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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Der erste Beste
Btto Verdeck Erzählung von
(Fortsetzung)
10

argarcte weinte schon lange nicht mehr; während seiner Erzählung
hatte sie aufgehört. Den Arm ans der Sessellehne, die Stirn
mi die Hand gedruckt, die das zusammengeballte Taschentuch fest¬
hielt, so saß sie, ohne Hans anzusehen, bewegungslos da und
hörte zu. Der Atem ging ihr in schweren, laugen Zügen
durch die halbgeöffneten Lippen. Bei der letzten Anklage, bei
dem "Störenfried" zog sie sich leise zusammen, wie unter° Schmerzen, und
der Mund schloß sich fest. Auch als Hans hinaus war, blieb sie noch ein
Weilchen, ohne sich zu rühren. Endlich hob sie den Kopf und sah sich um.
Die Augen brannten ihr, der Kopf that ihr weh, sie drückte die kalten Finger
an die Schlafen. Dann stand sie auf; dabei schüttelte es sie über und über.

Störenfried! murmelte sie vor sich hin. Sie warf einen finstern Blick
nach der Thür, durch die Haus hinausgegangen war. Störenfried! Euch
kann geholfen werden.

Sie verließ das Zimmer, lief eilig die Treppe hinauf in die Schlafstube
und schloß hinter sich zu.

Heute Abend bleib ich hier oben. Ich will diesen -- Burschen nicht
mehr sehen. Und ihn auch nicht. Sie atmete zitternd tief auf. Und morgen
früh geh ich weg, nach Hause, zu Mama, fertig.

Aber diese schnell zusammengehämmerten Entschlüsse brachten ihr keine
Erleichterung. Der Gedanke an die Mutter beruhigte sie nicht. Im Gegen¬
teil: das Wiedersehen mit der Vielgeliebten erschien ihr als ein neuer Schmerz,
vor dem sie sich fürchtete. Aber hier bleiben war doch noch schlimmer. Sein
Unglück wollte sie nicht länger sein.

Die Uhr, die Schlafzimmeruhr mit ihrem schonen, tiefen Klang schlug
sieben. Margarete besann sich. Um sieben wurde ja Abendbrot gegessen.
Gleich mußte man nach ihr rufen. Sie drehte den Schlüssel wieder um und
zog an der Klingel, die zur Küche hinniiterführte, und als Liese kam, fand
sie ihre junge Herrin im Begriff, sich auszuziehen.

Melden Sie dem Herrn, wenn er nach mir fragt, ich wäre unwohl und




Der erste Beste
Btto Verdeck Erzählung von
(Fortsetzung)
10

argarcte weinte schon lange nicht mehr; während seiner Erzählung
hatte sie aufgehört. Den Arm ans der Sessellehne, die Stirn
mi die Hand gedruckt, die das zusammengeballte Taschentuch fest¬
hielt, so saß sie, ohne Hans anzusehen, bewegungslos da und
hörte zu. Der Atem ging ihr in schweren, laugen Zügen
durch die halbgeöffneten Lippen. Bei der letzten Anklage, bei
dem „Störenfried" zog sie sich leise zusammen, wie unter° Schmerzen, und
der Mund schloß sich fest. Auch als Hans hinaus war, blieb sie noch ein
Weilchen, ohne sich zu rühren. Endlich hob sie den Kopf und sah sich um.
Die Augen brannten ihr, der Kopf that ihr weh, sie drückte die kalten Finger
an die Schlafen. Dann stand sie auf; dabei schüttelte es sie über und über.

Störenfried! murmelte sie vor sich hin. Sie warf einen finstern Blick
nach der Thür, durch die Haus hinausgegangen war. Störenfried! Euch
kann geholfen werden.

Sie verließ das Zimmer, lief eilig die Treppe hinauf in die Schlafstube
und schloß hinter sich zu.

Heute Abend bleib ich hier oben. Ich will diesen — Burschen nicht
mehr sehen. Und ihn auch nicht. Sie atmete zitternd tief auf. Und morgen
früh geh ich weg, nach Hause, zu Mama, fertig.

Aber diese schnell zusammengehämmerten Entschlüsse brachten ihr keine
Erleichterung. Der Gedanke an die Mutter beruhigte sie nicht. Im Gegen¬
teil: das Wiedersehen mit der Vielgeliebten erschien ihr als ein neuer Schmerz,
vor dem sie sich fürchtete. Aber hier bleiben war doch noch schlimmer. Sein
Unglück wollte sie nicht länger sein.

Die Uhr, die Schlafzimmeruhr mit ihrem schonen, tiefen Klang schlug
sieben. Margarete besann sich. Um sieben wurde ja Abendbrot gegessen.
Gleich mußte man nach ihr rufen. Sie drehte den Schlüssel wieder um und
zog an der Klingel, die zur Küche hinniiterführte, und als Liese kam, fand
sie ihre junge Herrin im Begriff, sich auszuziehen.

Melden Sie dem Herrn, wenn er nach mir fragt, ich wäre unwohl und


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[0626] [Abbildung] Der erste Beste Btto Verdeck Erzählung von (Fortsetzung) 10 argarcte weinte schon lange nicht mehr; während seiner Erzählung hatte sie aufgehört. Den Arm ans der Sessellehne, die Stirn mi die Hand gedruckt, die das zusammengeballte Taschentuch fest¬ hielt, so saß sie, ohne Hans anzusehen, bewegungslos da und hörte zu. Der Atem ging ihr in schweren, laugen Zügen durch die halbgeöffneten Lippen. Bei der letzten Anklage, bei dem „Störenfried" zog sie sich leise zusammen, wie unter° Schmerzen, und der Mund schloß sich fest. Auch als Hans hinaus war, blieb sie noch ein Weilchen, ohne sich zu rühren. Endlich hob sie den Kopf und sah sich um. Die Augen brannten ihr, der Kopf that ihr weh, sie drückte die kalten Finger an die Schlafen. Dann stand sie auf; dabei schüttelte es sie über und über. Störenfried! murmelte sie vor sich hin. Sie warf einen finstern Blick nach der Thür, durch die Haus hinausgegangen war. Störenfried! Euch kann geholfen werden. Sie verließ das Zimmer, lief eilig die Treppe hinauf in die Schlafstube und schloß hinter sich zu. Heute Abend bleib ich hier oben. Ich will diesen — Burschen nicht mehr sehen. Und ihn auch nicht. Sie atmete zitternd tief auf. Und morgen früh geh ich weg, nach Hause, zu Mama, fertig. Aber diese schnell zusammengehämmerten Entschlüsse brachten ihr keine Erleichterung. Der Gedanke an die Mutter beruhigte sie nicht. Im Gegen¬ teil: das Wiedersehen mit der Vielgeliebten erschien ihr als ein neuer Schmerz, vor dem sie sich fürchtete. Aber hier bleiben war doch noch schlimmer. Sein Unglück wollte sie nicht länger sein. Die Uhr, die Schlafzimmeruhr mit ihrem schonen, tiefen Klang schlug sieben. Margarete besann sich. Um sieben wurde ja Abendbrot gegessen. Gleich mußte man nach ihr rufen. Sie drehte den Schlüssel wieder um und zog an der Klingel, die zur Küche hinniiterführte, und als Liese kam, fand sie ihre junge Herrin im Begriff, sich auszuziehen. Melden Sie dem Herrn, wenn er nach mir fragt, ich wäre unwohl und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/626>, abgerufen am 22.12.2024.