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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Dienstreisen

meter. Diese Beträge, auch der höchste, werden, wenn sich ein einzelner Be¬
amter einen zweispännigen Wagen nehmen muß, den Betrag der wirklichen
Auslage in der Regel nicht übersteigen, manchmal sogar nicht erreichen. In
Fällen aber, wo eine öffentliche und regelmäßige Fahrverbindung (Personen-
post oder Omnibus) benutzt worden ist, oder wenn mehrere gemeinsam reisende
Beamte denselben Wagen benutzt haben, wird auch hier bedeutend mehr als,
die wirkliche Auslage vergütet werden. Auch hier sind die in Baden und andern
Mittelstaaten herrschenden Bestimmungen, nämlich: 1. Erstattung der für
Fuhrwerke wirklich gehabten und nachzuweisenden Auslagen, 2. Verpflichtung
mehrerer in demselben Geschäft reisenden Beamten, einen gemeinsamen Wagen
zu nehmen, 3. Verpflichtung der mittlern und untern Beamten zur Benutzung
der vorhandnen öffentlichen und regelmäßigen Fahrverbindungen auf Land¬
straßen, weit angemessener und zweckmäßiger.

Bezüglich der mit Privatfuhrwerk zurückzulegenden Strecken kann ja nun
zu Gunsten der preußischen Berechnungsweise geltend gemacht werden, daß der
Nachweis für die Auslage manchmal schwer zu bringen sein wird, daß er,
auch wenn er gebracht wird, noch keine Gewähr giebt für die Angemessenheit
oder Ortsüblichkeit des bezahlten Preises, die auch nicht immer leicht zu er¬
mitteln ist, und daß der Beamte einen stärkern Antrieb hat, sich um Be¬
schaffung einer wohlfeilen Fahrgelegenheit zu bemühen, wenn er eine Pausch¬
summe, sogenannte Kilometergelder, erhält. Wo aber öffentliche Fahrgelegen¬
heiten, sei es Eisenbahn, Dampfschiff oder Persvnenpvst, benutzt werden konnten,
also bei der großen Mehrzahl aller Dienstreisen, liegt schlechterdings kein
Grund vor, den Beamten einen andern als den wirklich gezählten (und immer
genau feststehenden) Betrag zu erstatten. Die Mehrgewährnng ist ein durch
nichts gerechtfertigtes Geschenk aus der Staatskasse an die Beamten, ein Ge¬
schenk, das für Beamte, die, wie gewisse Aufsichts- und Nevisionsbeamte der
Zentralstellen, häufiger Reisen auf größere Entfernungen zurückzulegen haben,
den Jahresbctrag von ein paar tausend Mark erreichen kann. Unsre heutige
Finanzlage ist aber keineswegs dazu angethan, die Gewährung solcher durch
keine Leistung verdienten Geschenke aus der Staatskasse, die nur in der
Milliardenstimmung der siebziger Jahre eingeführt werden konnten, zu recht¬
fertigen. Das schlimmste und gefährlichste aber dabei ist, daß die so bevor¬
zugten Beamten vielfach in der Lage sind, sich diese Nebeneinnahmen durch
eignen Entschluß zuzuwenden, da die Frage, ob eine Dienstreise unternommen
werden soll oder nicht, in zahlreichen Fällen dem pflichtmäßigen Ermessen des
reisenden Beamten selber unterliegt. Die höhern Beamten der Zentralverwal¬
tungen und der Provinzialregierungen haben in der Regel selber zu ent¬
scheiden, ob und wie oft sie über schwierige örtliche Fragen durch "Einnahme
des Augenscheins" an Ort und Stelle Aufklärung zu suchen haben. Ebenso
entscheiden die Gerichte unter dem Schutz ihrer richterlichen Unabhängigkeit


Dienstreisen

meter. Diese Beträge, auch der höchste, werden, wenn sich ein einzelner Be¬
amter einen zweispännigen Wagen nehmen muß, den Betrag der wirklichen
Auslage in der Regel nicht übersteigen, manchmal sogar nicht erreichen. In
Fällen aber, wo eine öffentliche und regelmäßige Fahrverbindung (Personen-
post oder Omnibus) benutzt worden ist, oder wenn mehrere gemeinsam reisende
Beamte denselben Wagen benutzt haben, wird auch hier bedeutend mehr als,
die wirkliche Auslage vergütet werden. Auch hier sind die in Baden und andern
Mittelstaaten herrschenden Bestimmungen, nämlich: 1. Erstattung der für
Fuhrwerke wirklich gehabten und nachzuweisenden Auslagen, 2. Verpflichtung
mehrerer in demselben Geschäft reisenden Beamten, einen gemeinsamen Wagen
zu nehmen, 3. Verpflichtung der mittlern und untern Beamten zur Benutzung
der vorhandnen öffentlichen und regelmäßigen Fahrverbindungen auf Land¬
straßen, weit angemessener und zweckmäßiger.

