Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.Die Lhre und der Zweikampf dennoch nicht überzeugen läßt, kann dann nicht in Betracht kommen, man muß Nach einer weit verbreiteten Annahme hat er in dieser Bedeutung seinen Wenn sich diese Einrichtung des mittelalterlichen Gerichtsverfahrens bis Die Lhre und der Zweikampf dennoch nicht überzeugen läßt, kann dann nicht in Betracht kommen, man muß Nach einer weit verbreiteten Annahme hat er in dieser Bedeutung seinen Wenn sich diese Einrichtung des mittelalterlichen Gerichtsverfahrens bis <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220642"/> <fw type="header" place="top"> Die Lhre und der Zweikampf</fw><lb/> <p xml:id="ID_1345" prev="#ID_1344"> dennoch nicht überzeugen läßt, kann dann nicht in Betracht kommen, man muß<lb/> annehmen, daß es ihm am guten Willen fehle und kann ihm ttberlasscu, seinen<lb/> Zweifel zu hegen, wenn er ihn nur nicht äußert. Nun liegt es aber in der<lb/> Natur der Sache, daß bei ehrcnkränkcnden Behauptungen regelmäßig nicht ihre<lb/> Unwahrheit bewiese» werden kann, sondern daß es eben bloß nicht gelingt,<lb/> ihre Wahrheit zu beweisen. In solchen Fällen läßt sich nicht unbedingt ver¬<lb/> langen, daß der dritte die in ihm geweckten Zweifel aufgebe; es kommt darauf<lb/> an, wem er mehr Vertrauen schenkt, dem, der die ehrenrührige Behauptung<lb/> ausgesprochen hat, oder dem, auf den sie sich bezieht, und wenn es auch einer<lb/> wohlwollenden Gesinnung entspricht, hier eher einen Irrtum anzunehmen, als<lb/> seine Meinung verschlimmern zu lassen, so kann man es doch niemand ver¬<lb/> wehren, sich für das letztere zu entscheiden. Und wie leicht ist man dazu<lb/> geneigt! Lsinpkr -üiauiü Imerst. Das ist der eigentliche Grund, weshalb die<lb/> Anwendung des Gesetzes, das, der oben erwähnten Ncchtsvermutnng gemäß,<lb/> jeden schon dann der Verleumdung für schuldig und deshalb für strafbar erklärt,<lb/> wenn er eine ehrenrührige Thatsache, die er behauptet oder verbreitet hat, nicht<lb/> beweisen kaun, einem ehrliebenden Gemüte noch nicht die Überzeugung verschafft,<lb/> daß seine Ehre wirklich wiederhergestellt sei, und ihm also keine vollständige<lb/> Genugthuung gewährt. Diese psychologische Thatsache rechtfertigt das Ver¬<lb/> langen, ein Mittel zu finden und anzuwenden, durch das sich jener Zweck in<lb/> vollem Maße erreichen ließe. Ein solches Mittel, und zwar das einzige dieser<lb/> Art, hat man im Zweikampf zu finden geglaubt und glaubt man in ihm auch<lb/> heutzutage noch zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1346"> Nach einer weit verbreiteten Annahme hat er in dieser Bedeutung seinen<lb/> Ursprung in dem mittelalterliche!! Gerichtsverfahren genommen, wo er zu einer<lb/> Art der wichtigsten Beweismittel, nämlich der Gottesurteile gehörte. Nach der<lb/> religiösen Auffassung jener Zeit bedürfte es in einem Strafverfahren nur der<lb/> Anrufung Gottes, des allcinwissenden und allmächtigen Richters über gut und<lb/> böse, damit er in einer bestimmten Form offenbarte, ob einer, der einer Misse¬<lb/> that angeklagt war, die er begangen zu haben leugnete, und die auf andre<lb/> Art nicht zu erweisen war, schuldig sei oder nicht. Eine dieser Formen war<lb/> der gerichtliche Zweikampf zwischen dein Ankläger und dem Beschuldigten; sein<lb/> Ausgang entschied über die Schuld und enthielt unter Umständen zugleich die<lb/> Strafe des Schuldigen für seine That oder des Anklägers für seine ungerechte<lb/> Beschuldigung, je nachdem der eine oder andre unterlag und leiblichen Schaden<lb/> erlitt oder gnr sein Leben einbüßte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1347" next="#ID_1348"> Wenn sich diese Einrichtung des mittelalterlichen Gerichtsverfahrens bis<lb/> in unsre Tage verirrt haben sollte, so hat sie sich wenigstens ans diesem langen<lb/> Wege ihres Charakters dermaßen entäußert, daß von ihr eigentlich nichts mehr<lb/> übrig geblieben ist als ein in bestimmter Ordnung geführter lebensgefährlicher<lb/> Zweikampf. Ein gerichtlicher und darum gesetzlicher Akt ist dieser zunächst</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
