Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Italienische Eindrücke

gartenartigen Gemüsepflanzungen die Maulbeerbäume mit Weinranken in so
dichten Reihen stehen, daß man auf längern Strecken fast in einem niedern
lichten Laubwalde zu sein glaubt; die Berghänge sind bedeckt mit silbergrnuen,
knorrigen Ölbäumen und Weingeländen, und hinter hohen Mauern, die im
Süden oft mit roten Kaktusblüten überschüttet oder mit den seltsamen Formen
des Feigenkaktus besetzt sind, prangen Feigenbäume, Orangen- und Citronen¬
gärten voll dichtgedrängter Früchte im dunkeln Laube. Uns Deutschen fehlen
die saubern, behäbigen Dörfer mit ihren Banmgcirten, fehlt vor allem der
frische, kühle, schattige Wald, denn die Abhänge des Apennin sind meist kahles,
graues Kalkgestein und von Wasserfurchen wild zerrissen, und wo es etwas
Wald giebt, da besteht er, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, aus dunkeln,
immergrünen Steineichen, die nie so recht frisch aussehen, oder aus jungen
Vuchenbestündeu, wie im Albanergebirge, die man, wie es scheint, auch nicht
sehr alt werden läßt, oder aus niederm Gebüsch, das nur von ferne wie
Wald aussieht.

Die Schönheit der italienischen Landschaft liegt in den Linien und
Farben, der engen Verbindung von Meer und Gebirge, der Vereinigung einer
nicht naturwüchsigen, sondern gepflegten üppigen Vegetation mit der bildenden
Kunst unter dem tiefblauen Himmel des Südens. Ein Land wie Oberbaiern
mit seineu dunkeln Nadelwaldungen, wildem Gebirge, rauschenden Bergwässern,
wüsten Mooren, mächtigen freien Ackerbreiten und weiten Wiesenflächen, seinen
dünngesäten Städten und behäbigen, breitgelagerten reinlichen Dörfern, das uns
so anheimelt, zumal wenn wir zurück über die Alpen kommen, muß einem Italiener
den Eindruck eines halben Urzustandes machen. Die Schönheit seines Vaterlandes
empfindet er sehr wohl. 0, vnxri ö bsllg.! sagte mir mit einer gewissen Be¬
geisterung ein einfacher Droschkenkutscher, und für die Kelln Mxoli schwärmt
jeder Neapolitaner. Aber er wird diese Vorzüge nicht wandernd genießen,
sondern am liebsten im ruhigen Anschauen von dem kühlen Gartensaale oder der
Terrasse einer Villa aus; und er will mit der Natur die Kunst verbinden. Er
stellt weiße Marmorstatuen zwischen die dunkeln, hohen Lorbeerhecken, und wo
ein klares Wasser vom Berge herabrauscht, da wird er ihm schwerlich seinen
natürlichen Lauf lassen, sondern er wird es über Marmorterrasfen herableiten
in ein Becken, das Nymphen und Tritonen überwachen. Auch darin zeigt er,
daß er einem durchaus städtischen Volke angehört, während wir Deutschen noch
immer ein Vauernvolk sind.

Und doch wird sich niemand dem eigentümlichen Reiz italienischer Land¬
schaftsbilder entziehen können. Unweit des imposanten Felsenthores der "Vero-
neser Klause" ist am großen Bogen der raschen Etsch Verona gelagert, um¬
ringt von grünen Höhen mit den weißen Villen und den trotzigen, gezinnten
Mauern des Castello ti S. Pietro, der alten Burg Theodorichs, Dietrichs
von Bern, und darüber erhebt sich der Schneekamm der Alpen, während


Italienische Eindrücke

gartenartigen Gemüsepflanzungen die Maulbeerbäume mit Weinranken in so
dichten Reihen stehen, daß man auf längern Strecken fast in einem niedern
lichten Laubwalde zu sein glaubt; die Berghänge sind bedeckt mit silbergrnuen,
knorrigen Ölbäumen und Weingeländen, und hinter hohen Mauern, die im
Süden oft mit roten Kaktusblüten überschüttet oder mit den seltsamen Formen
des Feigenkaktus besetzt sind, prangen Feigenbäume, Orangen- und Citronen¬
gärten voll dichtgedrängter Früchte im dunkeln Laube. Uns Deutschen fehlen
die saubern, behäbigen Dörfer mit ihren Banmgcirten, fehlt vor allem der
frische, kühle, schattige Wald, denn die Abhänge des Apennin sind meist kahles,
graues Kalkgestein und von Wasserfurchen wild zerrissen, und wo es etwas
Wald giebt, da besteht er, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, aus dunkeln,
immergrünen Steineichen, die nie so recht frisch aussehen, oder aus jungen
Vuchenbestündeu, wie im Albanergebirge, die man, wie es scheint, auch nicht
sehr alt werden läßt, oder aus niederm Gebüsch, das nur von ferne wie
Wald aussieht.

