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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Auf der Hohen Salzburg

Bischöfe zu bezahlen. Was half ihnen die Frucht ihres Ackers, deren goldner
Segen allen Erdgebornen blinken soll? Sie hungerten. Und wenn ein Bauer
starb, mußte er in Sorge dahinscheiden, ob nicht Seine fürstliche Gnaden der
Herr Erzbischof der Witwe und den unmündigen Waisen das ererbte Gut ein¬
fach wegnehmen würde; denn so geschah es häufig. Von Zeit zu Zeit machte
sich die grimme Not der Gedruckten in einem kleinen Aufstande Luft. Dann
wurde Kriegsvolk herbeigerufen, und die Empörer wurden gespießt, gerädert,
gevierteilt: von Rechts wegen. Denn die Unterthanen waren immer schuldig,
die Zechen der großen Herren zu zahlen.

Während der Negierung des Herrn Mathäus Lang hatte sich nun
freilich ein bischen viel Verzweiflung und Haß angehäuft, und es sah hier
bedrohlich genug aus, als im Jahre 1525 in den deutschen Landen der
Aufstand der Bauern raste. Unter anderm hatte man es dem guten geist¬
lichen Herrn übelgenommen, daß er an einem schönen Frühlingsmorgen
zwischen sechs und sieben Uhr hinter seinem Schlosse, wo eine Stiege in die
taufrische Abtswiese sührt, zwei junge Bauern in aller Stille enthauptet hatte.
Und er war doch ganz in seinem Rechte, der arme Erzbischof! Denn die beiden
Bauern hatten einen Priester befreit, den der Hochfürstliche Kardinal auf ein
Pferd hatte binden lassen, um ihn sür den Rest seiner Erdentage in den Faul-
turm zu Mittersill zu werfen. Und das hatte der böse Priester wohl verdient,
denn er hatte lutherisch gepredigt. Sogar in der Stadt Salzburg war die
ehrsame Bürgerschaft der vielen Willkür und Gewaltthat der fürstlichen Gnaden
so überdrüssig, daß sie es offen mit den aufständischen Bauern hielt. Da
erweichte sich der große Kardinal und sandte Botschaft an die Bauern, die im
Felde hielten, daß sie ihm etwaige Beschwerden vertrauensvoll unterbreiten
sollten; er wollte ihnen, soweit sie begründet wären, sein landesväterliches
Herz weit öffnen. Als weiser Mann hielt er aber zwei Eisen im Feuer, hatte
zu rechter Zeit Stadt und Land mit schwerem "Umgeld" geschätzt, und als er
genug Geld beisammen hatte, ein Fähnlein von fünfhundert Mann geworben,
das er in der Stadt Salzburg unterbrachte. Da sich nun die gottlosen
Bauern bei seinen schönen Worten nicht beruhigten, zog er diese Söldner in
seine Burg und saß hier wie ein Adler auf hohem Felsenneste, während
ringsum der Aufruhr tobte. Aus dieser Zeit stammt die Spur der Stein¬
kugel in einer Säule des Prunksaales. Er wurde uach drei Monaten des
Aufruhrs Herr, mit Hilfe des schwäbischen Bundes und des Erzherzogs Fer¬
dinand, der damals von Innsbruck aus verkündete, man solle "gegen alle
Hauptleute und Rädelsführer, wo die ankommen oder betreten werden, mit
Spießen, Schinder, Vierteilen und aller grausamen Straf handeln und ver¬
fahren," nicht ohne daß er mehrere Zugeständnisse machen mußte, die er nachher
nicht hielt. Inzwischen war ihm auch schon eine kleine Treulosigkeit unter¬
gelaufen: er hatte um einen Waffenstillstand gebeten, den ihm die dummen


Auf der Hohen Salzburg

Bischöfe zu bezahlen. Was half ihnen die Frucht ihres Ackers, deren goldner
Segen allen Erdgebornen blinken soll? Sie hungerten. Und wenn ein Bauer
starb, mußte er in Sorge dahinscheiden, ob nicht Seine fürstliche Gnaden der
Herr Erzbischof der Witwe und den unmündigen Waisen das ererbte Gut ein¬
fach wegnehmen würde; denn so geschah es häufig. Von Zeit zu Zeit machte
sich die grimme Not der Gedruckten in einem kleinen Aufstande Luft. Dann
wurde Kriegsvolk herbeigerufen, und die Empörer wurden gespießt, gerädert,
gevierteilt: von Rechts wegen. Denn die Unterthanen waren immer schuldig,
die Zechen der großen Herren zu zahlen.