Die Lhre und der Zweikampf
dennoch nicht überzeugen läßt, kann dann nicht in Betracht kommen, man muß
annehmen, daß es ihm am guten Willen fehle und kann ihm ttberlasscu, seinen
Zweifel zu hegen, wenn er ihn nur nicht äußert. Nun liegt es aber in der
Natur der Sache, daß bei ehrcnkränkcnden Behauptungen regelmäßig nicht ihre
Unwahrheit bewiese» werden kann, sondern daß es eben bloß nicht gelingt,
ihre Wahrheit zu beweisen. In solchen Fällen läßt sich nicht unbedingt ver¬
langen, daß der dritte die in ihm geweckten Zweifel aufgebe; es kommt darauf
an, wem er mehr Vertrauen schenkt, dem, der die ehrenrührige Behauptung
ausgesprochen hat, oder dem, auf den sie sich bezieht, und wenn es auch einer
wohlwollenden Gesinnung entspricht, hier eher einen Irrtum anzunehmen, als
seine Meinung verschlimmern zu lassen, so kann man es doch niemand ver¬
wehren, sich für das letztere zu entscheiden. Und wie leicht ist man dazu
geneigt! Lsinpkr -üiauiü Imerst. Das ist der eigentliche Grund, weshalb die
Anwendung des Gesetzes, das, der oben erwähnten Ncchtsvermutnng gemäß,
jeden schon dann der Verleumdung für schuldig und deshalb für strafbar erklärt,
wenn er eine ehrenrührige Thatsache, die er behauptet oder verbreitet hat, nicht
beweisen kaun, einem ehrliebenden Gemüte noch nicht die Überzeugung verschafft,
daß seine Ehre wirklich wiederhergestellt sei, und ihm also keine vollständige
Genugthuung gewährt. Diese psychologische Thatsache rechtfertigt das Ver¬
langen, ein Mittel zu finden und anzuwenden, durch das sich jener Zweck in
vollem Maße erreichen ließe. Ein solches Mittel, und zwar das einzige dieser
Art, hat man im Zweikampf zu finden geglaubt und glaubt man in ihm auch
heutzutage noch zu haben.
Nach einer weit verbreiteten Annahme hat er in dieser Bedeutung seinen
Ursprung in dem mittelalterliche!! Gerichtsverfahren genommen, wo er zu einer
Art der wichtigsten Beweismittel, nämlich der Gottesurteile gehörte. Nach der
religiösen Auffassung jener Zeit bedürfte es in einem Strafverfahren nur der
Anrufung Gottes, des allcinwissenden und allmächtigen Richters über gut und
böse, damit er in einer bestimmten Form offenbarte, ob einer, der einer Misse¬
that angeklagt war, die er begangen zu haben leugnete, und die auf andre
Art nicht zu erweisen war, schuldig sei oder nicht. Eine dieser Formen war
der gerichtliche Zweikampf zwischen dein Ankläger und dem Beschuldigten; sein
Ausgang entschied über die Schuld und enthielt unter Umständen zugleich die
Strafe des Schuldigen für seine That oder des Anklägers für seine ungerechte
Beschuldigung, je nachdem der eine oder andre unterlag und leiblichen Schaden
erlitt oder gnr sein Leben einbüßte.
Wenn sich diese Einrichtung des mittelalterlichen Gerichtsverfahrens bis
in unsre Tage verirrt haben sollte, so hat sie sich wenigstens ans diesem langen
Wege ihres Charakters dermaßen entäußert, daß von ihr eigentlich nichts mehr
übrig geblieben ist als ein in bestimmter Ordnung geführter lebensgefährlicher
Zweikampf. Ein gerichtlicher und darum gesetzlicher Akt ist dieser zunächst
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