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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Eiserne Brücken

melden Erfahrungen versuchen, die Frage zu beantworten, unter welchen
Verhältnissen auf Sicherheit und Dauerhaftigkeit eiserner Brücken gerechnet
werden darf.

Was zunächst das Material betrifft, so hat man gefunden, daß sich zu
Brücken ein stahlartiges Eisen am besten eignet. Gußeisen, das früher eben¬
falls zum Brückenbau verwendet wurde, und Stahl sind zu spröde, Schmiede¬
eisen ist zu weich; man hat daher eine Mittelstufe zwischen beiden gewählt
und dabei zunächst vorausgesetzt, daß das Material nur aus Eisen, Kohlenstoff
und nebensächlich Silizium bestehe, von denen die beiden letzten, besonders der
Kohlenstoff, je nach dem größern oder geringern Zusatz bekanntlich den Unter¬
schied zwischen Gußeisen, Stahl und Schmiedeeisen ausmachen. Ob ein gewisser
Gehalt an Mangan, Chrom, Wolfram, Nickel oder andern Metallen, die man in
neuerer Zeit dem Eisen in den Flußmitteln bisweilen absichtlich zuführt, und die
allerdings die Festigkeit des Eisens zu erhöhen scheinen, als eine wesentliche
Verbesserung des Eisens anzusehen ist, wollen wir dahingestellt sein lassen;
die Misstssippibrücke bei Se. Louis z. B. ist aus Chromstahl angefertigt.

Viele unsrer einheimischen Eisensorten enthalten noch, wenn auch in ge¬
ringen Mengen, Schwefel und Phosphor, wenn sie aus schwefel- und phosphor¬
führenden Erzen oder Steinkohle, die selten schwefelfrei ist, dargestellt wurden.
Schon Spuren dieser Körper machen das Eisen, wie man sich technisch aus¬
drückt, "rvtbrüchig" oder "kaltbrüchig." Diesen Mangel hat man zwar durch
die neuern Darstellungsweisen, z. B. durch die von dem Engländer Thomas
für den Bessemerstahl erfundne Entphosphorung, bei der noch die bekannte
Phosphorschlacke, ein wertvoller Dungstoff, gewonnen wird, wesentlich be¬
schränkt, aber doch nicht vollständig beseitigen können. Daher wird auch jetzt
noch ein Eisen nur dann als rein angesehen werden dürfen, wenn es aus¬
schließlich aus oxydirten Erzen (Rot- und Brauneisenstein, Eisenglanz und
Magneteisenstein) oder aus der kohlensauern Verbindung (Spateisenstein) mit
Holzkohle erzeugt wurde, wie es in Schweden geschieht; denn selbst der aus
Steinkohlen hervorgegangne, bei der Verhüllung vielfach verwendete Koth kann
nicht für gänzlich schwefelfrei gelten.

Für unsern Massenbedarf ist man freilich zur Verhüllung einheimischer
Erze mit Steinkohle oder Koth gezwungen, und bei der Sorgfalt und Gewissen¬
haftigkeit, mit der man dabei zu Werke geht, wird selbst für Konstruktionen,
von denen hohe Tragfähigkeit verlangt werden muß, ein zuverlässiges Ma¬
terial erreicht, gleichviel, ob die Darstellung durch den Kruppschen Gußstahl¬
prozeß, oder uach der Martinschen, oder nach der Siemers-Martinschen, oder
nach der Bessemerschen, oder nach der etwas umständlichen Uchatiusschen Me¬
thode geschieht, auf deren Unterschiede wir hier nicht weiter eingehen können;
dem Martinschen Eisen giebt man meist den Vorzug.

Trotzdem verwenden vorsichtige Fabrikanten, sobald es sich um das Ma-


Eiserne Brücken

melden Erfahrungen versuchen, die Frage zu beantworten, unter welchen
Verhältnissen auf Sicherheit und Dauerhaftigkeit eiserner Brücken gerechnet
werden darf.

Was zunächst das Material betrifft, so hat man gefunden, daß sich zu
Brücken ein stahlartiges Eisen am besten eignet. Gußeisen, das früher eben¬
falls zum Brückenbau verwendet wurde, und Stahl sind zu spröde, Schmiede¬
eisen ist zu weich; man hat daher eine Mittelstufe zwischen beiden gewählt
und dabei zunächst vorausgesetzt, daß das Material nur aus Eisen, Kohlenstoff
und nebensächlich Silizium bestehe, von denen die beiden letzten, besonders der
Kohlenstoff, je nach dem größern oder geringern Zusatz bekanntlich den Unter¬
schied zwischen Gußeisen, Stahl und Schmiedeeisen ausmachen. Ob ein gewisser
Gehalt an Mangan, Chrom, Wolfram, Nickel oder andern Metallen, die man in
neuerer Zeit dem Eisen in den Flußmitteln bisweilen absichtlich zuführt, und die
allerdings die Festigkeit des Eisens zu erhöhen scheinen, als eine wesentliche
Verbesserung des Eisens anzusehen ist, wollen wir dahingestellt sein lassen;
die Misstssippibrücke bei Se. Louis z. B. ist aus Chromstahl angefertigt.

