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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Ums liebe Brot

stand es niedrig, so sank sie. Durch diese Einrichtung waren alle Beteiligten
interessirt, daß das Brotkorn in einem gleichmüßigen Preise erhalten blieb."

Spätere Dilemmata wird man vielleicht leichter vermeiden, wenn die
Herren, die Gesetze und Handelsverträge machen, mit den Landwirten zugleich
naß werden, Wenns regnet, und warm, wenn die Sonne scheint; aber um erst
einmal aus dem jetzigen herauszukommen, wird man doch wohl vorhandene
sichere Wege wandeln müssen. Was würde dabei herauskommen, wenn sich
die Fürsten und die höhern Beamten von ihrem heutigen Einkommen etwas ab¬
zwacken lassen müßten? Dadurch bekämen die Landwirte, die die Arbeit thun,
für ihr Getreide doch nicht mehr, und wenn den höhern Beamten der Brotkorb
höher gehängt würde, dann könnten am Ende die Landleute ihre Wachteln,
Schnepfen, Rebhühner, Hasen, Gänse und Enten selber verzehren, die sie nicht
einmal gern essen.

Es wäre ein Jammer, wenn der hier und früher gezeigte Weg zur Selbst¬
hilfe erst dann beschritten würde, wenn es zu spät wäre, d. h. wenn vielleicht
das nur auf Eigengewinn lüsterne Großkapital die besten, reformbedürftigsten
deutschen Bezirke oder Großstädte belegt hat. Jeder weiß, daß die Millionen
auf der Straße liegen, und wollte ich als gewinnsuchender Kaufmann Ver¬
bündete herbeirufen, so würde binnen wenigen Wochen irgendwo die erste
Großbäckerei im Betriebe sein. Wird das aber in egoistischer, kapitalistischer
Weise ausgeführt, dann abe, deutsche Landwirtschaft! Was kümmert sich
ein auf Prämien angestellter Bäckereidirektor um das Wohl und Wehe und
um den Preis, den die deutschen Bauern für das Korn fordern und haben
müssen! Dcckotaweizen wird nach Hamburg billiger gebracht als schlesischer,
und man weiß doch, wie alles Fremde auf den guten Deutschen wirkt.
"Amerikanisches Brot aus bestem Dakotaweizen, besser und größer als
deutsches Brot aus deutschem Weizen, liefert" u. s. w. u. s. w.

Dann ist die Sache für ein paar Bankiers im Gange, und die Landwirt¬
schaft ist vom Regen in die Traufe gekommen. Wer als zweiter kommt, kommt
und bleibt hinten, und wenn dann mit noch so großer Reklame für Hanitiz
vlisats und Xemit-i broack gewirkt wird.




Ums liebe Brot

stand es niedrig, so sank sie. Durch diese Einrichtung waren alle Beteiligten
interessirt, daß das Brotkorn in einem gleichmüßigen Preise erhalten blieb."

Spätere Dilemmata wird man vielleicht leichter vermeiden, wenn die
Herren, die Gesetze und Handelsverträge machen, mit den Landwirten zugleich
naß werden, Wenns regnet, und warm, wenn die Sonne scheint; aber um erst
einmal aus dem jetzigen herauszukommen, wird man doch wohl vorhandene
sichere Wege wandeln müssen. Was würde dabei herauskommen, wenn sich
die Fürsten und die höhern Beamten von ihrem heutigen Einkommen etwas ab¬
zwacken lassen müßten? Dadurch bekämen die Landwirte, die die Arbeit thun,
für ihr Getreide doch nicht mehr, und wenn den höhern Beamten der Brotkorb
höher gehängt würde, dann könnten am Ende die Landleute ihre Wachteln,
Schnepfen, Rebhühner, Hasen, Gänse und Enten selber verzehren, die sie nicht
einmal gern essen.

