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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Der Gouverneurwechsel in der Kapkolonie

fortlebten für den Kapstädter Posten finden können. Wenn die englische Re¬
gierung, was allerdings kaum anzunehmen ist, dabei der Ansicht sein sollte,
daß die Ausführung des angeblich beabsichtigten Zollvereins in friedlicher
Weise erfolgen könne, so irrt sie sich gründlich. Die Beliebtheit, deren sich
Sir Hercules ehemals bei den Burenstaaten erfreute, ist so ziemlich ins Gegen¬
teil umgeschlagen, seitdem man dort erkannt hat, welches der wahre Gehalt der
Vereiniguugsbestrebuugen seines Freundes Rhodes ist, seitdem man sich durch
die jüngst geschehene Einverleibung Pongolalands (Landstreifen im Osten Swasi¬
lands) von der Art der britischen Freundschaftsversicherungen überzeugt hat.
Nur mit Gewalt wird eine Vereinigung zu stände zu bringen sein, und wahr¬
scheinlich hält die Londoner Regierung bei der bisherigen Nachgiebigkeit Deutsch¬
lands den Zeitpunkt für gekommen, endlich in Südafrika reinen Tisch zu machen.
Wenn es auf friedliche Weise uicht geht, wird eben der nötige äußere Druck
ausgeübt werden, ja auch vor der Anwendung offner Gewalt wird man kaum
zurückschrecken. Sir Hercules kann aber, ein Greis, wie er ist, nicht mehr auf
eine allzulange Amtsführung rechnen. Die Annahme ist also gerechtfertigt,
daß Herr Rhodes beabsichtigt, in der kurzen Zeit, in der ihm noch ein will¬
fähriger High Commissioner zur Seite steht, doppelt schnell auch seinen übrigen
staatsmünnischen Zielen zuzustreben. Welcher Art diese weitern Ziele sind,
liegt jedem, der die Verhältnisse und die Geschichte Südafrikas kennt, klar vor
Augen. Mit dem so unschuldig aussehenden Zollverein ist schon der Oranje-
freistaat geködert worden, und er versucht jetzt, da ihm die Augen über seine
Lage allmählich aufgehen, sich den tötlichen Umarmungen der Kapkolonie zu
entziehen. Die endliche Ausdehnung dieses Zollbundes über ganz Südafrika,
bei der der jetzige High Commissioner Hilfe leisten soll, dient Herrn Rhodes
nur als Mittel zum Zweck. Unter seiner Decke verbirgt sich die endgiltige
Besitznahme Südafrikas durch die Engländer. Umfaßt der Verein einmal die
noch freien Staaten, so giebt es für diese kein Entrinnen mehr. Das Endziel
ist ein englisches Südafrika bis an die Quellen des Kongo, und der Weg
dahin geht über die mehr oder minder gewaltsame Einverleibung der Vurcn-
staaten und der ostafrikanischen Besitzungen Portugals.

Es läßt sich auch sicher annehmen, daß Herr Rhodes dabei auf die schlie߬
liche Abtretung des deutschen Schutzgebiets rechnet, obwohl er sich sagen mag,
daß dies vorläufig nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Schon früher haben
sich seine Helfer, hinter denen er sich natürlich schlau zu verstecken weiß, be¬
müht, uns unser Schutzgebiet durch allerlei Ränke möglichst wertlos zu
machen. Vielleicht hofft er doch endlich dabei zum Ziele zu kommen und uns
durch irgend eine geringfügige Ausgleichung in Ostafrika zu entschädigen.

War er in der Ausführung seiner Entwürfe durch die Person des frühern
High Commissioners gehindert, so ist dieses Hindernis jetzt für ihn weggefallen.
In Sir Hercules hat er nicht nur einen stillen Begünstiger, sondern sogar


Grenzboten III 1895 21
Der Gouverneurwechsel in der Kapkolonie

fortlebten für den Kapstädter Posten finden können. Wenn die englische Re¬
gierung, was allerdings kaum anzunehmen ist, dabei der Ansicht sein sollte,
daß die Ausführung des angeblich beabsichtigten Zollvereins in friedlicher
Weise erfolgen könne, so irrt sie sich gründlich. Die Beliebtheit, deren sich
Sir Hercules ehemals bei den Burenstaaten erfreute, ist so ziemlich ins Gegen¬
teil umgeschlagen, seitdem man dort erkannt hat, welches der wahre Gehalt der
Vereiniguugsbestrebuugen seines Freundes Rhodes ist, seitdem man sich durch
die jüngst geschehene Einverleibung Pongolalands (Landstreifen im Osten Swasi¬
lands) von der Art der britischen Freundschaftsversicherungen überzeugt hat.
Nur mit Gewalt wird eine Vereinigung zu stände zu bringen sein, und wahr¬
scheinlich hält die Londoner Regierung bei der bisherigen Nachgiebigkeit Deutsch¬
lands den Zeitpunkt für gekommen, endlich in Südafrika reinen Tisch zu machen.
Wenn es auf friedliche Weise uicht geht, wird eben der nötige äußere Druck
ausgeübt werden, ja auch vor der Anwendung offner Gewalt wird man kaum
zurückschrecken. Sir Hercules kann aber, ein Greis, wie er ist, nicht mehr auf
eine allzulange Amtsführung rechnen. Die Annahme ist also gerechtfertigt,
daß Herr Rhodes beabsichtigt, in der kurzen Zeit, in der ihm noch ein will¬
fähriger High Commissioner zur Seite steht, doppelt schnell auch seinen übrigen
staatsmünnischen Zielen zuzustreben. Welcher Art diese weitern Ziele sind,
liegt jedem, der die Verhältnisse und die Geschichte Südafrikas kennt, klar vor
Augen. Mit dem so unschuldig aussehenden Zollverein ist schon der Oranje-
freistaat geködert worden, und er versucht jetzt, da ihm die Augen über seine
Lage allmählich aufgehen, sich den tötlichen Umarmungen der Kapkolonie zu
entziehen. Die endliche Ausdehnung dieses Zollbundes über ganz Südafrika,
bei der der jetzige High Commissioner Hilfe leisten soll, dient Herrn Rhodes
nur als Mittel zum Zweck. Unter seiner Decke verbirgt sich die endgiltige
Besitznahme Südafrikas durch die Engländer. Umfaßt der Verein einmal die
noch freien Staaten, so giebt es für diese kein Entrinnen mehr. Das Endziel
ist ein englisches Südafrika bis an die Quellen des Kongo, und der Weg
dahin geht über die mehr oder minder gewaltsame Einverleibung der Vurcn-
staaten und der ostafrikanischen Besitzungen Portugals.

