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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Offizier-, Beamten- und Konsumvereine

wenn er die Wahl zwischen einem Verein und diesen Häusern hat und den
Verein vorfindet. Für ihn ist der Verein entschieden das kleinere Übel. Daß
er ein Übel für ihn ist, soll nicht geleugnet werden. Aber ist das nicht die
notwendige Folge der Entwicklung unsrer Verkehrsverhältnisse?

Es handelt sich nun darum, wie sich der Handiverkerstand zu den Vereinen
stellen soll. Der große Vorteil von Massenangeboten sowohl des einzelnen
Gegenstandes wie seiner verschiednen Formen ist auch den Handwerkern so klar,
daß sie sich vielfach zu Genossenschaften zusammengethan haben. Damit kann
auch der kleine Handwerker, ohne sich selbst einen teuern Laden halten zu
müssen, seine Erzeugnisse an vielbesuchten Punkten in verlockender Weise aus¬
stellen, und man sollte meinen, derartige Unternehmungen müßten von dem
allergünstigsten Erfolge begleitet sein. Ich habe nun aber doch das Gefühl,
habe auch bisweilen geradezu die Wahrnehmung gemacht, daß dem nicht so
ist. Es lassen sich dafür auch Erklärungsgründe anführen. Eine Verteilung
der Arbeit auf die einzelnen Handwerker ist schwer, die Arbeiten, die sie an¬
gefertigt haben, werden, auch wenn ihr Verkauf unwahrscheinlich ist, nicht leicht
von der Aufnahme fernzuhalten sein, die Preisfestsetzung für die einzelnen
Waren hat ihre Schwierigkeiten. Und wenn dies alles überwunden und aufs
beste geregelt wäre, bleibt immer noch die Schwierigkeit, an das Publikum
hincmzukommen. Es muß ein fester Abnehmerkreis gesucht und fort und fort
erweitert werden. Hierin liegt wohl der Hauptgrund, daß solche Unterneh¬
mungen nicht so gedeihen, wie man es ihnen von Herzen wünschen mochte.
Sollte es sich nun da nicht empfehlen, wenn solche von Handwerkern ge¬
schlossene Genossenschaften den Absatz ihrer Erzeugnisse nnter Mitwirkung der
Vereine versuchten? Es wäre ja denkbar, daß sich die Direktoren der Ver¬
eine zunächst gegen solche Zumutungen ablehnend verhielten, da sie mit
manchen Unbequemlichkeiten für sie und ihren Geschäftsgang verbunden sein
könnten. Man kann aber doch von dem gesunden Sinn, der in den Vereinen
lebt, erwarten, daß der Widerstand bald gebrochen sein würde. Natürlich
müßten sich auch die Handwerkergenossenschaften Beschränkungen gefallen lassen,
die ihnen vielleicht zunächst hart erscheinen würden. Es wäre z. B. notwendig,
daß die Vereine bei der Preisfestsetzung für die Waren, deren Vertrieb sie doch
zu besorgen haben, ein Wort mitzusprechen hätten, daß sie auch über die Güte
der Ware zu urteilen, und daß sie über Aufnahme und Ausschließung von
Mitgliedern der Handwerkergenossenschaften mit zu entscheiden Hütten, damit eine
Bürgschaft gegeben wäre, daß sich eine Genossenschaft nicht unter ihren Händen
in etwas ganz andres verwandelt und der Verein dann den Deckmantel dafür
abgiebt. In diesen Forderungen, die ja zum Teil nicht notwendig sein mögen,
die aber auch vielleicht noch der Erweiterung bedürfen, sollten die Handwerker
nicht nur die Schattenseiten, sondern auch die Vorzüge sehen. Gerade die
Genossenschaft, die dem einzelnen Handwerker ferner steht, kann viel dazu bei--


Offizier-, Beamten- und Konsumvereine

wenn er die Wahl zwischen einem Verein und diesen Häusern hat und den
Verein vorfindet. Für ihn ist der Verein entschieden das kleinere Übel. Daß
er ein Übel für ihn ist, soll nicht geleugnet werden. Aber ist das nicht die
notwendige Folge der Entwicklung unsrer Verkehrsverhältnisse?

Es handelt sich nun darum, wie sich der Handiverkerstand zu den Vereinen
stellen soll. Der große Vorteil von Massenangeboten sowohl des einzelnen
Gegenstandes wie seiner verschiednen Formen ist auch den Handwerkern so klar,
daß sie sich vielfach zu Genossenschaften zusammengethan haben. Damit kann
auch der kleine Handwerker, ohne sich selbst einen teuern Laden halten zu
müssen, seine Erzeugnisse an vielbesuchten Punkten in verlockender Weise aus¬
stellen, und man sollte meinen, derartige Unternehmungen müßten von dem
allergünstigsten Erfolge begleitet sein. Ich habe nun aber doch das Gefühl,
habe auch bisweilen geradezu die Wahrnehmung gemacht, daß dem nicht so
ist. Es lassen sich dafür auch Erklärungsgründe anführen. Eine Verteilung
der Arbeit auf die einzelnen Handwerker ist schwer, die Arbeiten, die sie an¬
gefertigt haben, werden, auch wenn ihr Verkauf unwahrscheinlich ist, nicht leicht
von der Aufnahme fernzuhalten sein, die Preisfestsetzung für die einzelnen
Waren hat ihre Schwierigkeiten. Und wenn dies alles überwunden und aufs
beste geregelt wäre, bleibt immer noch die Schwierigkeit, an das Publikum
hincmzukommen. Es muß ein fester Abnehmerkreis gesucht und fort und fort
erweitert werden. Hierin liegt wohl der Hauptgrund, daß solche Unterneh¬
mungen nicht so gedeihen, wie man es ihnen von Herzen wünschen mochte.
Sollte es sich nun da nicht empfehlen, wenn solche von Handwerkern ge¬
schlossene Genossenschaften den Absatz ihrer Erzeugnisse nnter Mitwirkung der
Vereine versuchten? Es wäre ja denkbar, daß sich die Direktoren der Ver¬
eine zunächst gegen solche Zumutungen ablehnend verhielten, da sie mit
manchen Unbequemlichkeiten für sie und ihren Geschäftsgang verbunden sein
könnten. Man kann aber doch von dem gesunden Sinn, der in den Vereinen
lebt, erwarten, daß der Widerstand bald gebrochen sein würde. Natürlich
müßten sich auch die Handwerkergenossenschaften Beschränkungen gefallen lassen,
die ihnen vielleicht zunächst hart erscheinen würden. Es wäre z. B. notwendig,
daß die Vereine bei der Preisfestsetzung für die Waren, deren Vertrieb sie doch
zu besorgen haben, ein Wort mitzusprechen hätten, daß sie auch über die Güte
der Ware zu urteilen, und daß sie über Aufnahme und Ausschließung von
Mitgliedern der Handwerkergenossenschaften mit zu entscheiden Hütten, damit eine
Bürgschaft gegeben wäre, daß sich eine Genossenschaft nicht unter ihren Händen
in etwas ganz andres verwandelt und der Verein dann den Deckmantel dafür
abgiebt. In diesen Forderungen, die ja zum Teil nicht notwendig sein mögen,
die aber auch vielleicht noch der Erweiterung bedürfen, sollten die Handwerker
nicht nur die Schattenseiten, sondern auch die Vorzüge sehen. Gerade die
Genossenschaft, die dem einzelnen Handwerker ferner steht, kann viel dazu bei--


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/117>, abgerufen am 28.07.2024.