Bezüglich der mit Privatfuhrwerk zurückzulegenden Strecken kann ja nun
zu Gunsten der preußischen Berechnungsweise geltend gemacht werden, daß der
Nachweis für die Auslage manchmal schwer zu bringen sein wird, daß er,
auch wenn er gebracht wird, noch keine Gewähr giebt für die Angemessenheit
oder Ortsüblichkeit des bezahlten Preises, die auch nicht immer leicht zu er¬
mitteln ist, und daß der Beamte einen stärkern Antrieb hat, sich um Be¬
schaffung einer wohlfeilen Fahrgelegenheit zu bemühen, wenn er eine Pausch¬
summe, sogenannte Kilometergelder, erhält. Wo aber öffentliche Fahrgelegen¬
heiten, sei es Eisenbahn, Dampfschiff oder Persvnenpvst, benutzt werden konnten,
also bei der großen Mehrzahl aller Dienstreisen, liegt schlechterdings kein
Grund vor, den Beamten einen andern als den wirklich gezählten (und immer
genau feststehenden) Betrag zu erstatten. Die Mehrgewährnng ist ein durch
nichts gerechtfertigtes Geschenk aus der Staatskasse an die Beamten, ein Ge¬
schenk, das für Beamte, die, wie gewisse Aufsichts- und Nevisionsbeamte der
Zentralstellen, häufiger Reisen auf größere Entfernungen zurückzulegen haben,
den Jahresbctrag von ein paar tausend Mark erreichen kann. Unsre heutige
Finanzlage ist aber keineswegs dazu angethan, die Gewährung solcher durch
keine Leistung verdienten Geschenke aus der Staatskasse, die nur in der
Milliardenstimmung der siebziger Jahre eingeführt werden konnten, zu recht¬
fertigen. Das schlimmste und gefährlichste aber dabei ist, daß die so bevor¬
zugten Beamten vielfach in der Lage sind, sich diese Nebeneinnahmen durch
eignen Entschluß zuzuwenden, da die Frage, ob eine Dienstreise unternommen
werden soll oder nicht, in zahlreichen Fällen dem pflichtmäßigen Ermessen des
reisenden Beamten selber unterliegt. Die höhern Beamten der Zentralverwal¬
tungen und der Provinzialregierungen haben in der Regel selber zu ent¬
scheiden, ob und wie oft sie über schwierige örtliche Fragen durch „Einnahme
des Augenscheins" an Ort und Stelle Aufklärung zu suchen haben. Ebenso
entscheiden die Gerichte unter dem Schutz ihrer richterlichen Unabhängigkeit


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[0412] Dienstreisen meter. Diese Beträge, auch der höchste, werden, wenn sich ein einzelner Be¬ amter einen zweispännigen Wagen nehmen muß, den Betrag der wirklichen Auslage in der Regel nicht übersteigen, manchmal sogar nicht erreichen. In Fällen aber, wo eine öffentliche und regelmäßige Fahrverbindung (Personen- post oder Omnibus) benutzt worden ist, oder wenn mehrere gemeinsam reisende Beamte denselben Wagen benutzt haben, wird auch hier bedeutend mehr als, die wirkliche Auslage vergütet werden. Auch hier sind die in Baden und andern Mittelstaaten herrschenden Bestimmungen, nämlich: 1. Erstattung der für Fuhrwerke wirklich gehabten und nachzuweisenden Auslagen, 2. Verpflichtung mehrerer in demselben Geschäft reisenden Beamten, einen gemeinsamen Wagen zu nehmen, 3. Verpflichtung der mittlern und untern Beamten zur Benutzung der vorhandnen öffentlichen und regelmäßigen Fahrverbindungen auf Land¬ straßen, weit angemessener und zweckmäßiger. Bezüglich der mit Privatfuhrwerk zurückzulegenden Strecken kann ja nun zu Gunsten der preußischen Berechnungsweise geltend gemacht werden, daß der Nachweis für die Auslage manchmal schwer zu bringen sein wird, daß er, auch wenn er gebracht wird, noch keine Gewähr giebt für die Angemessenheit oder Ortsüblichkeit des bezahlten Preises, die auch nicht immer leicht zu er¬ mitteln ist, und daß der Beamte einen stärkern Antrieb hat, sich um Be¬ schaffung einer wohlfeilen Fahrgelegenheit zu bemühen, wenn er eine Pausch¬ summe, sogenannte Kilometergelder, erhält. Wo aber öffentliche Fahrgelegen¬ heiten, sei es Eisenbahn, Dampfschiff oder Persvnenpvst, benutzt werden konnten, also bei der großen Mehrzahl aller Dienstreisen, liegt schlechterdings kein Grund vor, den Beamten einen andern als den wirklich gezählten (und immer genau feststehenden) Betrag zu erstatten. Die Mehrgewährnng ist ein durch nichts gerechtfertigtes Geschenk aus der Staatskasse an die Beamten, ein Ge¬ schenk, das für Beamte, die, wie gewisse Aufsichts- und Nevisionsbeamte der Zentralstellen, häufiger Reisen auf größere Entfernungen zurückzulegen haben, den Jahresbctrag von ein paar tausend Mark erreichen kann. Unsre heutige Finanzlage ist aber keineswegs dazu angethan, die Gewährung solcher durch keine Leistung verdienten Geschenke aus der Staatskasse, die nur in der Milliardenstimmung der siebziger Jahre eingeführt werden konnten, zu recht¬ fertigen. Das schlimmste und gefährlichste aber dabei ist, daß die so bevor¬ zugten Beamten vielfach in der Lage sind, sich diese Nebeneinnahmen durch eignen Entschluß zuzuwenden, da die Frage, ob eine Dienstreise unternommen werden soll oder nicht, in zahlreichen Fällen dem pflichtmäßigen Ermessen des reisenden Beamten selber unterliegt. Die höhern Beamten der Zentralverwal¬ tungen und der Provinzialregierungen haben in der Regel selber zu ent¬ scheiden, ob und wie oft sie über schwierige örtliche Fragen durch „Einnahme des Augenscheins" an Ort und Stelle Aufklärung zu suchen haben. Ebenso entscheiden die Gerichte unter dem Schutz ihrer richterlichen Unabhängigkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/412>, abgerufen am 25.08.2024.