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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Dienstreisen

Beamtenstellungen die Inhaber zwar gegen Not schützt, ihnen aber doch auf¬
erlegt, sich mit einem bescheidnen, ja oft knappen Einkommen zu begnüge",
geht durch unsre Zeit ein maßloses Streben nach Erwerb und Genuß, das
sich mit einem sichern, aber schmalen Beamtengehalt nicht begnügen will. Da
aber hierdurch die Gesundheit des ganzen Standes gefährdet ist, so ist es
umso notwendiger, daß die Gesetzgebung und die Regierung jede Maßregel
vermeiden, die die Gefahr erhöhe" und den alten ehrenhaften und genügsamen
Sinn im Beamtentum zu untergraben geeignet wäre. Die preußische und die
Reichsgesetzgebung hat aber auf einem Gebiete seit etwa zwei Jahrzehnten
Bestimmungen eingeführt, die die Beamten zu rücksichtslosem Geldmacher, zum
Aufsuchen von Einnahmequellen, deren Benutzung einem feineren Pflichtgefühl
widerstreitet, geradezu herausfordern. Es sind das die Gesetze und Verord¬
nungen über die Tagegelder und Reisekostenentschädigungen, die den Beamten
bei Besorgung von Dienstgeschäften außerhalb ihres Wohnorts zustehen. Das
ganze Gebiet mag auf den ersten Blick sehr nebensächlich erscheinen; in Wahr¬
heit haben aber die fraglichen Bestimmungen für den Beamtenstand wie für
die ganze Ordnung im Staatshaushalt große Bedeutung.

Beamte, die Dienstgeschäfte außerhalb ihres Wohnorts vornehmen, er¬
halten -- wenn ihnen nicht ausnahmsweise eine jährliche Pauschsumme als
Entschädigung für alle Dienstreisen oder zur Haltung eines Dienstfuhrwerks
gezahlt wird -- eine doppelte Vergütung: erstens eine Entschädigung für die
aufgewandten Reisekosten, zweitens eine Entschädigung für Unterhalt und
Unterkunft während der Reise. Die erste geht unter dem Namen: Vergütung
für "Reisekosten" oder "Fuhrkosten"; die zweite heißt "Tagegelder" oder
"Diäten." Bezüglich der Diäten finden wir nun in allen deutschen Gesetz¬
gebungen eine Einrichtung durchgeführt: die Gewährung eines je nach dem
Amt oder der Rangstufe des Beamten wechselnden, sonst aber ein für allemal
bestimmten täglichen Diätensatzes, der unabhängig davon ist, ob thatsächlich
mehr oder weniger verwendet wurde oder verwendet werden mußte. Der
Grund hierfür liegt auf der Hand: es würde schwierig, ja kaum möglich und
für den Beamten oft peinlich sein, wenn er alle für seinen Unterhalt auf der
Dienstreise gemachten Ausgaben, bis zu einer einfachen Erfrischung oder einem
kleinen Trinkgeld herab, nicht nur aufschreiben, sondern auch durch Belege
nachweisen sollte. Eine Berechnung der Auslagen ohne Belege kann aber der
Staat nicht wohl zulassen, da -- zumal bei dem Mangel eines objektiven
Maßstabes für die Höhe derartiger Ausgaben -- die Versuchung zum Mi߬
brauch, zu unwahren Angaben, zu nahe liegen würde. Die Einführung eines
ein für allemal bestimmten Tagegeldersatzes (von dem übrigens, wenn unter¬
wegs nicht übernachtet wird, ein bestimmter Teil abgezogen wird, weil in
diesem Fall die Ausgabe für Unterkunft wegfällt) ergab sich demnach von
selbst und ist auch in allen Gesetzgebungen der größern deutscheu Staaten und


Dienstreisen

Beamtenstellungen die Inhaber zwar gegen Not schützt, ihnen aber doch auf¬
erlegt, sich mit einem bescheidnen, ja oft knappen Einkommen zu begnüge»,
geht durch unsre Zeit ein maßloses Streben nach Erwerb und Genuß, das
sich mit einem sichern, aber schmalen Beamtengehalt nicht begnügen will. Da
aber hierdurch die Gesundheit des ganzen Standes gefährdet ist, so ist es
umso notwendiger, daß die Gesetzgebung und die Regierung jede Maßregel
vermeiden, die die Gefahr erhöhe» und den alten ehrenhaften und genügsamen
Sinn im Beamtentum zu untergraben geeignet wäre. Die preußische und die
Reichsgesetzgebung hat aber auf einem Gebiete seit etwa zwei Jahrzehnten
Bestimmungen eingeführt, die die Beamten zu rücksichtslosem Geldmacher, zum
Aufsuchen von Einnahmequellen, deren Benutzung einem feineren Pflichtgefühl
widerstreitet, geradezu herausfordern. Es sind das die Gesetze und Verord¬
nungen über die Tagegelder und Reisekostenentschädigungen, die den Beamten
bei Besorgung von Dienstgeschäften außerhalb ihres Wohnorts zustehen. Das
ganze Gebiet mag auf den ersten Blick sehr nebensächlich erscheinen; in Wahr¬
heit haben aber die fraglichen Bestimmungen für den Beamtenstand wie für
die ganze Ordnung im Staatshaushalt große Bedeutung.

