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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Stehendes Heer und Miliz

Dies waren etwa die Gründe, die Liebknecht ins Treffen führte. Im
nachstehenden wollen wir versuchen, seine Behauptungen etwas näher zu be¬
leuchten.

Vor etwa zwei Jahren standen ein paar Aufsätze unter der gleichlautenden
Überschrift: "Etwas vom Musterheere der Sozialdemokraten," der eine in
den Preußischen Jahrbüchern (September 1893, S. 385 ff.), der andre in der
Allgemeinen Zeitung (Morgenblatt vom 3. November 1893), die sich beide
eingehend und auf amtliche Quellen gestützt mit der Frage des schweizerischen
Milizheeres befaßten. Da in beiden Aufsätzen auf Äußerungen und Veröffent¬
lichungen Liebknechts besonders Bezug genommen ist, so ist es bedauerlich, daß
er von diesen Berichtigungen seiner immer wiederkehrenden Empfehlung der
schweizerischen Militärverhältnisse anscheinend nicht Kenntnis genommen hat,
ehe er in diesem Jahre seinen Antrag erneut empfohlen hat.

In beiden erwähnten Aufsätzen ist schon darauf hingewiesen, daß es ganz
irrtümlich ist, wenn man die im Militäretat der Eidgenossenschaft veröffent¬
lichten Zahlen als die Summe dessen annimmt, was für das Militärwesen aus¬
gegeben wird; es giebt zahlreiche Ausgaben für militärische Zwecke, die im
eidgenössischen Budget in andern Etats als im Militäretat erscheinen, während
sie im deutschen Budget ausnahmslos zu diesem gerechnet werden. Für das
cxZahr 1892 z. B. wurden von der Eidgenossenschaft für militärischeLwecke ge¬
fordert--einschließlich zweier Nachkredite --: 54359738 Franks, von denen
etwa 15 bis 16 Millionen als außerordentliche Ausgaben zu betrachten wären,
und hiervon wurden 50600000 Franks wirklich ausgegeben. Dies betrügt für
den Kopf der Bevölkerung von drei Millionen Einwohnern nach dem Budget
über 18 Franks und uach den wirklich geleisteten Ausgaben 16 bis 17 Franks,
während in Deutschland etwa 12 bis 13 Franks auf den Kopf der Bevölkerung
kommen.*)

Aber nicht genug damit: die sozialdemokratischen Redner übergehen auch
stets geflissentlich zwei wichtige Posten, auf die namentlich in dem Artikel der
Allgemeinen Zeitung hingewiesen wurde: erstens die kantonalen Ausgaben für
Militärzwecke, die teils in Varausgaben, teils in Zinsverlusten -- Beschaffung
und Unterhaltung von Militärgebünden, Übungsplätzen u. f. w. -- bestehen,
und die Beträge der Militärpflichtersatzsteuer, die in der Schweiz sehr hoch



Für das Jahr 1393 betrugen nach dem Gothaischen Kalender die Ausgaben für das
eidgenössische Heer 32 320 076 Franks. Es fehlen aber hier die in frühern Jahren ganz
"adlig angeführten Ausgaben für militärische Anstalten (Pulververwaltung, Pferderegieanstalt,
Konstrnktionswerkstatte, Munitionsfabrik,Waffensabrik), die für dasJahr 1893 16493S47Franks
betrugen, fodnß sich das Gesamtbudget auf 46831831 Franks belief. Thatsächlich ausgegeben
wurden 48813622 Franks. Für das Jahr 1894 betrugen nach der eidgenössischen Staats¬
rechnung die wirklich geleisteten Ausgaben für die Heeresverwaltung 24730826 Franks und
für die militärischen Anstalten außerdem 8460942 Franks, also zusammen 33241770 Franks.
Stehendes Heer und Miliz

Dies waren etwa die Gründe, die Liebknecht ins Treffen führte. Im
nachstehenden wollen wir versuchen, seine Behauptungen etwas näher zu be¬
leuchten.

Vor etwa zwei Jahren standen ein paar Aufsätze unter der gleichlautenden
Überschrift: „Etwas vom Musterheere der Sozialdemokraten," der eine in
den Preußischen Jahrbüchern (September 1893, S. 385 ff.), der andre in der
Allgemeinen Zeitung (Morgenblatt vom 3. November 1893), die sich beide
eingehend und auf amtliche Quellen gestützt mit der Frage des schweizerischen
Milizheeres befaßten. Da in beiden Aufsätzen auf Äußerungen und Veröffent¬
lichungen Liebknechts besonders Bezug genommen ist, so ist es bedauerlich, daß
er von diesen Berichtigungen seiner immer wiederkehrenden Empfehlung der
schweizerischen Militärverhältnisse anscheinend nicht Kenntnis genommen hat,
ehe er in diesem Jahre seinen Antrag erneut empfohlen hat.

