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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Von links, bis sie es bewältigt und sich einverleibt hatte und wieder wie vorher als
Beherrscherin der Lage auf ihrem Posten stehen konnte. Die Franzi war nicht
gelehrt, aber gescheit, und sie sprach nichts, ohne daß sie sich etwas dabei
dachte.

Fräulein Bernarz kam wieder herein. Lieber Kerl, lieber! sagte sie vor
sich hin.

Das ist wohl einer von den soliden Herren? fragte das Mädchen auf¬
merksam.

Gott verzeih dirs. Franzi, was dn da redest! Der Sedini ein solider Herr!
Aber wohnen thut er doch bei dir?

Freilich wohnt er bei mir, und ein eigner Sohn könnte mir nicht lieber
sein. Er nennt mich auch Mutter Bernarz, oder sein Mutterl -- seine beste
Freundin bin ich.

Und zahlen thut er auch?

Wie soll er denn zahlen, er hat ja nichts! Heißt das, sein Vater ist reich.
Aber weil er nicht Metzger hat bleiben wollen, so giebt er ihm nichts. Aber
die Kunsthändler sind ganz wild nach seinen Bildern. Später, wenn er eins
fertig hat, dann zahlt er mir alles auf einmal, oder nachher, wenn der Vater
stirbt. Heißt das, wenn er ihn nicht enterbe. Aber er wird schon noch gescheit
werden, der Alte. Ich denk immer: der wird schaun, wenn ers gewahr wird,
daß sein Sohn der berühmte Simon Janko ist! Der wird schaun!

Keck ist er mit dir, Base!

Fräulein Bernarz kicherte: Gelt, und was er so sagt, ist immer wie eine
Liebkosung!

Mir ists nicht vorgekommen wie eine Liebkosung, aber lachen hab ich freilich
müssen, sagte Franzi nach einem Weilchen.

Ach geh, du wärst froh, wenn er dich nur anschaun möchte!

Das hat er gerade genug gethan!

Franzi sagte das ruhig. An Huldigungen war sie gewöhnt, und sie
hatte einen scharfen Gradmesser, um zwischen Dreistigkeit und Bewunderung zu
unterscheiden. Diesmal wurde ihr aber das Urteil schwer, denn in der Mischung,
die dieser Ungar von beiden hatte, war Wärme, und sie wußte nicht, welcher
Eindruck der wahre war. Vielleicht beide? Aber auf welche von ihren Eigen¬
schaften konnte die Bewunderung gehen? Daß ihr Vater Geld hatte, wußte er
nicht. Und schön? Das mußten doch die aus der Stadt viel mehr sein, die
neben ihr wie Mondschein wirkten. Vielleicht weiß ers gar nicht, daß er so
daherschaut. meinte sie zuletzt. Seine Augen werden dran schuld sein, weil
sie so groß und dunkel und vorstehend sind, und er denkt sich gar nichts dabei,
daß sie so brennen.

(Fortsetzung folgt)


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Von links, bis sie es bewältigt und sich einverleibt hatte und wieder wie vorher als
Beherrscherin der Lage auf ihrem Posten stehen konnte. Die Franzi war nicht
gelehrt, aber gescheit, und sie sprach nichts, ohne daß sie sich etwas dabei
dachte.

Fräulein Bernarz kam wieder herein. Lieber Kerl, lieber! sagte sie vor
sich hin.

Das ist wohl einer von den soliden Herren? fragte das Mädchen auf¬
merksam.

Gott verzeih dirs. Franzi, was dn da redest! Der Sedini ein solider Herr!
Aber wohnen thut er doch bei dir?

Freilich wohnt er bei mir, und ein eigner Sohn könnte mir nicht lieber
sein. Er nennt mich auch Mutter Bernarz, oder sein Mutterl — seine beste
Freundin bin ich.

Und zahlen thut er auch?

Wie soll er denn zahlen, er hat ja nichts! Heißt das, sein Vater ist reich.
Aber weil er nicht Metzger hat bleiben wollen, so giebt er ihm nichts. Aber
die Kunsthändler sind ganz wild nach seinen Bildern. Später, wenn er eins
fertig hat, dann zahlt er mir alles auf einmal, oder nachher, wenn der Vater
stirbt. Heißt das, wenn er ihn nicht enterbe. Aber er wird schon noch gescheit
werden, der Alte. Ich denk immer: der wird schaun, wenn ers gewahr wird,
daß sein Sohn der berühmte Simon Janko ist! Der wird schaun!

Keck ist er mit dir, Base!

Fräulein Bernarz kicherte: Gelt, und was er so sagt, ist immer wie eine
Liebkosung!

Mir ists nicht vorgekommen wie eine Liebkosung, aber lachen hab ich freilich
müssen, sagte Franzi nach einem Weilchen.

Ach geh, du wärst froh, wenn er dich nur anschaun möchte!

Das hat er gerade genug gethan!

Franzi sagte das ruhig. An Huldigungen war sie gewöhnt, und sie
hatte einen scharfen Gradmesser, um zwischen Dreistigkeit und Bewunderung zu
unterscheiden. Diesmal wurde ihr aber das Urteil schwer, denn in der Mischung,
die dieser Ungar von beiden hatte, war Wärme, und sie wußte nicht, welcher
Eindruck der wahre war. Vielleicht beide? Aber auf welche von ihren Eigen¬
schaften konnte die Bewunderung gehen? Daß ihr Vater Geld hatte, wußte er
nicht. Und schön? Das mußten doch die aus der Stadt viel mehr sein, die
neben ihr wie Mondschein wirkten. Vielleicht weiß ers gar nicht, daß er so
daherschaut. meinte sie zuletzt. Seine Augen werden dran schuld sein, weil
sie so groß und dunkel und vorstehend sind, und er denkt sich gar nichts dabei,
daß sie so brennen.

(Fortsetzung folgt)


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/55>, abgerufen am 22.12.2024.