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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Italienische Eindrücke

zwanzig Dienstjahren ein Durchschnittseinkommen von 3600 Lire erreichen,
freilich bei wesentlich billigern Lebensbedingungen. Neben den freien Anstalten
giebt es auch noch (ücmvittl vWwng.1t, staatliche Internate oder, genauer ge¬
nommen, Pensionate, deren Zöglinge aber den Unterricht der freien Schulen
besuchen und sich durch eine halb militärische Tracht, Uniformmütze (mit dem
v. N.) und Mantel, von den übrigen unterscheiden, bei denen ich nichts ähn¬
liches wie eine Schülermütze bemerkt habe. Etwas sehr modernes ist in diesen
Anstalten der Turnunterricht, ganz nach deutscher Weise; im I^ovo Visconti
wird dazu gleich der geräumige Arkadenhvf benutzt. Auch Turnfahrten (xg.s-
LöMi^es ZinnÄstiobö) sind jetzt von der Unterrichtsbehörde angeordnet und
scheinen ziemlich häufig stattzufinden, wobei auch der Zweck verfolgt wird, die
Schüler mit interessanten Punkten der Umgebung und den sich daran knüpfenden
geschichtlichen Beziehungen bekannt zu machen. Auf einer solchen besuchten
z. B. -- ich folge hier einem Bericht im Lorrisrv al MMi -- am 3. Mai
die Schüler einer neapolitanischen Anstalt den berühmten, mächtigen Aquädukt
Vanvitellis, der dem Königspark von Caserta das Wasser vom Gebirge her
zuführt, und trafen dabei mit den Kameraden des königlichen Lyceums und
der technischen Schule von Santa Maria Capua Vetere (dem alten Capua im
Unterschiede von dem neuen Capua am Volturno) zusammen. Dabei hielt
einer der Lehrer einen Vortrag über den Aquädukt und die "edle Gestalt"
Karls III. von Bourbon, ein andrer über Nino Bixio, also die Kämpfe von
1860. Zum Schluß würdigte der ^rssiclö von Capua die Neapolitaner
einer lobenden Ansprache, die Musik stimmte das Garibaldilied an, und "dann
hatte die Begeisterung keine Grenzen." Die Presse nimmt gebührend Kenntnis
von solchen Unternehmungen, wobei es natürlich nicht ohne die landesübliche
Rhetorik abgeht. Der Direktor heißt voloroso oder auch <zu1g.ro, die Lehrer
mindestens draoi; man "bewundert" gegenseitig "die kriegerische Haltung und
die gewinnende Lebhaftigkeit" (it nig.r7.ig.1s eonteMO s ig, siinplitioa vivg-eM)
der Schüler; "beweglich" (ooiniuoröntö) ist die Begegnung, "voll Herzlichkeit"
(aUeÄuosi) die Begrüßung und die gegenseitige Vorstellung. Aber was uns
kühlen Nordländern leicht als übertrieben erscheint, - den Ita¬
lienern ganz natürlich.

(Schluß folgt)




