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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

werden. Und das Haus, das ganze Haus, wo in allen Stuben die Lichter
brannten, und das man nun zusammen ansehen wollte, das man ihr feierlich
übergeben wollte! Und um ging sie abgespannt ihrer Wege, wie jemand, der
auf vier Wochen zu Besuch gekommen ist.

Hans ging schnell zur Thür.

Ich will Mamselling Bescheid sagen, antwortete er über die Achsel zurück,
auf Fritzens erstauntes Nun? Als er gleich darauf wieder ins Zimmer kam,
waren die beiden schon im Begriff zu gehen. Ernst und steif verabschiedete
er sich von Margarete.

Ich begleite dich hinauf, sagte Fritz, und zeige dir den Weg zur Schlaf¬
stube. Du wartest auf mich, Hans; wir haben noch einiges zu besprechen.

(Fortsehuna folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Auf Wiedersehn.

Gott sei Dank! werden dem scheidenden Reichstage die
Herren nachrufen, die über schwarzen Plänen brüten, wir aber sagen: Auf Wieder-
sehn! Die Politik ist kein angenehmes Geschäft, aber in der reichstagslosen Zeit
wird sie außerdem auch noch unheimlich. Denn es geht in den obern Regionen
immer allerlei vor, "man weiß nur nicht was," bloß so viel weiß jedermann, daß
die untern und mittlern Schichten die Kosten von dem zu bezahlen haben, was
beschlossen wird. Ist nun der Reichstag beisammen, so kommt das beschlossene
heraus, und es hört wenigstens die Beunruhigung durch gespenstische Ahnungen auf.

Daß es Leute giebt, die gern ohne Volksvertretung herrschen mochten, ver¬
steht man ganz gut; was aber diese selben Leute, solange sie den Staatsstreich
noch nicht wagen, gerade an dem jetzigen Reichstage auszusetzen haben, das errate,
wer kann. Etwa daß er nicht genug Gesetze "fertigstellt"? Aber alle Welt, die
konservative Welt am meisten, schimpft ja schon seit Jahren über die ewige Gesetz-
macherei, und auch in den Grenzboten hat ein Mitarbeiter vorm Jahre einmal
den Wunsch ausgesprochen, wer ein neues Gesetz vorschlagen wolle, der solle es,
wie Dikaiopolis in den Acharnern, nur mit dem Kopf auf dem Richtklotz thun
dürfen. Oder daß er nicht die richtigen Gesetze mache? Was soll er denn im
Sinne der Staatsstreichler schöneres und richtigeres machen als agrarische Zucker¬
und Spiritussteuernovellen? Auch das "reichsfeindliche" Zentrum ist in allen
solchen Sachen hilfreich und eifrig dabei und stets bereit, Schutzzölle, Liebesgaben,
Hemmungen des Gewerbebetriebs, Freiheitsbeschränkungen und was es sonst frommes,
konservatives und staatserhaltendes giebt, zu bewilligen. Beim jetzigen Spiritus¬
steuergesetz hat es sogar eine Opferwilligkeit bewiesen, die aus Harikiri grenzt.
Am 13. Mai kam die Germania auf Grund einer genauen und völlig über-
zeugenden Rechnung, die von niemand angefochten worden ist, zu dem Schluß:
"Man darf, ohne zu übertreiben, behaupten, daß das Branntweinsteuergesetz eine
schwere Schädigung der Konsumenten, einen gewaltigen Borten für die fmeist in


Maßgebliches und Unmaßgebliches

werden. Und das Haus, das ganze Haus, wo in allen Stuben die Lichter
brannten, und das man nun zusammen ansehen wollte, das man ihr feierlich
übergeben wollte! Und um ging sie abgespannt ihrer Wege, wie jemand, der
auf vier Wochen zu Besuch gekommen ist.

Hans ging schnell zur Thür.

Ich will Mamselling Bescheid sagen, antwortete er über die Achsel zurück,
auf Fritzens erstauntes Nun? Als er gleich darauf wieder ins Zimmer kam,
waren die beiden schon im Begriff zu gehen. Ernst und steif verabschiedete
er sich von Margarete.

Ich begleite dich hinauf, sagte Fritz, und zeige dir den Weg zur Schlaf¬
stube. Du wartest auf mich, Hans; wir haben noch einiges zu besprechen.

(Fortsehuna folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Auf Wiedersehn.

Gott sei Dank! werden dem scheidenden Reichstage die
Herren nachrufen, die über schwarzen Plänen brüten, wir aber sagen: Auf Wieder-
sehn! Die Politik ist kein angenehmes Geschäft, aber in der reichstagslosen Zeit
wird sie außerdem auch noch unheimlich. Denn es geht in den obern Regionen
immer allerlei vor, „man weiß nur nicht was," bloß so viel weiß jedermann, daß
die untern und mittlern Schichten die Kosten von dem zu bezahlen haben, was
beschlossen wird. Ist nun der Reichstag beisammen, so kommt das beschlossene
heraus, und es hört wenigstens die Beunruhigung durch gespenstische Ahnungen auf.