Die Schönheit der italienischen Landschaft liegt in den Linien und
Farben, der engen Verbindung von Meer und Gebirge, der Vereinigung einer
nicht naturwüchsigen, sondern gepflegten üppigen Vegetation mit der bildenden
Kunst unter dem tiefblauen Himmel des Südens. Ein Land wie Oberbaiern
mit seineu dunkeln Nadelwaldungen, wildem Gebirge, rauschenden Bergwässern,
wüsten Mooren, mächtigen freien Ackerbreiten und weiten Wiesenflächen, seinen
dünngesäten Städten und behäbigen, breitgelagerten reinlichen Dörfern, das uns
so anheimelt, zumal wenn wir zurück über die Alpen kommen, muß einem Italiener
den Eindruck eines halben Urzustandes machen. Die Schönheit seines Vaterlandes
empfindet er sehr wohl. 0, vnxri ö bsllg.! sagte mir mit einer gewissen Be¬
geisterung ein einfacher Droschkenkutscher, und für die Kelln Mxoli schwärmt
jeder Neapolitaner. Aber er wird diese Vorzüge nicht wandernd genießen,
sondern am liebsten im ruhigen Anschauen von dem kühlen Gartensaale oder der
Terrasse einer Villa aus; und er will mit der Natur die Kunst verbinden. Er
stellt weiße Marmorstatuen zwischen die dunkeln, hohen Lorbeerhecken, und wo
ein klares Wasser vom Berge herabrauscht, da wird er ihm schwerlich seinen
natürlichen Lauf lassen, sondern er wird es über Marmorterrasfen herableiten
in ein Becken, das Nymphen und Tritonen überwachen. Auch darin zeigt er,
daß er einem durchaus städtischen Volke angehört, während wir Deutschen noch
immer ein Vauernvolk sind.

Und doch wird sich niemand dem eigentümlichen Reiz italienischer Land¬
schaftsbilder entziehen können. Unweit des imposanten Felsenthores der „Vero-
neser Klause" ist am großen Bogen der raschen Etsch Verona gelagert, um¬
ringt von grünen Höhen mit den weißen Villen und den trotzigen, gezinnten
Mauern des Castello ti S. Pietro, der alten Burg Theodorichs, Dietrichs
von Bern, und darüber erhebt sich der Schneekamm der Alpen, während


