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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Eiserne Brücken

ähnlich den Mauergewölben, in Bogenform gegen feste Stützpunkte (Widerlager)
gespannt oder, wie man sich technisch ausdrückt, "versteift" werden, und daß die
Fahrbahn oberhalb der Bogen gelegt und auf diese gestützt (versteift) wird, wie
es in den sogenannten Sprengwerken zum Teil geschieht. Thatsächlich scheint
dieser Grundsatz immer mehr zur Geltung zu kommen; er ist z. B. in der neuen,
aus Martinschem Eisen mit Spannweiten von je fünfzig Metern hergestellten
Neckarbrücke zwischen Stuttgart und Kannstatt durchgeführt worden.

Leider sind unsre ältern Eisenbrücken mit wenigen Ausnahmen als gerade
Brücken gebaut, d. h. ihre Haupttrüger bilden mehr oder weniger nur er¬
weiterte, ans die hohe Kante gestellte sogenannte Doppel-?-Träger, die mit ihren
Enden lose auf den Pfeilern ruhen, also nicht gespannt (versteift) sind.

Die am häufigsten vertretenen Konstruktionen dieser Art sind die Blech¬
träger- oder Gitterbrücken mit oberer und unterer Gurtung und mit oberer
oder innerer Fahrbahn. Zu den letztern gehörte die eingestürzte Brücke bei
Mönchenstein. Auch die Rheinbrücke bei Köln mit Spannweiten (richtiger
Stütz- oder Tragweiten) von je 10S Metern muß zu dieser Art gerechnet
werden, aber sie ist im Bau bedeutend stärker und durch eingeschaltete be¬
sondre Tragzellen viel fester gebaut, als es ihre verunglückte Schwester war.

Bei andern mehrfach verwendeten Brückenkonstruktionen sind die Haupt-
träger in der Form stehender, d. h. nach oben gerichteter Bogen oder Polygone
ausgebildet, an denen die Fahrbahn mit Stangen oder Gittern aufgehängt ist,
wobei die Bogen mit der Fahrbahn durch sogenannte Schuhe verbunden sind,
der Versteifung gegen feste Widerlager aber ebenfalls entbehren. Als Beispiel
einer derartigen Konstruktion kann die Elbbrücke bei Riesa mit Spannweiten
von je 101 Meter dienen.

Brücken mit hängenden, d. h. nach unten gerichteten Bogen, den Hänge¬
werken (Fischbauchsystem), scheinen glücklicherweise seltener errichtet worden zu
sein. Dagegen findet sich noch öfter die schwerfällige Verbindung von beiden
(von stehenden und' hängenden Bogen), wie sie z, B. die Elbbrücke bei Har-
burg (als liegende 8) zeigt.

Als unzweckmäßigste Konstruktion müssen die sogenannten Hängebrücken
angesehen werden, bei denen das ganze Gewicht der Fahrbahn mit Zugstangen
an Ketten oder Drahtseilen (Kabelu) angehängt ist, die ihrerseits wieder in
der Form von hängenden Bogen über Pfeiler gelagert und an den Enden mit
der Erde fest verbunden sind. In diesen Konstruktionen werden alle Teile auf
Zug beansprucht.

Wenn daher die großen Hängebrücken von denen wir hier nur die
1832 bis 1833 gebaute Kettenbrücke bei Freiburg in der Schweiz mit einer
Spannweite von 233 Metern, die 1867 bis 1869 gebaute Kentuckykettenbrücke
mit 373 Metern Spannweite, die 1867 bis 1869 gebaute Niagaradrahtseil¬
hängebrücke mit 385 Metern Spannweite und die 1866 bis 1883 gebaute


Eiserne Brücken

ähnlich den Mauergewölben, in Bogenform gegen feste Stützpunkte (Widerlager)
gespannt oder, wie man sich technisch ausdrückt, „versteift" werden, und daß die
Fahrbahn oberhalb der Bogen gelegt und auf diese gestützt (versteift) wird, wie
es in den sogenannten Sprengwerken zum Teil geschieht. Thatsächlich scheint
dieser Grundsatz immer mehr zur Geltung zu kommen; er ist z. B. in der neuen,
aus Martinschem Eisen mit Spannweiten von je fünfzig Metern hergestellten
Neckarbrücke zwischen Stuttgart und Kannstatt durchgeführt worden.

Leider sind unsre ältern Eisenbrücken mit wenigen Ausnahmen als gerade
Brücken gebaut, d. h. ihre Haupttrüger bilden mehr oder weniger nur er¬
weiterte, ans die hohe Kante gestellte sogenannte Doppel-?-Träger, die mit ihren
Enden lose auf den Pfeilern ruhen, also nicht gespannt (versteift) sind.

Die am häufigsten vertretenen Konstruktionen dieser Art sind die Blech¬
träger- oder Gitterbrücken mit oberer und unterer Gurtung und mit oberer
oder innerer Fahrbahn. Zu den letztern gehörte die eingestürzte Brücke bei
Mönchenstein. Auch die Rheinbrücke bei Köln mit Spannweiten (richtiger
Stütz- oder Tragweiten) von je 10S Metern muß zu dieser Art gerechnet
werden, aber sie ist im Bau bedeutend stärker und durch eingeschaltete be¬
sondre Tragzellen viel fester gebaut, als es ihre verunglückte Schwester war.

