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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Italienische Eindrücke

Platz, von den Fenstern hängen purpurne Seidenteppiche mit Goldfransen herab,
und in der ehrwürdigen Kirche Aracoeli, die unter dem Patronate des Senats
steht, findet feierlicher Gottesdienst statt, wobei Säulen und Wände mit goldum-
süumter Purpurseide bekleidet sind. In Padua schmücken die Statuen berühmter
Paduaner die Anlagen des Prato della Valle, in Pisa ist das Camposanto
zugleich ein Museum piscmischer Geschichte, wo Kaiser Heinrich VII. begraben
liegt und jetzt wieder die gewaltigen eisernen Sperrketten hängen, die Florenz
einst von dem Hafen der besiegten Nebenbuhlerin entführt und nach der Eini¬
gung Italiens ihr großmütig wieder zurückgegeben hat, damit jede Erinnerung
an den alten Hader schwinde. Welch ein Eindruck vollends in den majestä¬
tischen Hallen von Sande Croce, die die Grabmäler aller berühmten Floren¬
tiner bergen, von Leonbattista Alberti, Lionardo Bruui, Maechiavelli, Michel¬
angelo und wie sie alle heißen, Namen, die nicht nur Florenz, sondern der
gebildeten Welt gehören! In einem Volke, das diese Denkmäler vor sich hat
und dabei täglich an den alten Palästen und Kirchen vorübergeht, die doch
auch meist Denkmäler alter Vürgerherrlichkeit sind, muß der Stolz auf die
Vaterstadt immer lebendig bleiben, und er wird es stets davor bewahren, in
eine mechanische Zentrcilisation zu verfallen.

Es ist kein Zweifel, daß das junge Geschlecht immer mehr in diese national¬
italienischen Anschauungen hineinwächst. Denn wenn auch einzelne geistliche
Ordensanstalten sür Laien noch bestehen, wie die der Benediktiner auf Monte
Casino und die der Schulbrüder in der schonen Badia bei Fiesole, so ist doch
im ganzen das Unterrichtswesen in weltlichen Händen, und ein sehr moderner
Geist scheint es zu durchwehen. Überall, eines in sehr kleinen Orten, sieht
man Elementarschulen, deren Lehrer allerdings Wohl meist in ungünstiger
Lage sind, sodaß sie sich jetzt kräftig rühren, um eine bessere Besoldung zu
erlangen. Die Mittelschulen, die humanistischen (liest, ginnÄsii) und rea¬
listischen (technischen), sind weltlich, in den Händen des Staats oder der Ge¬
meinde. Auch das jetzt als Musteranstalt geltende lävso-Finnasic, Visconti in
Rom ist aus der alten Jesuitenschule im ehemaligen OoUsZgio Koumno zu
einer staatlichen Anstalt geworden, die in den alten Räumen um deu schönen
Arkadenhof in zwölf Klassen (die vier untern haben Parallelklassen) über fünf¬
hundert Schüler unter zwanzig Lehrern vereinigt. Die Stellung des Rektors
(xr<zM<z) ist insofern wesentlich verschieden von der eines deutschen Rektors,
als er überhaupt keinen Unterricht erteilt, sondern nur die Schulzucht und die
Verwaltung leitet. Die Zahl der Lehrer erscheint verhältnismäßig geringer
als bei uns, weil die Stundenzahl niedriger ist und die Korrekturlast fast ganz
wegfällt, da schriftliche Arbeiten nur in der Schule gefertigt werden. Dafür
sind die Gehalte wesentlich niedriger bemessen. In ganz Italien haben nur
vier ?rösiÄi etwa 6000 Lire, zehn bis zwölf um 5000 Lire, alle übrigen
zwischen 4000 und 5000 Lire, die Lehrer im Verhältnis, sodaß sie nach


Italienische Eindrücke

Platz, von den Fenstern hängen purpurne Seidenteppiche mit Goldfransen herab,
und in der ehrwürdigen Kirche Aracoeli, die unter dem Patronate des Senats
steht, findet feierlicher Gottesdienst statt, wobei Säulen und Wände mit goldum-
süumter Purpurseide bekleidet sind. In Padua schmücken die Statuen berühmter
Paduaner die Anlagen des Prato della Valle, in Pisa ist das Camposanto
zugleich ein Museum piscmischer Geschichte, wo Kaiser Heinrich VII. begraben
liegt und jetzt wieder die gewaltigen eisernen Sperrketten hängen, die Florenz
einst von dem Hafen der besiegten Nebenbuhlerin entführt und nach der Eini¬
gung Italiens ihr großmütig wieder zurückgegeben hat, damit jede Erinnerung
an den alten Hader schwinde. Welch ein Eindruck vollends in den majestä¬
tischen Hallen von Sande Croce, die die Grabmäler aller berühmten Floren¬
tiner bergen, von Leonbattista Alberti, Lionardo Bruui, Maechiavelli, Michel¬
angelo und wie sie alle heißen, Namen, die nicht nur Florenz, sondern der
gebildeten Welt gehören! In einem Volke, das diese Denkmäler vor sich hat
und dabei täglich an den alten Palästen und Kirchen vorübergeht, die doch
auch meist Denkmäler alter Vürgerherrlichkeit sind, muß der Stolz auf die
Vaterstadt immer lebendig bleiben, und er wird es stets davor bewahren, in
eine mechanische Zentrcilisation zu verfallen.

