Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.Das soziale Problem gegen die Einfuhr von England, Belgien u. s. w., der Spieß hatte sich auch Nun wurde nach Schutzzoll gerufen in der Landwirtschaft und in der Dennoch hat man noch nicht erkannt, daß man mit Zöllen und mit Und zu ihnen gesellen sich die Kaufleute, die gegen Konsumvereine, Den unlautern Wettbewerb zu beseitigen, wäre eine allgemeine Wohlthat, Das soziale Problem gegen die Einfuhr von England, Belgien u. s. w., der Spieß hatte sich auch Nun wurde nach Schutzzoll gerufen in der Landwirtschaft und in der Dennoch hat man noch nicht erkannt, daß man mit Zöllen und mit Und zu ihnen gesellen sich die Kaufleute, die gegen Konsumvereine, Den unlautern Wettbewerb zu beseitigen, wäre eine allgemeine Wohlthat, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219742"/> <fw type="header" place="top"> Das soziale Problem</fw><lb/> <p xml:id="ID_180" prev="#ID_179"> gegen die Einfuhr von England, Belgien u. s. w., der Spieß hatte sich auch<lb/> bezüglich des Getreides schon umgedreht, und statt von Ausfuhr zu sprechen,<lb/> klagte man bereits über Einfuhr und Preisdruck durch das Ausland. Die<lb/> Eisenbahnbauten hatten die Löhne verteuert, und die Eisenbahnen erleichterten<lb/> ebenso die Einfuhr wie die Ausfuhr.</p><lb/> <p xml:id="ID_181"> Nun wurde nach Schutzzoll gerufen in der Landwirtschaft und in der<lb/> Industrie, und der Ruf wurde erhört, trotz heftiger Gegenwehr von Kon¬<lb/> sumenten und von freihändlerisch gesinnten Männern in der Wissenschaft und<lb/> in der Politik. Aber trotz Eisenzöllen wurde das Eisen billiger, trotz Ge¬<lb/> treidezöllen und ihrer mehrmaligen Erhöhung, besonders der Kornzölle, kam<lb/> immermehr Zufuhr von außen, und die Preise gingen immer wieder herunter,<lb/> wenn sie auch nach schlechten Ernten in den Hauptproduktivnsgebieten bis¬<lb/> weilen etwas höher waren. Nach Zollerhöhungen gingen sie nicht entsprechend<lb/> hinauf und nach einer Zollermäßigung nicht entsprechend herunter, die Ge¬<lb/> samtproduktion, die Konkurrenz regelte die Preise, nicht die Zollgesetzgebung.<lb/> Und heute sind trotz aller Zölle die Preise niedriger als 1878, wo man Ge¬<lb/> treide zollfrei einführte.</p><lb/> <p xml:id="ID_182"> Dennoch hat man noch nicht erkannt, daß man mit Zöllen und mit<lb/> Verstaatlichung des Getreidehandels das soziale Problem nicht zu lösen ver¬<lb/> mag. In der Versammlung sprachen nach dem klagenden Landwirt die klagenden<lb/> Handwerker, die der Gewerbefreiheit, die sie selbst oder ihre Väter ersehnt<lb/> und bejubelt haben mögen, einen Stein nach dem andern in den Weg legen<lb/> wollen und gern den Zunftzwang mit seinen Beschwerden aller Art wieder¬<lb/> kehren sähen. Sie sehen nicht, daß ihrem Hauptfeind, der Fabrikindustrie, für<lb/> den Massenbedarf mit Zunftzwang und Befähigungsnachweis nicht beizukommen<lb/> ist, sie sehen nicht, daß die Konkurrenz, die sie sich unter einander machen, und<lb/> die sie selbst noch durch Lehrlingszüchterei steigern, weit mehr verschuldet als<lb/> andre Ursachen, die sie anklagen, sie sehen nicht, daß ein Teil von ihnen zu<lb/> Grunde gehen muß, wenn es den andern so gut gehen soll, wie sie es wünschen<lb/> und fordern.</p><lb/> <p xml:id="ID_183"> Und zu ihnen gesellen sich die Kaufleute, die gegen Konsumvereine,<lb/> Hausirhandel, Detailreisende, Bazare und Versandgeschäfte, namentlich aber<lb/> gegen den „unlautern Wettbewerb" vorgehen. Auch sie sehen nicht, wie sie<lb/> sich auch ohnedies durch ihre große Zahl schon bekämpfen müssen und dadurch,<lb/> daß sie trotzdem nicht nur Lehrlinge in Masse heranbilden, sondern auch neue<lb/> Geschäfte, neue Läden errichten und ihre Kinder ihrem eignen Beruf zuführen.<lb/> Bei andern fordern sie Beschränkung, sich selbst will keiner beschränken.</p><lb/> <p xml:id="ID_184" next="#ID_185"> Den unlautern Wettbewerb zu beseitigen, wäre eine allgemeine Wohlthat,<lb/> aber was ist unlauter? Meint man nicht etwa den unbequemen Wettbewerb<lb/> und spricht nur von unlautern? Ist nicht der Wettbewerb auch auf andern<lb/> Gebieten unlauter, wo weder von privatrechtlichen, noch von strafrechtlichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
Das soziale Problem
gegen die Einfuhr von England, Belgien u. s. w., der Spieß hatte sich auch
bezüglich des Getreides schon umgedreht, und statt von Ausfuhr zu sprechen,
klagte man bereits über Einfuhr und Preisdruck durch das Ausland. Die
Eisenbahnbauten hatten die Löhne verteuert, und die Eisenbahnen erleichterten
ebenso die Einfuhr wie die Ausfuhr.
