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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Eiserne Brücken

verläuft, die Ursache mancher Explosion zu suchen ist; denn die Erfahrung
hat gezeigt, daß selbst neue Kessel und andre Hohlkörper, die einen hohen
Prüfungsdruck bestanden hatten, bald darauf bei viel niedrigeren Druck explo-
dirten. Ich erinnere mich eines solchen Falles, der sich vor einiger Zeit in
der Kühlanlage einer großen Bierbrauerei ereignete. In diesen Anlagen be¬
dient man sich des flüssigen Ammoniaks, das durch seine schnelle Vergasung
eine bedeutende Kälte erzeugt, dann durch den sogenannten Kompressor aus
dem gasförmigen Zustande wieder in den flüssigen zurückgeführt wird und so
in einem fortwährenden Kreislauf arbeitet. Im Betriebe bedarf das Am¬
moniakgas zur Flüssigmachung im Kompressor eines Drucks von sieben bis
acht Atmosphären, und so würde nach den bestehenden Grundsätzen zur Prü¬
fung des Kompressors ein Druck von zwölf bis dreizehn Atmosphären aus¬
gereicht haben. Der prüfende Monteur hatte aber den Kompressor mit einem
Druck von nahe an zwanzig Atmosphären belastet, und der Kompressor hatte den
Druck auch ausgehalten. Als er aber kurz darauf nochmals geprüft wurde, ex-
plodirte er schon bei einem Druck von elf Atmosphären und richtete hierdurch
arge Verwüstungen an. Offenbar hatte der Kompressor bei der ersten Prüfung
einen "Kraals" bekommen.

Erfreulicherweise scheint man jetzt mit der Probebelastung eiserner Brücken
nicht höher als bis zu dem Gewicht zu gehen, das die Brücken durch die
darüberfahrenden schwersten Bahnzüge wirklich auszuhalten haben, was selbst¬
verständlich nicht ausschließt, daß die Brücken auf mehrfache Sicherheit kon-
struirt sein müssen. Als schwersten Bahnzug müssen wir einen vollbeladnen
Güterzug mit zwei Lokomotiven der schwersten Art annehmen. Eine solche
Lokomotive einschließlich des Tenders, und vollbeladen mit Heizmaterial und
Wasser, hat ein Gewicht von etwa 1500 Zentnern, die schwerste Lowry wiegt
vollbeladen höchstens 800 Zentner, und da zwei hintereinandergekuppelte Lo¬
komotiven höchstens 45 dieser Lowrys fortzuschaffen vermögen, so hat der
schwerste Güterzug ein Gesamtgewicht von etwa 39000 Zentnern. Bei der
Belastung einer Brücke durch die darüberfahreuden Bahnzüge handelt es sich
jedoch nicht um das Gesamtgewicht, sonder" nur um das Gewicht, womit ein
zwischen zwei Pfeilern oder zwei festen Stützpunkten liegender Brückenteil be¬
lastet wird. Dementsprechend würde anch die Probebelastung herzustellen sein.
Eine Lokomotive der schwersten Art nimmt, mit den Puffern gemessen, eine
Länge von etwa 15 Metern ein, eine Lowry der erwähnten Art ist mit den
Puffern etwa 13 Meter lang. Für eine Brücke oder ein Joch von 15 Metern
Spannweite genügt daher eine Probebelastung von 1500 Zentnern (das Ge¬
wicht einer Lokomotive), für eine Brücke von 30 Metern Spannweite eine
Belastung von 3000 Zentnern (das Gewicht von zwei Lokomotiven), dagegen
braucht eine Brücke von 60 Metern Spannweite nur mit 4870 Zentnern (dem
Gewicht von 2 Lokomotiven und 2^/g Lowries), eine Brücke von 120 Metern


Eiserne Brücken

verläuft, die Ursache mancher Explosion zu suchen ist; denn die Erfahrung
hat gezeigt, daß selbst neue Kessel und andre Hohlkörper, die einen hohen
Prüfungsdruck bestanden hatten, bald darauf bei viel niedrigeren Druck explo-
dirten. Ich erinnere mich eines solchen Falles, der sich vor einiger Zeit in
der Kühlanlage einer großen Bierbrauerei ereignete. In diesen Anlagen be¬
dient man sich des flüssigen Ammoniaks, das durch seine schnelle Vergasung
eine bedeutende Kälte erzeugt, dann durch den sogenannten Kompressor aus
dem gasförmigen Zustande wieder in den flüssigen zurückgeführt wird und so
in einem fortwährenden Kreislauf arbeitet. Im Betriebe bedarf das Am¬
moniakgas zur Flüssigmachung im Kompressor eines Drucks von sieben bis
acht Atmosphären, und so würde nach den bestehenden Grundsätzen zur Prü¬
fung des Kompressors ein Druck von zwölf bis dreizehn Atmosphären aus¬
gereicht haben. Der prüfende Monteur hatte aber den Kompressor mit einem
Druck von nahe an zwanzig Atmosphären belastet, und der Kompressor hatte den
Druck auch ausgehalten. Als er aber kurz darauf nochmals geprüft wurde, ex-
plodirte er schon bei einem Druck von elf Atmosphären und richtete hierdurch
arge Verwüstungen an. Offenbar hatte der Kompressor bei der ersten Prüfung
einen „Kraals" bekommen.