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0608" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220284"/>
          <fw type="header" place="top"> Italienische Eindrücke</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2361" prev="#ID_2360"> gartenartigen Gemüsepflanzungen die Maulbeerbäume mit Weinranken in so<lb/>
dichten Reihen stehen, daß man auf längern Strecken fast in einem niedern<lb/>
lichten Laubwalde zu sein glaubt; die Berghänge sind bedeckt mit silbergrnuen,<lb/>
knorrigen Ölbäumen und Weingeländen, und hinter hohen Mauern, die im<lb/>
Süden oft mit roten Kaktusblüten überschüttet oder mit den seltsamen Formen<lb/>
des Feigenkaktus besetzt sind, prangen Feigenbäume, Orangen- und Citronen¬<lb/>
gärten voll dichtgedrängter Früchte im dunkeln Laube. Uns Deutschen fehlen<lb/>
die saubern, behäbigen Dörfer mit ihren Banmgcirten, fehlt vor allem der<lb/>
frische, kühle, schattige Wald, denn die Abhänge des Apennin sind meist kahles,<lb/>
graues Kalkgestein und von Wasserfurchen wild zerrissen, und wo es etwas<lb/>
Wald giebt, da besteht er, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, aus dunkeln,<lb/>
immergrünen Steineichen, die nie so recht frisch aussehen, oder aus jungen<lb/>
Vuchenbestündeu, wie im Albanergebirge, die man, wie es scheint, auch nicht<lb/>
sehr alt werden läßt, oder aus niederm Gebüsch, das nur von ferne wie<lb/>
Wald aussieht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2362"> Die Schönheit der italienischen Landschaft liegt in den Linien und<lb/>
Farben, der engen Verbindung von Meer und Gebirge, der Vereinigung einer<lb/>
nicht naturwüchsigen, sondern gepflegten üppigen Vegetation mit der bildenden<lb/>
Kunst unter dem tiefblauen Himmel des Südens. Ein Land wie Oberbaiern<lb/>
mit seineu dunkeln Nadelwaldungen, wildem Gebirge, rauschenden Bergwässern,<lb/>
wüsten Mooren, mächtigen freien Ackerbreiten und weiten Wiesenflächen, seinen<lb/>
dünngesäten Städten und behäbigen, breitgelagerten reinlichen Dörfern, das uns<lb/>
so anheimelt, zumal wenn wir zurück über die Alpen kommen, muß einem Italiener<lb/>
den Eindruck eines halben Urzustandes machen. Die Schönheit seines Vaterlandes<lb/>
empfindet er sehr wohl. 0, vnxri ö bsllg.! sagte mir mit einer gewissen Be¬<lb/>
geisterung ein einfacher Droschkenkutscher, und für die Kelln Mxoli schwärmt<lb/>
jeder Neapolitaner. Aber er wird diese Vorzüge nicht wandernd genießen,<lb/>
sondern am liebsten im ruhigen Anschauen von dem kühlen Gartensaale oder der<lb/>
Terrasse einer Villa aus; und er will mit der Natur die Kunst verbinden. Er<lb/>
stellt weiße Marmorstatuen zwischen die dunkeln, hohen Lorbeerhecken, und wo<lb/>
ein klares Wasser vom Berge herabrauscht, da wird er ihm schwerlich seinen<lb/>
natürlichen Lauf lassen, sondern er wird es über Marmorterrasfen herableiten<lb/>
in ein Becken, das Nymphen und Tritonen überwachen. Auch darin zeigt er,<lb/>
daß er einem durchaus städtischen Volke angehört, während wir Deutschen noch<lb/>
immer ein Vauernvolk sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2363" next="#ID_2364"> Und doch wird sich niemand dem eigentümlichen Reiz italienischer Land¬<lb/>
schaftsbilder entziehen können. Unweit des imposanten Felsenthores der &#x201E;Vero-<lb/>
neser Klause" ist am großen Bogen der raschen Etsch Verona gelagert, um¬<lb/>
ringt von grünen Höhen mit den weißen Villen und den trotzigen, gezinnten<lb/>
Mauern des Castello ti S. Pietro, der alten Burg Theodorichs, Dietrichs<lb/>
von Bern, und darüber erhebt sich der Schneekamm der Alpen, während</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0608] Italienische Eindrücke gartenartigen Gemüsepflanzungen die Maulbeerbäume mit Weinranken in so dichten Reihen stehen, daß man auf längern Strecken fast in einem niedern lichten Laubwalde zu sein glaubt; die Berghänge sind bedeckt mit silbergrnuen, knorrigen Ölbäumen und Weingeländen, und hinter hohen Mauern, die im Süden oft mit roten Kaktusblüten überschüttet oder mit den seltsamen Formen des Feigenkaktus besetzt sind, prangen Feigenbäume, Orangen- und Citronen¬ gärten voll dichtgedrängter Früchte im dunkeln Laube. Uns Deutschen fehlen die saubern, behäbigen Dörfer mit ihren Banmgcirten, fehlt vor allem der frische, kühle, schattige Wald, denn die Abhänge des Apennin sind meist kahles, graues Kalkgestein und von Wasserfurchen wild zerrissen, und wo es etwas Wald giebt, da besteht er, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, aus dunkeln, immergrünen Steineichen, die nie so recht frisch aussehen, oder aus jungen Vuchenbestündeu, wie im Albanergebirge, die man, wie es scheint, auch nicht sehr alt werden läßt, oder aus niederm Gebüsch, das nur von ferne wie Wald aussieht. Die Schönheit der italienischen Landschaft liegt in den Linien und Farben, der engen Verbindung von Meer und Gebirge, der Vereinigung einer nicht naturwüchsigen, sondern gepflegten üppigen Vegetation mit der bildenden Kunst unter dem tiefblauen Himmel des Südens. Ein Land wie Oberbaiern mit seineu dunkeln Nadelwaldungen, wildem Gebirge, rauschenden Bergwässern, wüsten Mooren, mächtigen freien Ackerbreiten und weiten Wiesenflächen, seinen dünngesäten Städten und behäbigen, breitgelagerten reinlichen Dörfern, das uns so anheimelt, zumal wenn wir zurück über die Alpen kommen, muß einem Italiener den Eindruck eines halben Urzustandes machen. Die Schönheit seines Vaterlandes empfindet er sehr wohl. 0, vnxri ö bsllg.! sagte mir mit einer gewissen Be¬ geisterung ein einfacher Droschkenkutscher, und für die Kelln Mxoli schwärmt jeder Neapolitaner. Aber er wird diese Vorzüge nicht wandernd genießen, sondern am liebsten im ruhigen Anschauen von dem kühlen Gartensaale oder der Terrasse einer Villa aus; und er will mit der Natur die Kunst verbinden. Er stellt weiße Marmorstatuen zwischen die dunkeln, hohen Lorbeerhecken, und wo ein klares Wasser vom Berge herabrauscht, da wird er ihm schwerlich seinen natürlichen Lauf lassen, sondern er wird es über Marmorterrasfen herableiten in ein Becken, das Nymphen und Tritonen überwachen. Auch darin zeigt er, daß er einem durchaus städtischen Volke angehört, während wir Deutschen noch immer ein Vauernvolk sind. Und doch wird sich niemand dem eigentümlichen Reiz italienischer Land¬ schaftsbilder entziehen können. Unweit des imposanten Felsenthores der „Vero- neser Klause" ist am großen Bogen der raschen Etsch Verona gelagert, um¬ ringt von grünen Höhen mit den weißen Villen und den trotzigen, gezinnten Mauern des Castello ti S. Pietro, der alten Burg Theodorichs, Dietrichs von Bern, und darüber erhebt sich der Schneekamm der Alpen, während

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/608
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/608>, abgerufen am 25.08.2024.