Italienische Eindrücke

zwanzig Dienstjahren ein Durchschnittseinkommen von 3600 Lire erreichen,
freilich bei wesentlich billigern Lebensbedingungen. Neben den freien Anstalten
giebt es auch noch (ücmvittl vWwng.1t, staatliche Internate oder, genauer ge¬
nommen, Pensionate, deren Zöglinge aber den Unterricht der freien Schulen
besuchen und sich durch eine halb militärische Tracht, Uniformmütze (mit dem
v. N.) und Mantel, von den übrigen unterscheiden, bei denen ich nichts ähn¬
liches wie eine Schülermütze bemerkt habe. Etwas sehr modernes ist in diesen
Anstalten der Turnunterricht, ganz nach deutscher Weise; im I^ovo Visconti
wird dazu gleich der geräumige Arkadenhvf benutzt. Auch Turnfahrten (xg.s-
LöMi^es ZinnÄstiobö) sind jetzt von der Unterrichtsbehörde angeordnet und
scheinen ziemlich häufig stattzufinden, wobei auch der Zweck verfolgt wird, die
Schüler mit interessanten Punkten der Umgebung und den sich daran knüpfenden
geschichtlichen Beziehungen bekannt zu machen. Auf einer solchen besuchten
z. B. — ich folge hier einem Bericht im Lorrisrv al MMi — am 3. Mai
die Schüler einer neapolitanischen Anstalt den berühmten, mächtigen Aquädukt
Vanvitellis, der dem Königspark von Caserta das Wasser vom Gebirge her
zuführt, und trafen dabei mit den Kameraden des königlichen Lyceums und
der technischen Schule von Santa Maria Capua Vetere (dem alten Capua im
Unterschiede von dem neuen Capua am Volturno) zusammen. Dabei hielt
einer der Lehrer einen Vortrag über den Aquädukt und die „edle Gestalt"
Karls III. von Bourbon, ein andrer über Nino Bixio, also die Kämpfe von
1860. Zum Schluß würdigte der ^rssiclö von Capua die Neapolitaner
einer lobenden Ansprache, die Musik stimmte das Garibaldilied an, und „dann
hatte die Begeisterung keine Grenzen." Die Presse nimmt gebührend Kenntnis
von solchen Unternehmungen, wobei es natürlich nicht ohne die landesübliche
Rhetorik abgeht. Der Direktor heißt voloroso oder auch <zu1g.ro, die Lehrer
mindestens draoi; man „bewundert" gegenseitig „die kriegerische Haltung und
die gewinnende Lebhaftigkeit" (it nig.r7.ig.1s eonteMO s ig, siinplitioa vivg-eM)
der Schüler; „beweglich" (ooiniuoröntö) ist die Begegnung, „voll Herzlichkeit"
(aUeÄuosi) die Begrüßung und die gegenseitige Vorstellung. Aber was uns
kühlen Nordländern leicht als übertrieben erscheint, - den Ita¬
lienern ganz natürlich.

(Schluß folgt)




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[0579] Italienische Eindrücke zwanzig Dienstjahren ein Durchschnittseinkommen von 3600 Lire erreichen, freilich bei wesentlich billigern Lebensbedingungen. Neben den freien Anstalten giebt es auch noch (ücmvittl vWwng.1t, staatliche Internate oder, genauer ge¬ nommen, Pensionate, deren Zöglinge aber den Unterricht der freien Schulen besuchen und sich durch eine halb militärische Tracht, Uniformmütze (mit dem v. N.) und Mantel, von den übrigen unterscheiden, bei denen ich nichts ähn¬ liches wie eine Schülermütze bemerkt habe. Etwas sehr modernes ist in diesen Anstalten der Turnunterricht, ganz nach deutscher Weise; im I^ovo Visconti wird dazu gleich der geräumige Arkadenhvf benutzt. Auch Turnfahrten (xg.s- LöMi^es ZinnÄstiobö) sind jetzt von der Unterrichtsbehörde angeordnet und scheinen ziemlich häufig stattzufinden, wobei auch der Zweck verfolgt wird, die Schüler mit interessanten Punkten der Umgebung und den sich daran knüpfenden geschichtlichen Beziehungen bekannt zu machen. Auf einer solchen besuchten z. B. — ich folge hier einem Bericht im Lorrisrv al MMi — am 3. Mai die Schüler einer neapolitanischen Anstalt den berühmten, mächtigen Aquädukt Vanvitellis, der dem Königspark von Caserta das Wasser vom Gebirge her zuführt, und trafen dabei mit den Kameraden des königlichen Lyceums und der technischen Schule von Santa Maria Capua Vetere (dem alten Capua im Unterschiede von dem neuen Capua am Volturno) zusammen. Dabei hielt einer der Lehrer einen Vortrag über den Aquädukt und die „edle Gestalt" Karls III. von Bourbon, ein andrer über Nino Bixio, also die Kämpfe von 1860. Zum Schluß würdigte der ^rssiclö von Capua die Neapolitaner einer lobenden Ansprache, die Musik stimmte das Garibaldilied an, und „dann hatte die Begeisterung keine Grenzen." Die Presse nimmt gebührend Kenntnis von solchen Unternehmungen, wobei es natürlich nicht ohne die landesübliche Rhetorik abgeht. Der Direktor heißt voloroso oder auch <zu1g.ro, die Lehrer mindestens draoi; man „bewundert" gegenseitig „die kriegerische Haltung und die gewinnende Lebhaftigkeit" (it nig.r7.ig.1s eonteMO s ig, siinplitioa vivg-eM) der Schüler; „beweglich" (ooiniuoröntö) ist die Begegnung, „voll Herzlichkeit" (aUeÄuosi) die Begrüßung und die gegenseitige Vorstellung. Aber was uns kühlen Nordländern leicht als übertrieben erscheint, - den Ita¬ lienern ganz natürlich. (Schluß folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/579>, abgerufen am 24.08.2024.