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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Bestimmungen über die Reisekosten von allen Seiten, auch von den Regierungs¬
vertretern zugestanden werden. Es ist nur zu bedauern, daß der Staats¬
sekretär Graf Posadowski ihre Ersetzung durch Zubilligung eines sür das
ganze Jahr gewährten Pauschquantums an die zu häufigeren Reisen ver¬
pflichteten Beamten in Aussicht gestellt hat. Das zu erstrebende Ziel einer
Übereinstimmung zwischen den wirklichen Ausgaben und der gewährten Ent¬
schädigung würde hierdurch in keiner Weise erreicht werden. Es bleibt un¬
verständlich, warum man sich an den leitenden Stellen sträubt, das Verfahren,
das sich in den deutschen Mittelstaaten völlig bewährt hat, auch im Reich
und in Preußen einzuführen.




Knabenerziehung und Knabenunterricht
im alten Hellas
Gustav Benseler von (Schluß)

me wichtige Rolle im Schülerleben spielen die Ferien und die
schulfreien Tage. Wie stand es damit in Hellas? Von eigent¬
lichen Ferien nach römischer Sitte, wo der Schulunterricht vom
Juli bis zum Oktober ausgesetzt wurde, scheinen die Hellenen
nichts gewußt zu haben. Dagegen gab es, wenigstens später,
als bestimmte schulfreie Tage zur Erholung jedesmal den siebenten (e/?6o^)
und den zwanzigsten (etx"c,-) des Monats, was kaum ein halber Ersatz für
unsre Sonntage ist. Dafür sorgte für den von Plato dringend nötig er¬
achteten Wechsel von Anstrengung und Erholung, Arbeit und Vergnügen eine
Menge mehrtägiger religiöser Feste, an denen die Knaben und Jünglinge
meist selbstthätig teilnahmen in Prozessionen, gymnischen und musischen
Wettkämpfen, Fackellüufen und gottesdienstlichen Reigentänzen. Als die Be¬
Horden von Lampsakos, hochgeehrt und erfreut, daß ihr berühmter Ehren¬
bürger, der Philosoph Anaxagoras, seine letzten Jahre bei ihnen verlebt hatte,
den un Sterben liegenden fragten, welche Ehre sie ihm zum Danke erweisen
sollten, da bedang er sich nur aus, daß sein Todestag fortan für die schüt¬
tert der Stadt ein schulfreier Tag sein sollte, und wirklich wurde dieser
^ag noch ein halbes Jahrtausend später als solcher in Lampsakos heilig ge¬
halten. Anaxagoras gehörte eben wie Plato und, was schon dem Römer
^lcero auffiel, wie der gelehrte Aristoteles, zu der großen Zahl jener grie¬
chischen Weisen, die sich auch als Graubärte gern in die Kinderseele hinein-


Bestimmungen über die Reisekosten von allen Seiten, auch von den Regierungs¬
vertretern zugestanden werden. Es ist nur zu bedauern, daß der Staats¬
sekretär Graf Posadowski ihre Ersetzung durch Zubilligung eines sür das
ganze Jahr gewährten Pauschquantums an die zu häufigeren Reisen ver¬
pflichteten Beamten in Aussicht gestellt hat. Das zu erstrebende Ziel einer
Übereinstimmung zwischen den wirklichen Ausgaben und der gewährten Ent¬
schädigung würde hierdurch in keiner Weise erreicht werden. Es bleibt un¬
verständlich, warum man sich an den leitenden Stellen sträubt, das Verfahren,
das sich in den deutschen Mittelstaaten völlig bewährt hat, auch im Reich
und in Preußen einzuführen.