Nun wurde nach Schutzzoll gerufen in der Landwirtschaft und in der
Industrie, und der Ruf wurde erhört, trotz heftiger Gegenwehr von Kon¬
sumenten und von freihändlerisch gesinnten Männern in der Wissenschaft und
in der Politik. Aber trotz Eisenzöllen wurde das Eisen billiger, trotz Ge¬
treidezöllen und ihrer mehrmaligen Erhöhung, besonders der Kornzölle, kam
immermehr Zufuhr von außen, und die Preise gingen immer wieder herunter,
wenn sie auch nach schlechten Ernten in den Hauptproduktivnsgebieten bis¬
weilen etwas höher waren. Nach Zollerhöhungen gingen sie nicht entsprechend
hinauf und nach einer Zollermäßigung nicht entsprechend herunter, die Ge¬
samtproduktion, die Konkurrenz regelte die Preise, nicht die Zollgesetzgebung.
Und heute sind trotz aller Zölle die Preise niedriger als 1878, wo man Ge¬
treide zollfrei einführte.
Dennoch hat man noch nicht erkannt, daß man mit Zöllen und mit
Verstaatlichung des Getreidehandels das soziale Problem nicht zu lösen ver¬
mag. In der Versammlung sprachen nach dem klagenden Landwirt die klagenden
Handwerker, die der Gewerbefreiheit, die sie selbst oder ihre Väter ersehnt
und bejubelt haben mögen, einen Stein nach dem andern in den Weg legen
wollen und gern den Zunftzwang mit seinen Beschwerden aller Art wieder¬
kehren sähen. Sie sehen nicht, daß ihrem Hauptfeind, der Fabrikindustrie, für
den Massenbedarf mit Zunftzwang und Befähigungsnachweis nicht beizukommen
ist, sie sehen nicht, daß die Konkurrenz, die sie sich unter einander machen, und
die sie selbst noch durch Lehrlingszüchterei steigern, weit mehr verschuldet als
andre Ursachen, die sie anklagen, sie sehen nicht, daß ein Teil von ihnen zu
Grunde gehen muß, wenn es den andern so gut gehen soll, wie sie es wünschen
und fordern.
Und zu ihnen gesellen sich die Kaufleute, die gegen Konsumvereine,
Hausirhandel, Detailreisende, Bazare und Versandgeschäfte, namentlich aber
gegen den „unlautern Wettbewerb" vorgehen. Auch sie sehen nicht, wie sie
sich auch ohnedies durch ihre große Zahl schon bekämpfen müssen und dadurch,
daß sie trotzdem nicht nur Lehrlinge in Masse heranbilden, sondern auch neue
Geschäfte, neue Läden errichten und ihre Kinder ihrem eignen Beruf zuführen.
Bei andern fordern sie Beschränkung, sich selbst will keiner beschränken.
Den unlautern Wettbewerb zu beseitigen, wäre eine allgemeine Wohlthat,
aber was ist unlauter? Meint man nicht etwa den unbequemen Wettbewerb
und spricht nur von unlautern? Ist nicht der Wettbewerb auch auf andern
Gebieten unlauter, wo weder von privatrechtlichen, noch von strafrechtlichen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |