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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Wohlergehen und die Gesundheit der ihm anvertrauten Jünglinge und seine
Sorge dafür, daß die später sehr beträchtlichen Ausgaben und Kosten des
Ephebenjahrs wenigstens teilweise von den Wohlhabender" unter ihnen ge¬
tragen und die weniger Bemittelten dadurch entlastet wurden. Ließen sich
die Epheben Verstöße gegen die Zucht oder Versäumnisse in den Leistungen
zu schulde" kommen, so hatten sie Geldstrafen zu bezahlen; in einer Inschrift
aus römischer Zeit wird der Kosack gepriesen, weil er es durchgesetzt hatte,
daß diese Strafgelder, statt an die in jener Zeit stets leere Staatskasse ab¬
geführt zu werden, im Interesse der Epheben selbst verwendet wurden. Ver¬
wehrt war es den jungen Leuten während der Ephebcnzeit ins Ausland zu
reisen; waren sie dort, so hatten sie mit Beginn des Ephebenalters in die
Heimat zurückzukehren.

Aus allem Gesagten wird wohl eins klar und deutlich geworden sein:
daß die athenischen und dann überhaupt die hellenische" Knaben eine wahrhaft
volkstümliche Erziehung genossen haben. Diese Erziehung hat sie, wie die
Geschichte von Hellas lehrt, in den Stand gesetzt, im Krieg wie im Frieden
ihrem Vaterlande als opferwillige Bürger und todesmutige Krieger zu dienen,
ein offnes Auge für alles, was schön und edel ist. zu zeigen, einen aufkündigen
und heitern Lebensgenuß, wie ihn Gesundheit und körperliche Rüstigkeit er¬
möglichen, zu schätzen und auf allen Gebieten menschlichen Wissens und
geistiger Arbeit die Bahnbrecher für künftige Geschlechter zu werden. Das
wird aber jederzeit das Ziel aller erzieherischen Thätigkeit bilden, wenn auch
über die Wege, dahin zu gelangen, immer abweichende Meinungen herrschen
werden. Wer ein warmes Herz für unsre deutsche Jugend hat -- und wer
Hütte es nicht! --, wird sicherlich wünschen, daß auch die jungen Deutschen
so erzogen werden möchten, daß körperliche und geistige Tüchtigkeit sie gleich¬
mäßig befähige, sich den Aufgaben gewachsen zu zeigen, die das Vaterland
einst an sie stellen wird und muß.




Die Auffindung der Gebeine Johann Sebastian Bachs

is vorigen Herbst die alte Johanniskirche in Leipzig abgebrochen
wurde, um einem Neubau Platz zu machen, und dabei das alte
Gräberfeld, das die Kirche umgiebt, zum Teil mit aufgegraben
wurde, entstand die Frage, ob man nicht bei dieser Gelegenheit
einmal ernstlich nach der Grabstätte Bachs forschen solle. Eine
gebliche, leider nicht glaubwürdig vertretne Tradition bezeichnete eine Stelle


Wohlergehen und die Gesundheit der ihm anvertrauten Jünglinge und seine
Sorge dafür, daß die später sehr beträchtlichen Ausgaben und Kosten des
Ephebenjahrs wenigstens teilweise von den Wohlhabender» unter ihnen ge¬
tragen und die weniger Bemittelten dadurch entlastet wurden. Ließen sich
die Epheben Verstöße gegen die Zucht oder Versäumnisse in den Leistungen
zu schulde« kommen, so hatten sie Geldstrafen zu bezahlen; in einer Inschrift
aus römischer Zeit wird der Kosack gepriesen, weil er es durchgesetzt hatte,
daß diese Strafgelder, statt an die in jener Zeit stets leere Staatskasse ab¬
geführt zu werden, im Interesse der Epheben selbst verwendet wurden. Ver¬
wehrt war es den jungen Leuten während der Ephebcnzeit ins Ausland zu
reisen; waren sie dort, so hatten sie mit Beginn des Ephebenalters in die
Heimat zurückzukehren.