Knabenerziehung und Knabenunterricht
im alten Hellas
Gustav Benseler von (Schluß)

me wichtige Rolle im Schülerleben spielen die Ferien und die
schulfreien Tage. Wie stand es damit in Hellas? Von eigent¬
lichen Ferien nach römischer Sitte, wo der Schulunterricht vom
Juli bis zum Oktober ausgesetzt wurde, scheinen die Hellenen
nichts gewußt zu haben. Dagegen gab es, wenigstens später,
als bestimmte schulfreie Tage zur Erholung jedesmal den siebenten (e/?6o^)
und den zwanzigsten (etx«c,-) des Monats, was kaum ein halber Ersatz für
unsre Sonntage ist. Dafür sorgte für den von Plato dringend nötig er¬
achteten Wechsel von Anstrengung und Erholung, Arbeit und Vergnügen eine
Menge mehrtägiger religiöser Feste, an denen die Knaben und Jünglinge
meist selbstthätig teilnahmen in Prozessionen, gymnischen und musischen
Wettkämpfen, Fackellüufen und gottesdienstlichen Reigentänzen. Als die Be¬
Horden von Lampsakos, hochgeehrt und erfreut, daß ihr berühmter Ehren¬
bürger, der Philosoph Anaxagoras, seine letzten Jahre bei ihnen verlebt hatte,
den un Sterben liegenden fragten, welche Ehre sie ihm zum Danke erweisen
sollten, da bedang er sich nur aus, daß sein Todestag fortan für die schüt¬
tert der Stadt ein schulfreier Tag sein sollte, und wirklich wurde dieser
^ag noch ein halbes Jahrtausend später als solcher in Lampsakos heilig ge¬
halten. Anaxagoras gehörte eben wie Plato und, was schon dem Römer
^lcero auffiel, wie der gelehrte Aristoteles, zu der großen Zahl jener grie¬
chischen Weisen, die sich auch als Graubärte gern in die Kinderseele hinein-


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[0415] Bestimmungen über die Reisekosten von allen Seiten, auch von den Regierungs¬ vertretern zugestanden werden. Es ist nur zu bedauern, daß der Staats¬ sekretär Graf Posadowski ihre Ersetzung durch Zubilligung eines sür das ganze Jahr gewährten Pauschquantums an die zu häufigeren Reisen ver¬ pflichteten Beamten in Aussicht gestellt hat. Das zu erstrebende Ziel einer Übereinstimmung zwischen den wirklichen Ausgaben und der gewährten Ent¬ schädigung würde hierdurch in keiner Weise erreicht werden. Es bleibt un¬ verständlich, warum man sich an den leitenden Stellen sträubt, das Verfahren, das sich in den deutschen Mittelstaaten völlig bewährt hat, auch im Reich und in Preußen einzuführen. Knabenerziehung und Knabenunterricht im alten Hellas Gustav Benseler von (Schluß) me wichtige Rolle im Schülerleben spielen die Ferien und die schulfreien Tage. Wie stand es damit in Hellas? Von eigent¬ lichen Ferien nach römischer Sitte, wo der Schulunterricht vom Juli bis zum Oktober ausgesetzt wurde, scheinen die Hellenen nichts gewußt zu haben. Dagegen gab es, wenigstens später, als bestimmte schulfreie Tage zur Erholung jedesmal den siebenten (e/?6o^) und den zwanzigsten (etx«c,-) des Monats, was kaum ein halber Ersatz für unsre Sonntage ist. Dafür sorgte für den von Plato dringend nötig er¬ achteten Wechsel von Anstrengung und Erholung, Arbeit und Vergnügen eine Menge mehrtägiger religiöser Feste, an denen die Knaben und Jünglinge meist selbstthätig teilnahmen in Prozessionen, gymnischen und musischen Wettkämpfen, Fackellüufen und gottesdienstlichen Reigentänzen. Als die Be¬ Horden von Lampsakos, hochgeehrt und erfreut, daß ihr berühmter Ehren¬ bürger, der Philosoph Anaxagoras, seine letzten Jahre bei ihnen verlebt hatte, den un Sterben liegenden fragten, welche Ehre sie ihm zum Danke erweisen sollten, da bedang er sich nur aus, daß sein Todestag fortan für die schüt¬ tert der Stadt ein schulfreier Tag sein sollte, und wirklich wurde dieser ^ag noch ein halbes Jahrtausend später als solcher in Lampsakos heilig ge¬ halten. Anaxagoras gehörte eben wie Plato und, was schon dem Römer ^lcero auffiel, wie der gelehrte Aristoteles, zu der großen Zahl jener grie¬ chischen Weisen, die sich auch als Graubärte gern in die Kinderseele hinein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/415>, abgerufen am 25.08.2024.