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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Knabenerziehung und Knabenunterricht im alten Hellas

vom Staate, durchstreifen das Land und garnisoniren in den festen Plätzen.
So thun sie beide Jahre Garnisondienst in der Chlamys und sind frei von
allen Abgaben. Sie können auch weder verklagen noch verklagt werden und
haben keinen Anteil am öffentlichen Leben, außer wenn einem ein in seiner
Familie erbliches Priesteramt zufällt. Nach Ablauf der zwei Jahre, also mit
dem vollendeten zwanzigsten Jahre, werden sie dann selbständig und treten in
den Besitz aller bürgerlichen Rechte. Damit ist natürlich die Zeit des Unter¬
richts auch für die wohlhabenden jungen Athener abgeschlossen, immerhin um
drei bis vier Jahre früher als bei unsern Studenten.

In dem Eide, den die Epheben wahrscheinlich nach Ablauf des ersten
Jahres unmittelbar vor der feierlichen Belehnung mit Schild und Lanze zu
leisten hatten, schwuren sie, die heiligen Waffen niemals zu schänden, das
Vaterland nicht kleiner zu hinterlassen, sondern größer und stärker, als sie es
überkommen hätten, der bestehenden Obrigkeit und den Gesetzen zu gehorchen,
sich allen Umsturzversuchen zu widersetzen und die vaterländische Religion in
Ehren zu halten. Wie die jungen Spartaner durch ihre gesetzlich vor-
geschriebnen heimlichen Streifzüge, x^?c,Le"t, so gewannen auch die attischen
Epheben, selbst noch während der Kaiserzeit, durch die in bestimmten Zeit¬
abständen uuter Führung ihres Kosacken unternommnen Auszüge und Strei¬
fereien nach der Grenze und im Lande herum eine genaue Kenntnis der Wege
und der Bodenbeschaffenheit ihres Heimatlandes. Der alljährliche gemeinsame
Besuch des marathvnischen Schlachtfeldes verbunden mit einem Opfer an dem
Massengrabs der in der Schlacht gefallenen Athener war dabei ebensowohl
geeignet, ihr patriotisches Gefühl zu wecken, als das ebenfalls alljährlich von
ihnen veranstaltete Seemanöver, das eine Nachahmung der Seeschlacht von
Salamis sein sollte und deshalb an der Stätte des Kampfes abgehalten wurde.
Aber auch sonst fehlte es nicht an Nuderwettfahrten und Regatten der Epheben,
besonders bei Gelegenheit des in Salamis gefeierten Ajasfestes (^"^re,.").
Selbst Schiffe ins Meer zu lassen und seeklar zu machen und wiederum sie
ans Land zu ziehen und abzutakeln, gehört zu den Fertigkeiten, um deret-
willen sie in spätern Inschriften gelobt werden. Welches Gewicht dabei darauf
gelegt wurde, daß die junge Schar ihren Lehrern und besonders dem Kosacken
willigen Gehorsam leistete, sich bei solchen Auszügen und Regatten ordnungs¬
liebend und gesittet betrug und besonders unter sich einträchtig und kamerad¬
schaftlich verkehrte, zeigen die dem Kosacken zuerst vom Rate und vom Volke,
später vom Rate allein darob gespendeten Lobsprüche und die Ehrengeschenke,
die von den Epheben selbst in Gestalt von Kränzen, Büsten, Statuen ihren
Leitern nach Ablauf der Ephebeuzeit dargebracht wurden. Auch daß der
Kosack den Vorlesungen bei den Grammatikern, Rhetoren und Philosophen,
zu deren Besuch die Epheben der spätern Zeit verpflichtet waren, selbst mit
beiwohnte , wird rühmend anerkannt, ebenso seine Fürsorge für das leibliche


Knabenerziehung und Knabenunterricht im alten Hellas

vom Staate, durchstreifen das Land und garnisoniren in den festen Plätzen.
So thun sie beide Jahre Garnisondienst in der Chlamys und sind frei von
allen Abgaben. Sie können auch weder verklagen noch verklagt werden und
haben keinen Anteil am öffentlichen Leben, außer wenn einem ein in seiner
Familie erbliches Priesteramt zufällt. Nach Ablauf der zwei Jahre, also mit
dem vollendeten zwanzigsten Jahre, werden sie dann selbständig und treten in
den Besitz aller bürgerlichen Rechte. Damit ist natürlich die Zeit des Unter¬
richts auch für die wohlhabenden jungen Athener abgeschlossen, immerhin um
drei bis vier Jahre früher als bei unsern Studenten.