Viele unsrer einheimischen Eisensorten enthalten noch, wenn auch in ge¬
ringen Mengen, Schwefel und Phosphor, wenn sie aus schwefel- und phosphor¬
führenden Erzen oder Steinkohle, die selten schwefelfrei ist, dargestellt wurden.
Schon Spuren dieser Körper machen das Eisen, wie man sich technisch aus¬
drückt, „rvtbrüchig" oder „kaltbrüchig." Diesen Mangel hat man zwar durch
die neuern Darstellungsweisen, z. B. durch die von dem Engländer Thomas
für den Bessemerstahl erfundne Entphosphorung, bei der noch die bekannte
Phosphorschlacke, ein wertvoller Dungstoff, gewonnen wird, wesentlich be¬
schränkt, aber doch nicht vollständig beseitigen können. Daher wird auch jetzt
noch ein Eisen nur dann als rein angesehen werden dürfen, wenn es aus¬
schließlich aus oxydirten Erzen (Rot- und Brauneisenstein, Eisenglanz und
Magneteisenstein) oder aus der kohlensauern Verbindung (Spateisenstein) mit
Holzkohle erzeugt wurde, wie es in Schweden geschieht; denn selbst der aus
Steinkohlen hervorgegangne, bei der Verhüllung vielfach verwendete Koth kann
nicht für gänzlich schwefelfrei gelten.

Für unsern Massenbedarf ist man freilich zur Verhüllung einheimischer
Erze mit Steinkohle oder Koth gezwungen, und bei der Sorgfalt und Gewissen¬
haftigkeit, mit der man dabei zu Werke geht, wird selbst für Konstruktionen,
von denen hohe Tragfähigkeit verlangt werden muß, ein zuverlässiges Ma¬
terial erreicht, gleichviel, ob die Darstellung durch den Kruppschen Gußstahl¬
prozeß, oder uach der Martinschen, oder nach der Siemers-Martinschen, oder
nach der Bessemerschen, oder nach der etwas umständlichen Uchatiusschen Me¬
thode geschieht, auf deren Unterschiede wir hier nicht weiter eingehen können;
dem Martinschen Eisen giebt man meist den Vorzug.

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[0120] Eiserne Brücken melden Erfahrungen versuchen, die Frage zu beantworten, unter welchen Verhältnissen auf Sicherheit und Dauerhaftigkeit eiserner Brücken gerechnet werden darf. Was zunächst das Material betrifft, so hat man gefunden, daß sich zu Brücken ein stahlartiges Eisen am besten eignet. Gußeisen, das früher eben¬ falls zum Brückenbau verwendet wurde, und Stahl sind zu spröde, Schmiede¬ eisen ist zu weich; man hat daher eine Mittelstufe zwischen beiden gewählt und dabei zunächst vorausgesetzt, daß das Material nur aus Eisen, Kohlenstoff und nebensächlich Silizium bestehe, von denen die beiden letzten, besonders der Kohlenstoff, je nach dem größern oder geringern Zusatz bekanntlich den Unter¬ schied zwischen Gußeisen, Stahl und Schmiedeeisen ausmachen. Ob ein gewisser Gehalt an Mangan, Chrom, Wolfram, Nickel oder andern Metallen, die man in neuerer Zeit dem Eisen in den Flußmitteln bisweilen absichtlich zuführt, und die allerdings die Festigkeit des Eisens zu erhöhen scheinen, als eine wesentliche Verbesserung des Eisens anzusehen ist, wollen wir dahingestellt sein lassen; die Misstssippibrücke bei Se. Louis z. B. ist aus Chromstahl angefertigt. Viele unsrer einheimischen Eisensorten enthalten noch, wenn auch in ge¬ ringen Mengen, Schwefel und Phosphor, wenn sie aus schwefel- und phosphor¬ führenden Erzen oder Steinkohle, die selten schwefelfrei ist, dargestellt wurden. Schon Spuren dieser Körper machen das Eisen, wie man sich technisch aus¬ drückt, „rvtbrüchig" oder „kaltbrüchig." Diesen Mangel hat man zwar durch die neuern Darstellungsweisen, z. B. durch die von dem Engländer Thomas für den Bessemerstahl erfundne Entphosphorung, bei der noch die bekannte Phosphorschlacke, ein wertvoller Dungstoff, gewonnen wird, wesentlich be¬ schränkt, aber doch nicht vollständig beseitigen können. Daher wird auch jetzt noch ein Eisen nur dann als rein angesehen werden dürfen, wenn es aus¬ schließlich aus oxydirten Erzen (Rot- und Brauneisenstein, Eisenglanz und Magneteisenstein) oder aus der kohlensauern Verbindung (Spateisenstein) mit Holzkohle erzeugt wurde, wie es in Schweden geschieht; denn selbst der aus Steinkohlen hervorgegangne, bei der Verhüllung vielfach verwendete Koth kann nicht für gänzlich schwefelfrei gelten. Für unsern Massenbedarf ist man freilich zur Verhüllung einheimischer Erze mit Steinkohle oder Koth gezwungen, und bei der Sorgfalt und Gewissen¬ haftigkeit, mit der man dabei zu Werke geht, wird selbst für Konstruktionen, von denen hohe Tragfähigkeit verlangt werden muß, ein zuverlässiges Ma¬ terial erreicht, gleichviel, ob die Darstellung durch den Kruppschen Gußstahl¬ prozeß, oder uach der Martinschen, oder nach der Siemers-Martinschen, oder nach der Bessemerschen, oder nach der etwas umständlichen Uchatiusschen Me¬ thode geschieht, auf deren Unterschiede wir hier nicht weiter eingehen können; dem Martinschen Eisen giebt man meist den Vorzug. Trotzdem verwenden vorsichtige Fabrikanten, sobald es sich um das Ma-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/120>, abgerufen am 28.07.2024.