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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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ein friedliches und angemessenes Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Unter¬
gebnen, gebietet die Umgestaltung der preußischen Bestimmungen.*)

Welche Bestimmungen an ihre Stelle treten sollen, darüber kann kein
Zweisel sein, da sich das Verfahren der deutschen Mittelstaaten durchaus be¬
währt hat. Gegen dieses Verfahren bestehen gar keine Bedenken, wenn öffent¬
liche Verkehrsgelegenheiten benutzt werden konnten; sollten für die Fälle, wo
Privatfuhrwerke benutzt werden müssen, die oben angeführten Bedenken über¬
wiegen, so würden wir es für zulässig halten, hier die preußische Berechnungs¬
weise aufrecht zu erhalten, doch mit den dem badischen Gesetz entnommenen
Zusätzen, daß für mittlere und untere Beamte die Benutzung der Personen¬
posten (und in diesem Fall natürlich die Berechnung des Preises der Fahr¬
karte) vorgeschrieben, und daß bei einer gemeinsamen Dienstreise mehrerer Be¬
amten die Benutzung eines gemeinsamen Wagens verlangt würde.

Die Staatsmittel, die durch diese Verbesserurg in Zukunft erspart werden
würden, könnten ja zur Aufbesserung unzureichender Beamtengehalte verwendet
werden. Denn darüber besteht doch wohl kein Zweifel, daß manche Klasse der
preußischen und Neichsbeamten recht unzureichend bezahlt wird. Als vor
einigen Jahren die hier behandelte Frage im preußischen Abgeordnetenhause
angeregt und die Notwendigkeit einer Umgestaltung von allen Parteien im
Hause anerkannt wurde, verharrte der Regierungstisch in tiefem Schweigen.
Das war ja begreiflich; wollte man aus falscher Rücksicht für ein angebliches
Interesse des Beamtentums (das in Wahrheit, wie ich hier nachgewiesen habe,
sein größter Schade ist) das Bestehende erhalten, so war völliges Schweigen
die einzige mögliche Waffe, da es eben keine sachlichen Gründe giebt, die die
heutigen Bestimmungen rechtfertigten. Neuerdings ist im elsaß-lothringischen
Landesausschuß vom Negierungstisch aus erklärt worden, es schwebten in Preußen
wie im Reich Ermittlungen und Verhandlungen zur Abänderung der Grund¬
sätze über die Reisekostenentschädigungen. Möchten diese bald zu einem prak¬
tischen Ergebnis führen! Die Regierungen sollten begreifen, wie viel stärker
und würdiger ihre Stellung ist, wenn sie zu einer unabweislichen Reform aus
eignem Antrieb den Entschluß fassen, als wenn sie sich erst durch Presse und
Volksvertretung dazu nötigen lassen.


Friedrich von Bertzen
Nachtrag.

Seit die vorstehende Erörterung den Grenzboten eingesandt
wurde, sind die hier behandelten Mißstände im Reichstage zur Sprache ge¬
kommen. Dabei ist die UnHaltbarkeit der für die Neichsbeamten geltenden



Beiläufig sei erwähnt, daß die Rechtsanwälte im ganzen Reich nach H 73 der
Gebührenordnung von 187g die Reisekostenentschädigungen der höhern preußischen Beamten
beziehen. Diese Sätze müßten natürlich gleichzeitig mit denen der Beamten abgeändert werden,
was eine sehr wohlthätige Verminderung der Prozeßkosten zur Folge haben würde.
Dienstreisen

ein friedliches und angemessenes Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Unter¬
gebnen, gebietet die Umgestaltung der preußischen Bestimmungen.*)

Welche Bestimmungen an ihre Stelle treten sollen, darüber kann kein
Zweisel sein, da sich das Verfahren der deutschen Mittelstaaten durchaus be¬
währt hat. Gegen dieses Verfahren bestehen gar keine Bedenken, wenn öffent¬
liche Verkehrsgelegenheiten benutzt werden konnten; sollten für die Fälle, wo
Privatfuhrwerke benutzt werden müssen, die oben angeführten Bedenken über¬
wiegen, so würden wir es für zulässig halten, hier die preußische Berechnungs¬
weise aufrecht zu erhalten, doch mit den dem badischen Gesetz entnommenen
Zusätzen, daß für mittlere und untere Beamte die Benutzung der Personen¬
posten (und in diesem Fall natürlich die Berechnung des Preises der Fahr¬
karte) vorgeschrieben, und daß bei einer gemeinsamen Dienstreise mehrerer Be¬
amten die Benutzung eines gemeinsamen Wagens verlangt würde.