Es ist kein Zweifel, daß das junge Geschlecht immer mehr in diese national¬
italienischen Anschauungen hineinwächst. Denn wenn auch einzelne geistliche
Ordensanstalten sür Laien noch bestehen, wie die der Benediktiner auf Monte
Casino und die der Schulbrüder in der schonen Badia bei Fiesole, so ist doch
im ganzen das Unterrichtswesen in weltlichen Händen, und ein sehr moderner
Geist scheint es zu durchwehen. Überall, eines in sehr kleinen Orten, sieht
man Elementarschulen, deren Lehrer allerdings Wohl meist in ungünstiger
Lage sind, sodaß sie sich jetzt kräftig rühren, um eine bessere Besoldung zu
erlangen. Die Mittelschulen, die humanistischen (liest, ginnÄsii) und rea¬
listischen (technischen), sind weltlich, in den Händen des Staats oder der Ge¬
meinde. Auch das jetzt als Musteranstalt geltende lävso-Finnasic, Visconti in
Rom ist aus der alten Jesuitenschule im ehemaligen OoUsZgio Koumno zu
einer staatlichen Anstalt geworden, die in den alten Räumen um deu schönen
Arkadenhof in zwölf Klassen (die vier untern haben Parallelklassen) über fünf¬
hundert Schüler unter zwanzig Lehrern vereinigt. Die Stellung des Rektors
(xr<zM<z) ist insofern wesentlich verschieden von der eines deutschen Rektors,
als er überhaupt keinen Unterricht erteilt, sondern nur die Schulzucht und die
Verwaltung leitet. Die Zahl der Lehrer erscheint verhältnismäßig geringer
als bei uns, weil die Stundenzahl niedriger ist und die Korrekturlast fast ganz
wegfällt, da schriftliche Arbeiten nur in der Schule gefertigt werden. Dafür
sind die Gehalte wesentlich niedriger bemessen. In ganz Italien haben nur
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zwischen 4000 und 5000 Lire, die Lehrer im Verhältnis, sodaß sie nach


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[0578] Italienische Eindrücke Platz, von den Fenstern hängen purpurne Seidenteppiche mit Goldfransen herab, und in der ehrwürdigen Kirche Aracoeli, die unter dem Patronate des Senats steht, findet feierlicher Gottesdienst statt, wobei Säulen und Wände mit goldum- süumter Purpurseide bekleidet sind. In Padua schmücken die Statuen berühmter Paduaner die Anlagen des Prato della Valle, in Pisa ist das Camposanto zugleich ein Museum piscmischer Geschichte, wo Kaiser Heinrich VII. begraben liegt und jetzt wieder die gewaltigen eisernen Sperrketten hängen, die Florenz einst von dem Hafen der besiegten Nebenbuhlerin entführt und nach der Eini¬ gung Italiens ihr großmütig wieder zurückgegeben hat, damit jede Erinnerung an den alten Hader schwinde. Welch ein Eindruck vollends in den majestä¬ tischen Hallen von Sande Croce, die die Grabmäler aller berühmten Floren¬ tiner bergen, von Leonbattista Alberti, Lionardo Bruui, Maechiavelli, Michel¬ angelo und wie sie alle heißen, Namen, die nicht nur Florenz, sondern der gebildeten Welt gehören! In einem Volke, das diese Denkmäler vor sich hat und dabei täglich an den alten Palästen und Kirchen vorübergeht, die doch auch meist Denkmäler alter Vürgerherrlichkeit sind, muß der Stolz auf die Vaterstadt immer lebendig bleiben, und er wird es stets davor bewahren, in eine mechanische Zentrcilisation zu verfallen. Es ist kein Zweifel, daß das junge Geschlecht immer mehr in diese national¬ italienischen Anschauungen hineinwächst. Denn wenn auch einzelne geistliche Ordensanstalten sür Laien noch bestehen, wie die der Benediktiner auf Monte Casino und die der Schulbrüder in der schonen Badia bei Fiesole, so ist doch im ganzen das Unterrichtswesen in weltlichen Händen, und ein sehr moderner Geist scheint es zu durchwehen. Überall, eines in sehr kleinen Orten, sieht man Elementarschulen, deren Lehrer allerdings Wohl meist in ungünstiger Lage sind, sodaß sie sich jetzt kräftig rühren, um eine bessere Besoldung zu erlangen. Die Mittelschulen, die humanistischen (liest, ginnÄsii) und rea¬ listischen (technischen), sind weltlich, in den Händen des Staats oder der Ge¬ meinde. Auch das jetzt als Musteranstalt geltende lävso-Finnasic, Visconti in Rom ist aus der alten Jesuitenschule im ehemaligen OoUsZgio Koumno zu einer staatlichen Anstalt geworden, die in den alten Räumen um deu schönen Arkadenhof in zwölf Klassen (die vier untern haben Parallelklassen) über fünf¬ hundert Schüler unter zwanzig Lehrern vereinigt. Die Stellung des Rektors (xr<zM<z) ist insofern wesentlich verschieden von der eines deutschen Rektors, als er überhaupt keinen Unterricht erteilt, sondern nur die Schulzucht und die Verwaltung leitet. Die Zahl der Lehrer erscheint verhältnismäßig geringer als bei uns, weil die Stundenzahl niedriger ist und die Korrekturlast fast ganz wegfällt, da schriftliche Arbeiten nur in der Schule gefertigt werden. Dafür sind die Gehalte wesentlich niedriger bemessen. In ganz Italien haben nur vier ?rösiÄi etwa 6000 Lire, zehn bis zwölf um 5000 Lire, alle übrigen zwischen 4000 und 5000 Lire, die Lehrer im Verhältnis, sodaß sie nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/578>, abgerufen am 24.08.2024.