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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Ums liebe Brot

die Vrotpreise von achtundsechzig Städten aus dem Jahre 1888 nennt. Wenn
in Österreich 100 Kilo Korn 6,5 Gulden kosten, dann ist der normale Brot¬
preis, einschließlich eines gerechten Väckergewinnes, 9 Kreuzer für das Kilo.
Es kostete aber

in Sternberg das Korn 7,2 Gib., das Brot 13,1 Kr., also jedes Kilo 9.1 Kr. zu teuer
,, Feistritz, Wind,-,, " 6,- " " " 13,1 ...... 9.1 .. " "
Budua ., " 7,- " ., ., 18,- " " " " 3 -- ., .. "
.. Stcyr ., " 6,-- " " " 17,-- ,, " " " 3 -- " " , "
" Aflenz " " 6,5 .. " ., 16,-- " ,. " ., 7,-- ., " "
" Leibnitz " " 5,75 ., " " 16,6 " ,. " " 7,6 " " "

Rechnet man, wie es dort geschieht, den jährlichen Brotverbrauch für den
Einwohner zu 250 Kilogramm, so zeigt sich, daß die genannten 6 Städte
im Jahre folgende Summen für 1000 Einwohner zu viel für Brot ausgeben
müssen: Sternberg 22 750 Gulden. Feistritz ebenfalls 22750 Gulden, Budua
20000 Gulden. Stehr ebenfalls 20000 Gulden, Aflenz 17500 Gulden,
Leibnitz 19000 Gulden. Das sind doch so nette Zahlen, daß eine Vrotrevo-
lutivn schon der Mühe lohnte.

Dem stehen zwar andre Städte gegenüber, wo den Konsumenten nicht
viel mehr für Brot abgenommen wird, als recht und billig ist. So kostete:

in Bleiburg das Korn 6,7 Gib., das Brot 10 Kr., also jedes Kilo nur 1 Kr. zu teuer
" Unzmarkt " " 6,75 " ., " 10 " " " " " 1 " "
" Tarnow " ., 5,75 " ,. 10 " " " " " 1 " " "
" Prochnitz " " 7 -- " " " 10 " " " " " 1 " " ,.

Man hört aber nicht, daß die dortigen Bäcker davongelaufen wären.

Die Hamburger Nachrichten wußten am 20. Februar noch einen andern
"Ausweg aus dem Dilemma," der aber, wie es scheint, nirgends als gangbar
angesehen worden ist. Sie meinten, wir sollten das Einkommen der Landes¬
herren abhängig machen von dem Einkommen der Landwirte, wie es in alten
Zeiten Sitte gewesen sei. "In alten Zeiten waren in Deutschland die Landes¬
herren zur Bestreitung der Kosten ihrer Regierung auf ihren eignen Besitz
angewiesen; das Domanium lieferte in erster Reihe die Mittel zur Bestrei¬
tung der landesherrlichen Ausgaben, und nur additionell wurden Accisen und
Zölle dazu herangezogen. Die Entwicklung der neuern Zeit hat dazu geführt,
den Fürsten das Domanium abzunehmen und ihnen dafür eine Zivilliste in
barem Gelde zu gewähren. Infolge dessen hat der Landesherr in seinem
Haushalte keine direkten Interessen mehr an der Frage, ob die Landwirtschaft
rentirt oder nicht. Auch höhere Beamte waren früher für ihren Unterhalt
weniger auf bares Gehalt, als auf die Ausnutzung der landwirtschaftlichen
Ämter, die ihnen als Zubehör ihrer Stellung unter irgend einem Titel über¬
lassen wurden, angewiesen. War das Brodgetreide während der letzten zehn
Jahre hoch im Preise, so stieg die Zahlung in dem Maßstabe dieses Preises,


Ums liebe Brot

die Vrotpreise von achtundsechzig Städten aus dem Jahre 1888 nennt. Wenn
in Österreich 100 Kilo Korn 6,5 Gulden kosten, dann ist der normale Brot¬
preis, einschließlich eines gerechten Väckergewinnes, 9 Kreuzer für das Kilo.
Es kostete aber

in Sternberg das Korn 7,2 Gib., das Brot 13,1 Kr., also jedes Kilo 9.1 Kr. zu teuer
,, Feistritz, Wind,-,, „ 6,- „ „ „ 13,1 ...... 9.1 .. „ „
Budua ., „ 7,- „ ., ., 18,- „ „ „ „ 3 — ., .. „
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Rechnet man, wie es dort geschieht, den jährlichen Brotverbrauch für den
Einwohner zu 250 Kilogramm, so zeigt sich, daß die genannten 6 Städte
im Jahre folgende Summen für 1000 Einwohner zu viel für Brot ausgeben
müssen: Sternberg 22 750 Gulden. Feistritz ebenfalls 22750 Gulden, Budua
20000 Gulden. Stehr ebenfalls 20000 Gulden, Aflenz 17500 Gulden,
Leibnitz 19000 Gulden. Das sind doch so nette Zahlen, daß eine Vrotrevo-
lutivn schon der Mühe lohnte.

Dem stehen zwar andre Städte gegenüber, wo den Konsumenten nicht
viel mehr für Brot abgenommen wird, als recht und billig ist. So kostete:

in Bleiburg das Korn 6,7 Gib., das Brot 10 Kr., also jedes Kilo nur 1 Kr. zu teuer
„ Unzmarkt „ „ 6,75 „ ., „ 10 „ „ „ „ „ 1 „ „
„ Tarnow „ ., 5,75 „ ,. 10 „ „ „ „ „ 1 „ „ „
„ Prochnitz „ „ 7 — „ „ „ 10 „ „ „ „ „ 1 „ „ ,.