Daß es Leute giebt, die gern ohne Volksvertretung herrschen mochten, ver¬
steht man ganz gut; was aber diese selben Leute, solange sie den Staatsstreich
noch nicht wagen, gerade an dem jetzigen Reichstage auszusetzen haben, das errate,
wer kann. Etwa daß er nicht genug Gesetze „fertigstellt"? Aber alle Welt, die
konservative Welt am meisten, schimpft ja schon seit Jahren über die ewige Gesetz-
macherei, und auch in den Grenzboten hat ein Mitarbeiter vorm Jahre einmal
den Wunsch ausgesprochen, wer ein neues Gesetz vorschlagen wolle, der solle es,
wie Dikaiopolis in den Acharnern, nur mit dem Kopf auf dem Richtklotz thun
dürfen. Oder daß er nicht die richtigen Gesetze mache? Was soll er denn im
Sinne der Staatsstreichler schöneres und richtigeres machen als agrarische Zucker¬
und Spiritussteuernovellen? Auch das „reichsfeindliche" Zentrum ist in allen
solchen Sachen hilfreich und eifrig dabei und stets bereit, Schutzzölle, Liebesgaben,
Hemmungen des Gewerbebetriebs, Freiheitsbeschränkungen und was es sonst frommes,
konservatives und staatserhaltendes giebt, zu bewilligen. Beim jetzigen Spiritus¬
steuergesetz hat es sogar eine Opferwilligkeit bewiesen, die aus Harikiri grenzt.
Am 13. Mai kam die Germania auf Grund einer genauen und völlig über-
zeugenden Rechnung, die von niemand angefochten worden ist, zu dem Schluß:
»Man darf, ohne zu übertreiben, behaupten, daß das Branntweinsteuergesetz eine
schwere Schädigung der Konsumenten, einen gewaltigen Borten für die fmeist in


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[0444] Maßgebliches und Unmaßgebliches werden. Und das Haus, das ganze Haus, wo in allen Stuben die Lichter brannten, und das man nun zusammen ansehen wollte, das man ihr feierlich übergeben wollte! Und um ging sie abgespannt ihrer Wege, wie jemand, der auf vier Wochen zu Besuch gekommen ist. Hans ging schnell zur Thür. Ich will Mamselling Bescheid sagen, antwortete er über die Achsel zurück, auf Fritzens erstauntes Nun? Als er gleich darauf wieder ins Zimmer kam, waren die beiden schon im Begriff zu gehen. Ernst und steif verabschiedete er sich von Margarete. Ich begleite dich hinauf, sagte Fritz, und zeige dir den Weg zur Schlaf¬ stube. Du wartest auf mich, Hans; wir haben noch einiges zu besprechen. (Fortsehuna folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Auf Wiedersehn. Gott sei Dank! werden dem scheidenden Reichstage die Herren nachrufen, die über schwarzen Plänen brüten, wir aber sagen: Auf Wieder- sehn! Die Politik ist kein angenehmes Geschäft, aber in der reichstagslosen Zeit wird sie außerdem auch noch unheimlich. Denn es geht in den obern Regionen immer allerlei vor, „man weiß nur nicht was," bloß so viel weiß jedermann, daß die untern und mittlern Schichten die Kosten von dem zu bezahlen haben, was beschlossen wird. Ist nun der Reichstag beisammen, so kommt das beschlossene heraus, und es hört wenigstens die Beunruhigung durch gespenstische Ahnungen auf. Daß es Leute giebt, die gern ohne Volksvertretung herrschen mochten, ver¬ steht man ganz gut; was aber diese selben Leute, solange sie den Staatsstreich noch nicht wagen, gerade an dem jetzigen Reichstage auszusetzen haben, das errate, wer kann. Etwa daß er nicht genug Gesetze „fertigstellt"? Aber alle Welt, die konservative Welt am meisten, schimpft ja schon seit Jahren über die ewige Gesetz- macherei, und auch in den Grenzboten hat ein Mitarbeiter vorm Jahre einmal den Wunsch ausgesprochen, wer ein neues Gesetz vorschlagen wolle, der solle es, wie Dikaiopolis in den Acharnern, nur mit dem Kopf auf dem Richtklotz thun dürfen. Oder daß er nicht die richtigen Gesetze mache? Was soll er denn im Sinne der Staatsstreichler schöneres und richtigeres machen als agrarische Zucker¬ und Spiritussteuernovellen? Auch das „reichsfeindliche" Zentrum ist in allen solchen Sachen hilfreich und eifrig dabei und stets bereit, Schutzzölle, Liebesgaben, Hemmungen des Gewerbebetriebs, Freiheitsbeschränkungen und was es sonst frommes, konservatives und staatserhaltendes giebt, zu bewilligen. Beim jetzigen Spiritus¬ steuergesetz hat es sogar eine Opferwilligkeit bewiesen, die aus Harikiri grenzt. Am 13. Mai kam die Germania auf Grund einer genauen und völlig über- zeugenden Rechnung, die von niemand angefochten worden ist, zu dem Schluß: »Man darf, ohne zu übertreiben, behaupten, daß das Branntweinsteuergesetz eine schwere Schädigung der Konsumenten, einen gewaltigen Borten für die fmeist in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/444>, abgerufen am 25.08.2024.