Es läßt sich auch sicher annehmen, daß Herr Rhodes dabei auf die schlie߬
liche Abtretung des deutschen Schutzgebiets rechnet, obwohl er sich sagen mag,
daß dies vorläufig nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Schon früher haben
sich seine Helfer, hinter denen er sich natürlich schlau zu verstecken weiß, be¬
müht, uns unser Schutzgebiet durch allerlei Ränke möglichst wertlos zu
machen. Vielleicht hofft er doch endlich dabei zum Ziele zu kommen und uns
durch irgend eine geringfügige Ausgleichung in Ostafrika zu entschädigen.

War er in der Ausführung seiner Entwürfe durch die Person des frühern
High Commissioners gehindert, so ist dieses Hindernis jetzt für ihn weggefallen.
In Sir Hercules hat er nicht nur einen stillen Begünstiger, sondern sogar


Grenzboten III 1895 21
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[0169] Der Gouverneurwechsel in der Kapkolonie fortlebten für den Kapstädter Posten finden können. Wenn die englische Re¬ gierung, was allerdings kaum anzunehmen ist, dabei der Ansicht sein sollte, daß die Ausführung des angeblich beabsichtigten Zollvereins in friedlicher Weise erfolgen könne, so irrt sie sich gründlich. Die Beliebtheit, deren sich Sir Hercules ehemals bei den Burenstaaten erfreute, ist so ziemlich ins Gegen¬ teil umgeschlagen, seitdem man dort erkannt hat, welches der wahre Gehalt der Vereiniguugsbestrebuugen seines Freundes Rhodes ist, seitdem man sich durch die jüngst geschehene Einverleibung Pongolalands (Landstreifen im Osten Swasi¬ lands) von der Art der britischen Freundschaftsversicherungen überzeugt hat. Nur mit Gewalt wird eine Vereinigung zu stände zu bringen sein, und wahr¬ scheinlich hält die Londoner Regierung bei der bisherigen Nachgiebigkeit Deutsch¬ lands den Zeitpunkt für gekommen, endlich in Südafrika reinen Tisch zu machen. Wenn es auf friedliche Weise uicht geht, wird eben der nötige äußere Druck ausgeübt werden, ja auch vor der Anwendung offner Gewalt wird man kaum zurückschrecken. Sir Hercules kann aber, ein Greis, wie er ist, nicht mehr auf eine allzulange Amtsführung rechnen. Die Annahme ist also gerechtfertigt, daß Herr Rhodes beabsichtigt, in der kurzen Zeit, in der ihm noch ein will¬ fähriger High Commissioner zur Seite steht, doppelt schnell auch seinen übrigen staatsmünnischen Zielen zuzustreben. Welcher Art diese weitern Ziele sind, liegt jedem, der die Verhältnisse und die Geschichte Südafrikas kennt, klar vor Augen. Mit dem so unschuldig aussehenden Zollverein ist schon der Oranje- freistaat geködert worden, und er versucht jetzt, da ihm die Augen über seine Lage allmählich aufgehen, sich den tötlichen Umarmungen der Kapkolonie zu entziehen. Die endliche Ausdehnung dieses Zollbundes über ganz Südafrika, bei der der jetzige High Commissioner Hilfe leisten soll, dient Herrn Rhodes nur als Mittel zum Zweck. Unter seiner Decke verbirgt sich die endgiltige Besitznahme Südafrikas durch die Engländer. Umfaßt der Verein einmal die noch freien Staaten, so giebt es für diese kein Entrinnen mehr. Das Endziel ist ein englisches Südafrika bis an die Quellen des Kongo, und der Weg dahin geht über die mehr oder minder gewaltsame Einverleibung der Vurcn- staaten und der ostafrikanischen Besitzungen Portugals. Es läßt sich auch sicher annehmen, daß Herr Rhodes dabei auf die schlie߬ liche Abtretung des deutschen Schutzgebiets rechnet, obwohl er sich sagen mag, daß dies vorläufig nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Schon früher haben sich seine Helfer, hinter denen er sich natürlich schlau zu verstecken weiß, be¬ müht, uns unser Schutzgebiet durch allerlei Ränke möglichst wertlos zu machen. Vielleicht hofft er doch endlich dabei zum Ziele zu kommen und uns durch irgend eine geringfügige Ausgleichung in Ostafrika zu entschädigen. War er in der Ausführung seiner Entwürfe durch die Person des frühern High Commissioners gehindert, so ist dieses Hindernis jetzt für ihn weggefallen. In Sir Hercules hat er nicht nur einen stillen Begünstiger, sondern sogar Grenzboten III 1895 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/169>, abgerufen am 01.09.2024.