In beiden erwähnten Aufsätzen ist schon darauf hingewiesen, daß es ganz
irrtümlich ist, wenn man die im Militäretat der Eidgenossenschaft veröffent¬
lichten Zahlen als die Summe dessen annimmt, was für das Militärwesen aus¬
gegeben wird; es giebt zahlreiche Ausgaben für militärische Zwecke, die im
eidgenössischen Budget in andern Etats als im Militäretat erscheinen, während
sie im deutschen Budget ausnahmslos zu diesem gerechnet werden. Für das
cxZahr 1892 z. B. wurden von der Eidgenossenschaft für militärischeLwecke ge¬
fordert—einschließlich zweier Nachkredite —: 54359738 Franks, von denen
etwa 15 bis 16 Millionen als außerordentliche Ausgaben zu betrachten wären,
und hiervon wurden 50600000 Franks wirklich ausgegeben. Dies betrügt für
den Kopf der Bevölkerung von drei Millionen Einwohnern nach dem Budget
über 18 Franks und uach den wirklich geleisteten Ausgaben 16 bis 17 Franks,
während in Deutschland etwa 12 bis 13 Franks auf den Kopf der Bevölkerung
kommen.*)

Aber nicht genug damit: die sozialdemokratischen Redner übergehen auch
stets geflissentlich zwei wichtige Posten, auf die namentlich in dem Artikel der
Allgemeinen Zeitung hingewiesen wurde: erstens die kantonalen Ausgaben für
Militärzwecke, die teils in Varausgaben, teils in Zinsverlusten — Beschaffung
und Unterhaltung von Militärgebünden, Übungsplätzen u. f. w. — bestehen,
und die Beträge der Militärpflichtersatzsteuer, die in der Schweiz sehr hoch



Für das Jahr 1393 betrugen nach dem Gothaischen Kalender die Ausgaben für das
eidgenössische Heer 32 320 076 Franks. Es fehlen aber hier die in frühern Jahren ganz
"adlig angeführten Ausgaben für militärische Anstalten (Pulververwaltung, Pferderegieanstalt,
Konstrnktionswerkstatte, Munitionsfabrik,Waffensabrik), die für dasJahr 1893 16493S47Franks
betrugen, fodnß sich das Gesamtbudget auf 46831831 Franks belief. Thatsächlich ausgegeben
wurden 48813622 Franks. Für das Jahr 1894 betrugen nach der eidgenössischen Staats¬
rechnung die wirklich geleisteten Ausgaben für die Heeresverwaltung 24730826 Franks und
für die militärischen Anstalten außerdem 8460942 Franks, also zusammen 33241770 Franks.
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[0451] Stehendes Heer und Miliz Dies waren etwa die Gründe, die Liebknecht ins Treffen führte. Im nachstehenden wollen wir versuchen, seine Behauptungen etwas näher zu be¬ leuchten. Vor etwa zwei Jahren standen ein paar Aufsätze unter der gleichlautenden Überschrift: „Etwas vom Musterheere der Sozialdemokraten," der eine in den Preußischen Jahrbüchern (September 1893, S. 385 ff.), der andre in der Allgemeinen Zeitung (Morgenblatt vom 3. November 1893), die sich beide eingehend und auf amtliche Quellen gestützt mit der Frage des schweizerischen Milizheeres befaßten. Da in beiden Aufsätzen auf Äußerungen und Veröffent¬ lichungen Liebknechts besonders Bezug genommen ist, so ist es bedauerlich, daß er von diesen Berichtigungen seiner immer wiederkehrenden Empfehlung der schweizerischen Militärverhältnisse anscheinend nicht Kenntnis genommen hat, ehe er in diesem Jahre seinen Antrag erneut empfohlen hat. In beiden erwähnten Aufsätzen ist schon darauf hingewiesen, daß es ganz irrtümlich ist, wenn man die im Militäretat der Eidgenossenschaft veröffent¬ lichten Zahlen als die Summe dessen annimmt, was für das Militärwesen aus¬ gegeben wird; es giebt zahlreiche Ausgaben für militärische Zwecke, die im eidgenössischen Budget in andern Etats als im Militäretat erscheinen, während sie im deutschen Budget ausnahmslos zu diesem gerechnet werden. Für das cxZahr 1892 z. B. wurden von der Eidgenossenschaft für militärischeLwecke ge¬ fordert—einschließlich zweier Nachkredite —: 54359738 Franks, von denen etwa 15 bis 16 Millionen als außerordentliche Ausgaben zu betrachten wären, und hiervon wurden 50600000 Franks wirklich ausgegeben. Dies betrügt für den Kopf der Bevölkerung von drei Millionen Einwohnern nach dem Budget über 18 Franks und uach den wirklich geleisteten Ausgaben 16 bis 17 Franks, während in Deutschland etwa 12 bis 13 Franks auf den Kopf der Bevölkerung kommen.*) Aber nicht genug damit: die sozialdemokratischen Redner übergehen auch stets geflissentlich zwei wichtige Posten, auf die namentlich in dem Artikel der Allgemeinen Zeitung hingewiesen wurde: erstens die kantonalen Ausgaben für Militärzwecke, die teils in Varausgaben, teils in Zinsverlusten — Beschaffung und Unterhaltung von Militärgebünden, Übungsplätzen u. f. w. — bestehen, und die Beträge der Militärpflichtersatzsteuer, die in der Schweiz sehr hoch Für das Jahr 1393 betrugen nach dem Gothaischen Kalender die Ausgaben für das eidgenössische Heer 32 320 076 Franks. Es fehlen aber hier die in frühern Jahren ganz "adlig angeführten Ausgaben für militärische Anstalten (Pulververwaltung, Pferderegieanstalt, Konstrnktionswerkstatte, Munitionsfabrik,Waffensabrik), die für dasJahr 1893 16493S47Franks betrugen, fodnß sich das Gesamtbudget auf 46831831 Franks belief. Thatsächlich ausgegeben wurden 48813622 Franks. Für das Jahr 1894 betrugen nach der eidgenössischen Staats¬ rechnung die wirklich geleisteten Ausgaben für die Heeresverwaltung 24730826 Franks und für die militärischen Anstalten außerdem 8460942 Franks, also zusammen 33241770 Franks.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/451>, abgerufen am 26.08.2024.