In dem Eide, den die Epheben wahrscheinlich nach Ablauf des ersten
Jahres unmittelbar vor der feierlichen Belehnung mit Schild und Lanze zu
leisten hatten, schwuren sie, die heiligen Waffen niemals zu schänden, das
Vaterland nicht kleiner zu hinterlassen, sondern größer und stärker, als sie es
überkommen hätten, der bestehenden Obrigkeit und den Gesetzen zu gehorchen,
sich allen Umsturzversuchen zu widersetzen und die vaterländische Religion in
Ehren zu halten. Wie die jungen Spartaner durch ihre gesetzlich vor-
geschriebnen heimlichen Streifzüge, x^?c,Le«t, so gewannen auch die attischen
Epheben, selbst noch während der Kaiserzeit, durch die in bestimmten Zeit¬
abständen uuter Führung ihres Kosacken unternommnen Auszüge und Strei¬
fereien nach der Grenze und im Lande herum eine genaue Kenntnis der Wege
und der Bodenbeschaffenheit ihres Heimatlandes. Der alljährliche gemeinsame
Besuch des marathvnischen Schlachtfeldes verbunden mit einem Opfer an dem
Massengrabs der in der Schlacht gefallenen Athener war dabei ebensowohl
geeignet, ihr patriotisches Gefühl zu wecken, als das ebenfalls alljährlich von
ihnen veranstaltete Seemanöver, das eine Nachahmung der Seeschlacht von
Salamis sein sollte und deshalb an der Stätte des Kampfes abgehalten wurde.
Aber auch sonst fehlte es nicht an Nuderwettfahrten und Regatten der Epheben,
besonders bei Gelegenheit des in Salamis gefeierten Ajasfestes (^«^re,.«).
Selbst Schiffe ins Meer zu lassen und seeklar zu machen und wiederum sie
ans Land zu ziehen und abzutakeln, gehört zu den Fertigkeiten, um deret-
willen sie in spätern Inschriften gelobt werden. Welches Gewicht dabei darauf
gelegt wurde, daß die junge Schar ihren Lehrern und besonders dem Kosacken
willigen Gehorsam leistete, sich bei solchen Auszügen und Regatten ordnungs¬
liebend und gesittet betrug und besonders unter sich einträchtig und kamerad¬
schaftlich verkehrte, zeigen die dem Kosacken zuerst vom Rate und vom Volke,
später vom Rate allein darob gespendeten Lobsprüche und die Ehrengeschenke,
die von den Epheben selbst in Gestalt von Kränzen, Büsten, Statuen ihren
Leitern nach Ablauf der Ephebeuzeit dargebracht wurden. Auch daß der
Kosack den Vorlesungen bei den Grammatikern, Rhetoren und Philosophen,
zu deren Besuch die Epheben der spätern Zeit verpflichtet waren, selbst mit
beiwohnte , wird rühmend anerkannt, ebenso seine Fürsorge für das leibliche


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[0422] Knabenerziehung und Knabenunterricht im alten Hellas vom Staate, durchstreifen das Land und garnisoniren in den festen Plätzen. So thun sie beide Jahre Garnisondienst in der Chlamys und sind frei von allen Abgaben. Sie können auch weder verklagen noch verklagt werden und haben keinen Anteil am öffentlichen Leben, außer wenn einem ein in seiner Familie erbliches Priesteramt zufällt. Nach Ablauf der zwei Jahre, also mit dem vollendeten zwanzigsten Jahre, werden sie dann selbständig und treten in den Besitz aller bürgerlichen Rechte. Damit ist natürlich die Zeit des Unter¬ richts auch für die wohlhabenden jungen Athener abgeschlossen, immerhin um drei bis vier Jahre früher als bei unsern Studenten. In dem Eide, den die Epheben wahrscheinlich nach Ablauf des ersten Jahres unmittelbar vor der feierlichen Belehnung mit Schild und Lanze zu leisten hatten, schwuren sie, die heiligen Waffen niemals zu schänden, das Vaterland nicht kleiner zu hinterlassen, sondern größer und stärker, als sie es überkommen hätten, der bestehenden Obrigkeit und den Gesetzen zu gehorchen, sich allen Umsturzversuchen zu widersetzen und die vaterländische Religion in Ehren zu halten. Wie die jungen Spartaner durch ihre gesetzlich vor- geschriebnen heimlichen Streifzüge, x^?c,Le«t, so gewannen auch die attischen Epheben, selbst noch während der Kaiserzeit, durch die in bestimmten Zeit¬ abständen uuter Führung ihres Kosacken unternommnen Auszüge und Strei¬ fereien nach der Grenze und im Lande herum eine genaue Kenntnis der Wege und der Bodenbeschaffenheit ihres Heimatlandes. Der alljährliche gemeinsame Besuch des marathvnischen Schlachtfeldes verbunden mit einem Opfer an dem Massengrabs der in der Schlacht gefallenen Athener war dabei ebensowohl geeignet, ihr patriotisches Gefühl zu wecken, als das ebenfalls alljährlich von ihnen veranstaltete Seemanöver, das eine Nachahmung der Seeschlacht von Salamis sein sollte und deshalb an der Stätte des Kampfes abgehalten wurde. Aber auch sonst fehlte es nicht an Nuderwettfahrten und Regatten der Epheben, besonders bei Gelegenheit des in Salamis gefeierten Ajasfestes (^«^re,.«). Selbst Schiffe ins Meer zu lassen und seeklar zu machen und wiederum sie ans Land zu ziehen und abzutakeln, gehört zu den Fertigkeiten, um deret- willen sie in spätern Inschriften gelobt werden. Welches Gewicht dabei darauf gelegt wurde, daß die junge Schar ihren Lehrern und besonders dem Kosacken willigen Gehorsam leistete, sich bei solchen Auszügen und Regatten ordnungs¬ liebend und gesittet betrug und besonders unter sich einträchtig und kamerad¬ schaftlich verkehrte, zeigen die dem Kosacken zuerst vom Rate und vom Volke, später vom Rate allein darob gespendeten Lobsprüche und die Ehrengeschenke, die von den Epheben selbst in Gestalt von Kränzen, Büsten, Statuen ihren Leitern nach Ablauf der Ephebeuzeit dargebracht wurden. Auch daß der Kosack den Vorlesungen bei den Grammatikern, Rhetoren und Philosophen, zu deren Besuch die Epheben der spätern Zeit verpflichtet waren, selbst mit beiwohnte , wird rühmend anerkannt, ebenso seine Fürsorge für das leibliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/422>, abgerufen am 25.08.2024.