Aus allem Gesagten wird wohl eins klar und deutlich geworden sein:
daß die athenischen und dann überhaupt die hellenische» Knaben eine wahrhaft
volkstümliche Erziehung genossen haben. Diese Erziehung hat sie, wie die
Geschichte von Hellas lehrt, in den Stand gesetzt, im Krieg wie im Frieden
ihrem Vaterlande als opferwillige Bürger und todesmutige Krieger zu dienen,
ein offnes Auge für alles, was schön und edel ist. zu zeigen, einen aufkündigen
und heitern Lebensgenuß, wie ihn Gesundheit und körperliche Rüstigkeit er¬
möglichen, zu schätzen und auf allen Gebieten menschlichen Wissens und
geistiger Arbeit die Bahnbrecher für künftige Geschlechter zu werden. Das
wird aber jederzeit das Ziel aller erzieherischen Thätigkeit bilden, wenn auch
über die Wege, dahin zu gelangen, immer abweichende Meinungen herrschen
werden. Wer ein warmes Herz für unsre deutsche Jugend hat — und wer
Hütte es nicht! —, wird sicherlich wünschen, daß auch die jungen Deutschen
so erzogen werden möchten, daß körperliche und geistige Tüchtigkeit sie gleich¬
mäßig befähige, sich den Aufgaben gewachsen zu zeigen, die das Vaterland
einst an sie stellen wird und muß.




Die Auffindung der Gebeine Johann Sebastian Bachs

is vorigen Herbst die alte Johanniskirche in Leipzig abgebrochen
wurde, um einem Neubau Platz zu machen, und dabei das alte
Gräberfeld, das die Kirche umgiebt, zum Teil mit aufgegraben
wurde, entstand die Frage, ob man nicht bei dieser Gelegenheit
einmal ernstlich nach der Grabstätte Bachs forschen solle. Eine
gebliche, leider nicht glaubwürdig vertretne Tradition bezeichnete eine Stelle


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[0423] Wohlergehen und die Gesundheit der ihm anvertrauten Jünglinge und seine Sorge dafür, daß die später sehr beträchtlichen Ausgaben und Kosten des Ephebenjahrs wenigstens teilweise von den Wohlhabender» unter ihnen ge¬ tragen und die weniger Bemittelten dadurch entlastet wurden. Ließen sich die Epheben Verstöße gegen die Zucht oder Versäumnisse in den Leistungen zu schulde« kommen, so hatten sie Geldstrafen zu bezahlen; in einer Inschrift aus römischer Zeit wird der Kosack gepriesen, weil er es durchgesetzt hatte, daß diese Strafgelder, statt an die in jener Zeit stets leere Staatskasse ab¬ geführt zu werden, im Interesse der Epheben selbst verwendet wurden. Ver¬ wehrt war es den jungen Leuten während der Ephebcnzeit ins Ausland zu reisen; waren sie dort, so hatten sie mit Beginn des Ephebenalters in die Heimat zurückzukehren. Aus allem Gesagten wird wohl eins klar und deutlich geworden sein: daß die athenischen und dann überhaupt die hellenische» Knaben eine wahrhaft volkstümliche Erziehung genossen haben. Diese Erziehung hat sie, wie die Geschichte von Hellas lehrt, in den Stand gesetzt, im Krieg wie im Frieden ihrem Vaterlande als opferwillige Bürger und todesmutige Krieger zu dienen, ein offnes Auge für alles, was schön und edel ist. zu zeigen, einen aufkündigen und heitern Lebensgenuß, wie ihn Gesundheit und körperliche Rüstigkeit er¬ möglichen, zu schätzen und auf allen Gebieten menschlichen Wissens und geistiger Arbeit die Bahnbrecher für künftige Geschlechter zu werden. Das wird aber jederzeit das Ziel aller erzieherischen Thätigkeit bilden, wenn auch über die Wege, dahin zu gelangen, immer abweichende Meinungen herrschen werden. Wer ein warmes Herz für unsre deutsche Jugend hat — und wer Hütte es nicht! —, wird sicherlich wünschen, daß auch die jungen Deutschen so erzogen werden möchten, daß körperliche und geistige Tüchtigkeit sie gleich¬ mäßig befähige, sich den Aufgaben gewachsen zu zeigen, die das Vaterland einst an sie stellen wird und muß. Die Auffindung der Gebeine Johann Sebastian Bachs is vorigen Herbst die alte Johanniskirche in Leipzig abgebrochen wurde, um einem Neubau Platz zu machen, und dabei das alte Gräberfeld, das die Kirche umgiebt, zum Teil mit aufgegraben wurde, entstand die Frage, ob man nicht bei dieser Gelegenheit einmal ernstlich nach der Grabstätte Bachs forschen solle. Eine gebliche, leider nicht glaubwürdig vertretne Tradition bezeichnete eine Stelle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/423>, abgerufen am 22.12.2024.