr selten vorkommt, so ist die Geschütz¬ mannschaft unter der Kuppel völlig geschützt. Mit Ausnahme der allerneusten englischen Schlachtschiffe haben fast alle Panzerschiffe unter den allein stehenden Brustwehrtürmen keine Panzerung, das gesteht der Timesberichterstatter selbst zu; fügt man nun erläuternd hinzu, daß der Boden der Türme des Siegfried aus sehr kräftigen Stahlplatten besteht, die von unter heraufschlagenden Granat¬ splittern widerstehen können, so zerfließt auch der letzte Tadel des Engländers. Daß das Kaliber der Schnellfeuerkanonen des Siegfried zu klein sei, kann auch nicht zugegeben werden. Wie sehr die noch von Jahr zu Jahr wichtiger werdende Bewaffnung mit Schnellfeuerkanoiieu auch von unsrer Mariueleitung geschätzt wird, geht schon daraus hervor, daß alle Schiffe derselben Art, die später als Siegfried gebaut worden find, acht Schnellladekanonen, ja die beiden letzten, Odin und Ägir, sogar zehn bekommen haben, während Siegfried, der erste der Kanalschutzpnnzer, nur sechs hat. Alle diese Geschütze haben das Kaliber von 8,8 Centimeter; die Rohre sind 30 Kaliber lang und feuern in der Minute zehn Stahlgranaten von 7,5 Kilogramm Gewicht. Dieses Kaliber durchschlägt noch etwa 11 Centimeter Pauzerstärke; es muß den artilleristischen Anforderungen sehr gut entsprechen, da es auf sehr vielen unsrer Kriegsschiffe eingeführt ist. Da der Plan jedes Panzerschiffs ein bestimmtes Gewicht für die Schnellfeuerkanonen und deren Schießbedarf festsetzt, das nicht über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/356>, abgerufen am 28.07.2024.