Bei andern mehrfach verwendeten Brückenkonstruktionen sind die Haupt-
träger in der Form stehender, d. h. nach oben gerichteter Bogen oder Polygone
ausgebildet, an denen die Fahrbahn mit Stangen oder Gittern aufgehängt ist,
wobei die Bogen mit der Fahrbahn durch sogenannte Schuhe verbunden sind,
der Versteifung gegen feste Widerlager aber ebenfalls entbehren. Als Beispiel
einer derartigen Konstruktion kann die Elbbrücke bei Riesa mit Spannweiten
von je 101 Meter dienen.

Brücken mit hängenden, d. h. nach unten gerichteten Bogen, den Hänge¬
werken (Fischbauchsystem), scheinen glücklicherweise seltener errichtet worden zu
sein. Dagegen findet sich noch öfter die schwerfällige Verbindung von beiden
(von stehenden und' hängenden Bogen), wie sie z, B. die Elbbrücke bei Har-
burg (als liegende 8) zeigt.

Als unzweckmäßigste Konstruktion müssen die sogenannten Hängebrücken
angesehen werden, bei denen das ganze Gewicht der Fahrbahn mit Zugstangen
an Ketten oder Drahtseilen (Kabelu) angehängt ist, die ihrerseits wieder in
der Form von hängenden Bogen über Pfeiler gelagert und an den Enden mit
der Erde fest verbunden sind. In diesen Konstruktionen werden alle Teile auf
Zug beansprucht.

Wenn daher die großen Hängebrücken von denen wir hier nur die
1832 bis 1833 gebaute Kettenbrücke bei Freiburg in der Schweiz mit einer
Spannweite von 233 Metern, die 1867 bis 1869 gebaute Kentuckykettenbrücke
mit 373 Metern Spannweite, die 1867 bis 1869 gebaute Niagaradrahtseil¬
hängebrücke mit 385 Metern Spannweite und die 1866 bis 1883 gebaute


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[0124] Eiserne Brücken ähnlich den Mauergewölben, in Bogenform gegen feste Stützpunkte (Widerlager) gespannt oder, wie man sich technisch ausdrückt, „versteift" werden, und daß die Fahrbahn oberhalb der Bogen gelegt und auf diese gestützt (versteift) wird, wie es in den sogenannten Sprengwerken zum Teil geschieht. Thatsächlich scheint dieser Grundsatz immer mehr zur Geltung zu kommen; er ist z. B. in der neuen, aus Martinschem Eisen mit Spannweiten von je fünfzig Metern hergestellten Neckarbrücke zwischen Stuttgart und Kannstatt durchgeführt worden. Leider sind unsre ältern Eisenbrücken mit wenigen Ausnahmen als gerade Brücken gebaut, d. h. ihre Haupttrüger bilden mehr oder weniger nur er¬ weiterte, ans die hohe Kante gestellte sogenannte Doppel-?-Träger, die mit ihren Enden lose auf den Pfeilern ruhen, also nicht gespannt (versteift) sind. Die am häufigsten vertretenen Konstruktionen dieser Art sind die Blech¬ träger- oder Gitterbrücken mit oberer und unterer Gurtung und mit oberer oder innerer Fahrbahn. Zu den letztern gehörte die eingestürzte Brücke bei Mönchenstein. Auch die Rheinbrücke bei Köln mit Spannweiten (richtiger Stütz- oder Tragweiten) von je 10S Metern muß zu dieser Art gerechnet werden, aber sie ist im Bau bedeutend stärker und durch eingeschaltete be¬ sondre Tragzellen viel fester gebaut, als es ihre verunglückte Schwester war. Bei andern mehrfach verwendeten Brückenkonstruktionen sind die Haupt- träger in der Form stehender, d. h. nach oben gerichteter Bogen oder Polygone ausgebildet, an denen die Fahrbahn mit Stangen oder Gittern aufgehängt ist, wobei die Bogen mit der Fahrbahn durch sogenannte Schuhe verbunden sind, der Versteifung gegen feste Widerlager aber ebenfalls entbehren. Als Beispiel einer derartigen Konstruktion kann die Elbbrücke bei Riesa mit Spannweiten von je 101 Meter dienen. Brücken mit hängenden, d. h. nach unten gerichteten Bogen, den Hänge¬ werken (Fischbauchsystem), scheinen glücklicherweise seltener errichtet worden zu sein. Dagegen findet sich noch öfter die schwerfällige Verbindung von beiden (von stehenden und' hängenden Bogen), wie sie z, B. die Elbbrücke bei Har- burg (als liegende 8) zeigt. Als unzweckmäßigste Konstruktion müssen die sogenannten Hängebrücken angesehen werden, bei denen das ganze Gewicht der Fahrbahn mit Zugstangen an Ketten oder Drahtseilen (Kabelu) angehängt ist, die ihrerseits wieder in der Form von hängenden Bogen über Pfeiler gelagert und an den Enden mit der Erde fest verbunden sind. In diesen Konstruktionen werden alle Teile auf Zug beansprucht. Wenn daher die großen Hängebrücken von denen wir hier nur die 1832 bis 1833 gebaute Kettenbrücke bei Freiburg in der Schweiz mit einer Spannweite von 233 Metern, die 1867 bis 1869 gebaute Kentuckykettenbrücke mit 373 Metern Spannweite, die 1867 bis 1869 gebaute Niagaradrahtseil¬ hängebrücke mit 385 Metern Spannweite und die 1866 bis 1883 gebaute

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/124>, abgerufen am 28.07.2024.