Es wäre ein Jammer, wenn der hier und früher gezeigte Weg zur Selbst¬
hilfe erst dann beschritten würde, wenn es zu spät wäre, d. h. wenn vielleicht
das nur auf Eigengewinn lüsterne Großkapital die besten, reformbedürftigsten
deutschen Bezirke oder Großstädte belegt hat. Jeder weiß, daß die Millionen
auf der Straße liegen, und wollte ich als gewinnsuchender Kaufmann Ver¬
bündete herbeirufen, so würde binnen wenigen Wochen irgendwo die erste
Großbäckerei im Betriebe sein. Wird das aber in egoistischer, kapitalistischer
Weise ausgeführt, dann abe, deutsche Landwirtschaft! Was kümmert sich
ein auf Prämien angestellter Bäckereidirektor um das Wohl und Wehe und
um den Preis, den die deutschen Bauern für das Korn fordern und haben
müssen! Dcckotaweizen wird nach Hamburg billiger gebracht als schlesischer,
und man weiß doch, wie alles Fremde auf den guten Deutschen wirkt.
„Amerikanisches Brot aus bestem Dakotaweizen, besser und größer als
deutsches Brot aus deutschem Weizen, liefert" u. s. w. u. s. w.

Dann ist die Sache für ein paar Bankiers im Gange, und die Landwirt¬
schaft ist vom Regen in die Traufe gekommen. Wer als zweiter kommt, kommt
und bleibt hinten, und wenn dann mit noch so großer Reklame für Hanitiz
vlisats und Xemit-i broack gewirkt wird.




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[0557] Ums liebe Brot stand es niedrig, so sank sie. Durch diese Einrichtung waren alle Beteiligten interessirt, daß das Brotkorn in einem gleichmüßigen Preise erhalten blieb." Spätere Dilemmata wird man vielleicht leichter vermeiden, wenn die Herren, die Gesetze und Handelsverträge machen, mit den Landwirten zugleich naß werden, Wenns regnet, und warm, wenn die Sonne scheint; aber um erst einmal aus dem jetzigen herauszukommen, wird man doch wohl vorhandene sichere Wege wandeln müssen. Was würde dabei herauskommen, wenn sich die Fürsten und die höhern Beamten von ihrem heutigen Einkommen etwas ab¬ zwacken lassen müßten? Dadurch bekämen die Landwirte, die die Arbeit thun, für ihr Getreide doch nicht mehr, und wenn den höhern Beamten der Brotkorb höher gehängt würde, dann könnten am Ende die Landleute ihre Wachteln, Schnepfen, Rebhühner, Hasen, Gänse und Enten selber verzehren, die sie nicht einmal gern essen. Es wäre ein Jammer, wenn der hier und früher gezeigte Weg zur Selbst¬ hilfe erst dann beschritten würde, wenn es zu spät wäre, d. h. wenn vielleicht das nur auf Eigengewinn lüsterne Großkapital die besten, reformbedürftigsten deutschen Bezirke oder Großstädte belegt hat. Jeder weiß, daß die Millionen auf der Straße liegen, und wollte ich als gewinnsuchender Kaufmann Ver¬ bündete herbeirufen, so würde binnen wenigen Wochen irgendwo die erste Großbäckerei im Betriebe sein. Wird das aber in egoistischer, kapitalistischer Weise ausgeführt, dann abe, deutsche Landwirtschaft! Was kümmert sich ein auf Prämien angestellter Bäckereidirektor um das Wohl und Wehe und um den Preis, den die deutschen Bauern für das Korn fordern und haben müssen! Dcckotaweizen wird nach Hamburg billiger gebracht als schlesischer, und man weiß doch, wie alles Fremde auf den guten Deutschen wirkt. „Amerikanisches Brot aus bestem Dakotaweizen, besser und größer als deutsches Brot aus deutschem Weizen, liefert" u. s. w. u. s. w. Dann ist die Sache für ein paar Bankiers im Gange, und die Landwirt¬ schaft ist vom Regen in die Traufe gekommen. Wer als zweiter kommt, kommt und bleibt hinten, und wenn dann mit noch so großer Reklame für Hanitiz vlisats und Xemit-i broack gewirkt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/557>, abgerufen am 24.08.2024.