Beamte, die Dienstgeschäfte außerhalb ihres Wohnorts vornehmen, er¬
halten — wenn ihnen nicht ausnahmsweise eine jährliche Pauschsumme als
Entschädigung für alle Dienstreisen oder zur Haltung eines Dienstfuhrwerks
gezahlt wird — eine doppelte Vergütung: erstens eine Entschädigung für die
aufgewandten Reisekosten, zweitens eine Entschädigung für Unterhalt und
Unterkunft während der Reise. Die erste geht unter dem Namen: Vergütung
für „Reisekosten" oder „Fuhrkosten"; die zweite heißt „Tagegelder" oder
„Diäten." Bezüglich der Diäten finden wir nun in allen deutschen Gesetz¬
gebungen eine Einrichtung durchgeführt: die Gewährung eines je nach dem
Amt oder der Rangstufe des Beamten wechselnden, sonst aber ein für allemal
bestimmten täglichen Diätensatzes, der unabhängig davon ist, ob thatsächlich
mehr oder weniger verwendet wurde oder verwendet werden mußte. Der
Grund hierfür liegt auf der Hand: es würde schwierig, ja kaum möglich und
für den Beamten oft peinlich sein, wenn er alle für seinen Unterhalt auf der
Dienstreise gemachten Ausgaben, bis zu einer einfachen Erfrischung oder einem
kleinen Trinkgeld herab, nicht nur aufschreiben, sondern auch durch Belege
nachweisen sollte. Eine Berechnung der Auslagen ohne Belege kann aber der
Staat nicht wohl zulassen, da — zumal bei dem Mangel eines objektiven
Maßstabes für die Höhe derartiger Ausgaben — die Versuchung zum Mi߬
brauch, zu unwahren Angaben, zu nahe liegen würde. Die Einführung eines
ein für allemal bestimmten Tagegeldersatzes (von dem übrigens, wenn unter¬
wegs nicht übernachtet wird, ein bestimmter Teil abgezogen wird, weil in
diesem Fall die Ausgabe für Unterkunft wegfällt) ergab sich demnach von
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[0408] Dienstreisen Beamtenstellungen die Inhaber zwar gegen Not schützt, ihnen aber doch auf¬ erlegt, sich mit einem bescheidnen, ja oft knappen Einkommen zu begnüge», geht durch unsre Zeit ein maßloses Streben nach Erwerb und Genuß, das sich mit einem sichern, aber schmalen Beamtengehalt nicht begnügen will. Da aber hierdurch die Gesundheit des ganzen Standes gefährdet ist, so ist es umso notwendiger, daß die Gesetzgebung und die Regierung jede Maßregel vermeiden, die die Gefahr erhöhe» und den alten ehrenhaften und genügsamen Sinn im Beamtentum zu untergraben geeignet wäre. Die preußische und die Reichsgesetzgebung hat aber auf einem Gebiete seit etwa zwei Jahrzehnten Bestimmungen eingeführt, die die Beamten zu rücksichtslosem Geldmacher, zum Aufsuchen von Einnahmequellen, deren Benutzung einem feineren Pflichtgefühl widerstreitet, geradezu herausfordern. Es sind das die Gesetze und Verord¬ nungen über die Tagegelder und Reisekostenentschädigungen, die den Beamten bei Besorgung von Dienstgeschäften außerhalb ihres Wohnorts zustehen. Das ganze Gebiet mag auf den ersten Blick sehr nebensächlich erscheinen; in Wahr¬ heit haben aber die fraglichen Bestimmungen für den Beamtenstand wie für die ganze Ordnung im Staatshaushalt große Bedeutung. Beamte, die Dienstgeschäfte außerhalb ihres Wohnorts vornehmen, er¬ halten — wenn ihnen nicht ausnahmsweise eine jährliche Pauschsumme als Entschädigung für alle Dienstreisen oder zur Haltung eines Dienstfuhrwerks gezahlt wird — eine doppelte Vergütung: erstens eine Entschädigung für die aufgewandten Reisekosten, zweitens eine Entschädigung für Unterhalt und Unterkunft während der Reise. Die erste geht unter dem Namen: Vergütung für „Reisekosten" oder „Fuhrkosten"; die zweite heißt „Tagegelder" oder „Diäten." Bezüglich der Diäten finden wir nun in allen deutschen Gesetz¬ gebungen eine Einrichtung durchgeführt: die Gewährung eines je nach dem Amt oder der Rangstufe des Beamten wechselnden, sonst aber ein für allemal bestimmten täglichen Diätensatzes, der unabhängig davon ist, ob thatsächlich mehr oder weniger verwendet wurde oder verwendet werden mußte. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: es würde schwierig, ja kaum möglich und für den Beamten oft peinlich sein, wenn er alle für seinen Unterhalt auf der Dienstreise gemachten Ausgaben, bis zu einer einfachen Erfrischung oder einem kleinen Trinkgeld herab, nicht nur aufschreiben, sondern auch durch Belege nachweisen sollte. Eine Berechnung der Auslagen ohne Belege kann aber der Staat nicht wohl zulassen, da — zumal bei dem Mangel eines objektiven Maßstabes für die Höhe derartiger Ausgaben — die Versuchung zum Mi߬ brauch, zu unwahren Angaben, zu nahe liegen würde. Die Einführung eines ein für allemal bestimmten Tagegeldersatzes (von dem übrigens, wenn unter¬ wegs nicht übernachtet wird, ein bestimmter Teil abgezogen wird, weil in diesem Fall die Ausgabe für Unterkunft wegfällt) ergab sich demnach von selbst und ist auch in allen Gesetzgebungen der größern deutscheu Staaten und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/408>, abgerufen am 22.12.2024.