Die Staatsmittel, die durch diese Verbesserurg in Zukunft erspart werden
würden, könnten ja zur Aufbesserung unzureichender Beamtengehalte verwendet
werden. Denn darüber besteht doch wohl kein Zweifel, daß manche Klasse der
preußischen und Neichsbeamten recht unzureichend bezahlt wird. Als vor
einigen Jahren die hier behandelte Frage im preußischen Abgeordnetenhause
angeregt und die Notwendigkeit einer Umgestaltung von allen Parteien im
Hause anerkannt wurde, verharrte der Regierungstisch in tiefem Schweigen.
Das war ja begreiflich; wollte man aus falscher Rücksicht für ein angebliches
Interesse des Beamtentums (das in Wahrheit, wie ich hier nachgewiesen habe,
sein größter Schade ist) das Bestehende erhalten, so war völliges Schweigen
die einzige mögliche Waffe, da es eben keine sachlichen Gründe giebt, die die
heutigen Bestimmungen rechtfertigten. Neuerdings ist im elsaß-lothringischen
Landesausschuß vom Negierungstisch aus erklärt worden, es schwebten in Preußen
wie im Reich Ermittlungen und Verhandlungen zur Abänderung der Grund¬
sätze über die Reisekostenentschädigungen. Möchten diese bald zu einem prak¬
tischen Ergebnis führen! Die Regierungen sollten begreifen, wie viel stärker
und würdiger ihre Stellung ist, wenn sie zu einer unabweislichen Reform aus
eignem Antrieb den Entschluß fassen, als wenn sie sich erst durch Presse und
Volksvertretung dazu nötigen lassen.


Friedrich von Bertzen
Nachtrag.

Seit die vorstehende Erörterung den Grenzboten eingesandt
wurde, sind die hier behandelten Mißstände im Reichstage zur Sprache ge¬
kommen. Dabei ist die UnHaltbarkeit der für die Neichsbeamten geltenden



Beiläufig sei erwähnt, daß die Rechtsanwälte im ganzen Reich nach H 73 der
Gebührenordnung von 187g die Reisekostenentschädigungen der höhern preußischen Beamten
beziehen. Diese Sätze müßten natürlich gleichzeitig mit denen der Beamten abgeändert werden,
was eine sehr wohlthätige Verminderung der Prozeßkosten zur Folge haben würde.
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[0414] Dienstreisen ein friedliches und angemessenes Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Unter¬ gebnen, gebietet die Umgestaltung der preußischen Bestimmungen.*) Welche Bestimmungen an ihre Stelle treten sollen, darüber kann kein Zweisel sein, da sich das Verfahren der deutschen Mittelstaaten durchaus be¬ währt hat. Gegen dieses Verfahren bestehen gar keine Bedenken, wenn öffent¬ liche Verkehrsgelegenheiten benutzt werden konnten; sollten für die Fälle, wo Privatfuhrwerke benutzt werden müssen, die oben angeführten Bedenken über¬ wiegen, so würden wir es für zulässig halten, hier die preußische Berechnungs¬ weise aufrecht zu erhalten, doch mit den dem badischen Gesetz entnommenen Zusätzen, daß für mittlere und untere Beamte die Benutzung der Personen¬ posten (und in diesem Fall natürlich die Berechnung des Preises der Fahr¬ karte) vorgeschrieben, und daß bei einer gemeinsamen Dienstreise mehrerer Be¬ amten die Benutzung eines gemeinsamen Wagens verlangt würde. Die Staatsmittel, die durch diese Verbesserurg in Zukunft erspart werden würden, könnten ja zur Aufbesserung unzureichender Beamtengehalte verwendet werden. Denn darüber besteht doch wohl kein Zweifel, daß manche Klasse der preußischen und Neichsbeamten recht unzureichend bezahlt wird. Als vor einigen Jahren die hier behandelte Frage im preußischen Abgeordnetenhause angeregt und die Notwendigkeit einer Umgestaltung von allen Parteien im Hause anerkannt wurde, verharrte der Regierungstisch in tiefem Schweigen. Das war ja begreiflich; wollte man aus falscher Rücksicht für ein angebliches Interesse des Beamtentums (das in Wahrheit, wie ich hier nachgewiesen habe, sein größter Schade ist) das Bestehende erhalten, so war völliges Schweigen die einzige mögliche Waffe, da es eben keine sachlichen Gründe giebt, die die heutigen Bestimmungen rechtfertigten. Neuerdings ist im elsaß-lothringischen Landesausschuß vom Negierungstisch aus erklärt worden, es schwebten in Preußen wie im Reich Ermittlungen und Verhandlungen zur Abänderung der Grund¬ sätze über die Reisekostenentschädigungen. Möchten diese bald zu einem prak¬ tischen Ergebnis führen! Die Regierungen sollten begreifen, wie viel stärker und würdiger ihre Stellung ist, wenn sie zu einer unabweislichen Reform aus eignem Antrieb den Entschluß fassen, als wenn sie sich erst durch Presse und Volksvertretung dazu nötigen lassen. Friedrich von Bertzen Nachtrag. Seit die vorstehende Erörterung den Grenzboten eingesandt wurde, sind die hier behandelten Mißstände im Reichstage zur Sprache ge¬ kommen. Dabei ist die UnHaltbarkeit der für die Neichsbeamten geltenden Beiläufig sei erwähnt, daß die Rechtsanwälte im ganzen Reich nach H 73 der Gebührenordnung von 187g die Reisekostenentschädigungen der höhern preußischen Beamten beziehen. Diese Sätze müßten natürlich gleichzeitig mit denen der Beamten abgeändert werden, was eine sehr wohlthätige Verminderung der Prozeßkosten zur Folge haben würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/414>, abgerufen am 25.08.2024.