Man hört aber nicht, daß die dortigen Bäcker davongelaufen wären.

Die Hamburger Nachrichten wußten am 20. Februar noch einen andern
„Ausweg aus dem Dilemma," der aber, wie es scheint, nirgends als gangbar
angesehen worden ist. Sie meinten, wir sollten das Einkommen der Landes¬
herren abhängig machen von dem Einkommen der Landwirte, wie es in alten
Zeiten Sitte gewesen sei. „In alten Zeiten waren in Deutschland die Landes¬
herren zur Bestreitung der Kosten ihrer Regierung auf ihren eignen Besitz
angewiesen; das Domanium lieferte in erster Reihe die Mittel zur Bestrei¬
tung der landesherrlichen Ausgaben, und nur additionell wurden Accisen und
Zölle dazu herangezogen. Die Entwicklung der neuern Zeit hat dazu geführt,
den Fürsten das Domanium abzunehmen und ihnen dafür eine Zivilliste in
barem Gelde zu gewähren. Infolge dessen hat der Landesherr in seinem
Haushalte keine direkten Interessen mehr an der Frage, ob die Landwirtschaft
rentirt oder nicht. Auch höhere Beamte waren früher für ihren Unterhalt
weniger auf bares Gehalt, als auf die Ausnutzung der landwirtschaftlichen
Ämter, die ihnen als Zubehör ihrer Stellung unter irgend einem Titel über¬
lassen wurden, angewiesen. War das Brodgetreide während der letzten zehn
Jahre hoch im Preise, so stieg die Zahlung in dem Maßstabe dieses Preises,


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[0556] Ums liebe Brot die Vrotpreise von achtundsechzig Städten aus dem Jahre 1888 nennt. Wenn in Österreich 100 Kilo Korn 6,5 Gulden kosten, dann ist der normale Brot¬ preis, einschließlich eines gerechten Väckergewinnes, 9 Kreuzer für das Kilo. Es kostete aber in Sternberg das Korn 7,2 Gib., das Brot 13,1 Kr., also jedes Kilo 9.1 Kr. zu teuer ,, Feistritz, Wind,-,, „ 6,- „ „ „ 13,1 ...... 9.1 .. „ „ Budua ., „ 7,- „ ., ., 18,- „ „ „ „ 3 — ., .. „ .. Stcyr ., „ 6,— „ „ „ 17,— ,, „ „ „ 3 — „ „ , „ „ Aflenz „ „ 6,5 .. „ ., 16,— „ ,. „ ., 7,— ., „ „ „ Leibnitz „ „ 5,75 ., „ „ 16,6 „ ,. „ „ 7,6 „ „ „ Rechnet man, wie es dort geschieht, den jährlichen Brotverbrauch für den Einwohner zu 250 Kilogramm, so zeigt sich, daß die genannten 6 Städte im Jahre folgende Summen für 1000 Einwohner zu viel für Brot ausgeben müssen: Sternberg 22 750 Gulden. Feistritz ebenfalls 22750 Gulden, Budua 20000 Gulden. Stehr ebenfalls 20000 Gulden, Aflenz 17500 Gulden, Leibnitz 19000 Gulden. Das sind doch so nette Zahlen, daß eine Vrotrevo- lutivn schon der Mühe lohnte. Dem stehen zwar andre Städte gegenüber, wo den Konsumenten nicht viel mehr für Brot abgenommen wird, als recht und billig ist. So kostete: in Bleiburg das Korn 6,7 Gib., das Brot 10 Kr., also jedes Kilo nur 1 Kr. zu teuer „ Unzmarkt „ „ 6,75 „ ., „ 10 „ „ „ „ „ 1 „ „ „ Tarnow „ ., 5,75 „ ,. 10 „ „ „ „ „ 1 „ „ „ „ Prochnitz „ „ 7 — „ „ „ 10 „ „ „ „ „ 1 „ „ ,. Man hört aber nicht, daß die dortigen Bäcker davongelaufen wären. Die Hamburger Nachrichten wußten am 20. Februar noch einen andern „Ausweg aus dem Dilemma," der aber, wie es scheint, nirgends als gangbar angesehen worden ist. Sie meinten, wir sollten das Einkommen der Landes¬ herren abhängig machen von dem Einkommen der Landwirte, wie es in alten Zeiten Sitte gewesen sei. „In alten Zeiten waren in Deutschland die Landes¬ herren zur Bestreitung der Kosten ihrer Regierung auf ihren eignen Besitz angewiesen; das Domanium lieferte in erster Reihe die Mittel zur Bestrei¬ tung der landesherrlichen Ausgaben, und nur additionell wurden Accisen und Zölle dazu herangezogen. Die Entwicklung der neuern Zeit hat dazu geführt, den Fürsten das Domanium abzunehmen und ihnen dafür eine Zivilliste in barem Gelde zu gewähren. Infolge dessen hat der Landesherr in seinem Haushalte keine direkten Interessen mehr an der Frage, ob die Landwirtschaft rentirt oder nicht. Auch höhere Beamte waren früher für ihren Unterhalt weniger auf bares Gehalt, als auf die Ausnutzung der landwirtschaftlichen Ämter, die ihnen als Zubehör ihrer Stellung unter irgend einem Titel über¬ lassen wurden, angewiesen. War das Brodgetreide während der letzten zehn Jahre hoch im Preise, so stieg die Zahlung in dem Maßstabe dieses Preises,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/556>, abgerufen am 22.12.2024.