Während der Negierung des Herrn Mathäus Lang hatte sich nun
freilich ein bischen viel Verzweiflung und Haß angehäuft, und es sah hier
bedrohlich genug aus, als im Jahre 1525 in den deutschen Landen der
Aufstand der Bauern raste. Unter anderm hatte man es dem guten geist¬
lichen Herrn übelgenommen, daß er an einem schönen Frühlingsmorgen
zwischen sechs und sieben Uhr hinter seinem Schlosse, wo eine Stiege in die
taufrische Abtswiese sührt, zwei junge Bauern in aller Stille enthauptet hatte.
Und er war doch ganz in seinem Rechte, der arme Erzbischof! Denn die beiden
Bauern hatten einen Priester befreit, den der Hochfürstliche Kardinal auf ein
Pferd hatte binden lassen, um ihn sür den Rest seiner Erdentage in den Faul-
turm zu Mittersill zu werfen. Und das hatte der böse Priester wohl verdient,
denn er hatte lutherisch gepredigt. Sogar in der Stadt Salzburg war die
ehrsame Bürgerschaft der vielen Willkür und Gewaltthat der fürstlichen Gnaden
so überdrüssig, daß sie es offen mit den aufständischen Bauern hielt. Da
erweichte sich der große Kardinal und sandte Botschaft an die Bauern, die im
Felde hielten, daß sie ihm etwaige Beschwerden vertrauensvoll unterbreiten
sollten; er wollte ihnen, soweit sie begründet wären, sein landesväterliches
Herz weit öffnen. Als weiser Mann hielt er aber zwei Eisen im Feuer, hatte
zu rechter Zeit Stadt und Land mit schwerem „Umgeld" geschätzt, und als er
genug Geld beisammen hatte, ein Fähnlein von fünfhundert Mann geworben,
das er in der Stadt Salzburg unterbrachte. Da sich nun die gottlosen
Bauern bei seinen schönen Worten nicht beruhigten, zog er diese Söldner in
seine Burg und saß hier wie ein Adler auf hohem Felsenneste, während
ringsum der Aufruhr tobte. Aus dieser Zeit stammt die Spur der Stein¬
kugel in einer Säule des Prunksaales. Er wurde uach drei Monaten des
Aufruhrs Herr, mit Hilfe des schwäbischen Bundes und des Erzherzogs Fer¬
dinand, der damals von Innsbruck aus verkündete, man solle „gegen alle
Hauptleute und Rädelsführer, wo die ankommen oder betreten werden, mit
Spießen, Schinder, Vierteilen und aller grausamen Straf handeln und ver¬
fahren," nicht ohne daß er mehrere Zugeständnisse machen mußte, die er nachher
nicht hielt. Inzwischen war ihm auch schon eine kleine Treulosigkeit unter¬
gelaufen: er hatte um einen Waffenstillstand gebeten, den ihm die dummen


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[0471] Auf der Hohen Salzburg Bischöfe zu bezahlen. Was half ihnen die Frucht ihres Ackers, deren goldner Segen allen Erdgebornen blinken soll? Sie hungerten. Und wenn ein Bauer starb, mußte er in Sorge dahinscheiden, ob nicht Seine fürstliche Gnaden der Herr Erzbischof der Witwe und den unmündigen Waisen das ererbte Gut ein¬ fach wegnehmen würde; denn so geschah es häufig. Von Zeit zu Zeit machte sich die grimme Not der Gedruckten in einem kleinen Aufstande Luft. Dann wurde Kriegsvolk herbeigerufen, und die Empörer wurden gespießt, gerädert, gevierteilt: von Rechts wegen. Denn die Unterthanen waren immer schuldig, die Zechen der großen Herren zu zahlen. Während der Negierung des Herrn Mathäus Lang hatte sich nun freilich ein bischen viel Verzweiflung und Haß angehäuft, und es sah hier bedrohlich genug aus, als im Jahre 1525 in den deutschen Landen der Aufstand der Bauern raste. Unter anderm hatte man es dem guten geist¬ lichen Herrn übelgenommen, daß er an einem schönen Frühlingsmorgen zwischen sechs und sieben Uhr hinter seinem Schlosse, wo eine Stiege in die taufrische Abtswiese sührt, zwei junge Bauern in aller Stille enthauptet hatte. Und er war doch ganz in seinem Rechte, der arme Erzbischof! Denn die beiden Bauern hatten einen Priester befreit, den der Hochfürstliche Kardinal auf ein Pferd hatte binden lassen, um ihn sür den Rest seiner Erdentage in den Faul- turm zu Mittersill zu werfen. Und das hatte der böse Priester wohl verdient, denn er hatte lutherisch gepredigt. Sogar in der Stadt Salzburg war die ehrsame Bürgerschaft der vielen Willkür und Gewaltthat der fürstlichen Gnaden so überdrüssig, daß sie es offen mit den aufständischen Bauern hielt. Da erweichte sich der große Kardinal und sandte Botschaft an die Bauern, die im Felde hielten, daß sie ihm etwaige Beschwerden vertrauensvoll unterbreiten sollten; er wollte ihnen, soweit sie begründet wären, sein landesväterliches Herz weit öffnen. Als weiser Mann hielt er aber zwei Eisen im Feuer, hatte zu rechter Zeit Stadt und Land mit schwerem „Umgeld" geschätzt, und als er genug Geld beisammen hatte, ein Fähnlein von fünfhundert Mann geworben, das er in der Stadt Salzburg unterbrachte. Da sich nun die gottlosen Bauern bei seinen schönen Worten nicht beruhigten, zog er diese Söldner in seine Burg und saß hier wie ein Adler auf hohem Felsenneste, während ringsum der Aufruhr tobte. Aus dieser Zeit stammt die Spur der Stein¬ kugel in einer Säule des Prunksaales. Er wurde uach drei Monaten des Aufruhrs Herr, mit Hilfe des schwäbischen Bundes und des Erzherzogs Fer¬ dinand, der damals von Innsbruck aus verkündete, man solle „gegen alle Hauptleute und Rädelsführer, wo die ankommen oder betreten werden, mit Spießen, Schinder, Vierteilen und aller grausamen Straf handeln und ver¬ fahren," nicht ohne daß er mehrere Zugeständnisse machen mußte, die er nachher nicht hielt. Inzwischen war ihm auch schon eine kleine Treulosigkeit unter¬ gelaufen: er hatte um einen Waffenstillstand gebeten, den ihm die dummen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/471>, abgerufen am 22.12.2024.