Erfreulicherweise scheint man jetzt mit der Probebelastung eiserner Brücken
nicht höher als bis zu dem Gewicht zu gehen, das die Brücken durch die
darüberfahrenden schwersten Bahnzüge wirklich auszuhalten haben, was selbst¬
verständlich nicht ausschließt, daß die Brücken auf mehrfache Sicherheit kon-
struirt sein müssen. Als schwersten Bahnzug müssen wir einen vollbeladnen
Güterzug mit zwei Lokomotiven der schwersten Art annehmen. Eine solche
Lokomotive einschließlich des Tenders, und vollbeladen mit Heizmaterial und
Wasser, hat ein Gewicht von etwa 1500 Zentnern, die schwerste Lowry wiegt
vollbeladen höchstens 800 Zentner, und da zwei hintereinandergekuppelte Lo¬
komotiven höchstens 45 dieser Lowrys fortzuschaffen vermögen, so hat der
schwerste Güterzug ein Gesamtgewicht von etwa 39000 Zentnern. Bei der
Belastung einer Brücke durch die darüberfahreuden Bahnzüge handelt es sich
jedoch nicht um das Gesamtgewicht, sonder» nur um das Gewicht, womit ein
zwischen zwei Pfeilern oder zwei festen Stützpunkten liegender Brückenteil be¬
lastet wird. Dementsprechend würde anch die Probebelastung herzustellen sein.
Eine Lokomotive der schwersten Art nimmt, mit den Puffern gemessen, eine
Länge von etwa 15 Metern ein, eine Lowry der erwähnten Art ist mit den
Puffern etwa 13 Meter lang. Für eine Brücke oder ein Joch von 15 Metern
Spannweite genügt daher eine Probebelastung von 1500 Zentnern (das Ge¬
wicht einer Lokomotive), für eine Brücke von 30 Metern Spannweite eine
Belastung von 3000 Zentnern (das Gewicht von zwei Lokomotiven), dagegen
braucht eine Brücke von 60 Metern Spannweite nur mit 4870 Zentnern (dem
Gewicht von 2 Lokomotiven und 2^/g Lowries), eine Brücke von 120 Metern


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[0131] Eiserne Brücken verläuft, die Ursache mancher Explosion zu suchen ist; denn die Erfahrung hat gezeigt, daß selbst neue Kessel und andre Hohlkörper, die einen hohen Prüfungsdruck bestanden hatten, bald darauf bei viel niedrigeren Druck explo- dirten. Ich erinnere mich eines solchen Falles, der sich vor einiger Zeit in der Kühlanlage einer großen Bierbrauerei ereignete. In diesen Anlagen be¬ dient man sich des flüssigen Ammoniaks, das durch seine schnelle Vergasung eine bedeutende Kälte erzeugt, dann durch den sogenannten Kompressor aus dem gasförmigen Zustande wieder in den flüssigen zurückgeführt wird und so in einem fortwährenden Kreislauf arbeitet. Im Betriebe bedarf das Am¬ moniakgas zur Flüssigmachung im Kompressor eines Drucks von sieben bis acht Atmosphären, und so würde nach den bestehenden Grundsätzen zur Prü¬ fung des Kompressors ein Druck von zwölf bis dreizehn Atmosphären aus¬ gereicht haben. Der prüfende Monteur hatte aber den Kompressor mit einem Druck von nahe an zwanzig Atmosphären belastet, und der Kompressor hatte den Druck auch ausgehalten. Als er aber kurz darauf nochmals geprüft wurde, ex- plodirte er schon bei einem Druck von elf Atmosphären und richtete hierdurch arge Verwüstungen an. Offenbar hatte der Kompressor bei der ersten Prüfung einen „Kraals" bekommen. Erfreulicherweise scheint man jetzt mit der Probebelastung eiserner Brücken nicht höher als bis zu dem Gewicht zu gehen, das die Brücken durch die darüberfahrenden schwersten Bahnzüge wirklich auszuhalten haben, was selbst¬ verständlich nicht ausschließt, daß die Brücken auf mehrfache Sicherheit kon- struirt sein müssen. Als schwersten Bahnzug müssen wir einen vollbeladnen Güterzug mit zwei Lokomotiven der schwersten Art annehmen. Eine solche Lokomotive einschließlich des Tenders, und vollbeladen mit Heizmaterial und Wasser, hat ein Gewicht von etwa 1500 Zentnern, die schwerste Lowry wiegt vollbeladen höchstens 800 Zentner, und da zwei hintereinandergekuppelte Lo¬ komotiven höchstens 45 dieser Lowrys fortzuschaffen vermögen, so hat der schwerste Güterzug ein Gesamtgewicht von etwa 39000 Zentnern. Bei der Belastung einer Brücke durch die darüberfahreuden Bahnzüge handelt es sich jedoch nicht um das Gesamtgewicht, sonder» nur um das Gewicht, womit ein zwischen zwei Pfeilern oder zwei festen Stützpunkten liegender Brückenteil be¬ lastet wird. Dementsprechend würde anch die Probebelastung herzustellen sein. Eine Lokomotive der schwersten Art nimmt, mit den Puffern gemessen, eine Länge von etwa 15 Metern ein, eine Lowry der erwähnten Art ist mit den Puffern etwa 13 Meter lang. Für eine Brücke oder ein Joch von 15 Metern Spannweite genügt daher eine Probebelastung von 1500 Zentnern (das Ge¬ wicht einer Lokomotive), für eine Brücke von 30 Metern Spannweite eine Belastung von 3000 Zentnern (das Gewicht von zwei Lokomotiven), dagegen braucht eine Brücke von 60 Metern Spannweite nur mit 4870 Zentnern (dem Gewicht von 2 Lokomotiven und 2^/g Lowries), eine Brücke von 120 Metern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/131>, abgerufen am 28.07.2024.