Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Sufi

dauern, als Astolf Vachta in Ostpreußen und Frau Sust Gast des herzoglichen
Hofes ist. Und nun tritt die erste Unbequemlichkeit für die Baronin em, ste
weiß es zwar geschickt zu motiviren, daß das Stadthaus ihrer Familie alsbald
bezogen werden muß, aber sie vermag es nicht abzuschlagen, sich mit dem Herzog
von Zeit zu Zeit in einem im Park gelegenen Pavillon (wie es scheint, ist
das derselbe Pavillon, den Frau Professor Ilse Werner in Freytags "Ver¬
lorner Handschrift" bewohnt!) zu begegnen. Und sie kann es auch acht hindern,
daß Brenken ins Vertrauen gezogen wird.

Astolf Vachta kehrt heim, ohne Ahnung von dem an ihm geübten Doppcl¬
verrat. Es fällt ihm freilich auf, daß er feinen Fürsten gründlich nieder¬
geschlagen wiederfindet, und daß dieser ihn jetzt mit Gewalt zum Münster
machen will. Aber blind und großherzig, wie er ist. zeigt er sich halb und
halb entschlossen, auch dies Opfer noch zu bringen und auf die unabhängige
Stellung, die ihm auf den Herrschaften seines ostpreußischen Schwiegervaters
winken würde, zu verzichten. Doch ehe sich diese Angelegenheit entscheidet, er¬
hellt ihm ein Blitz alles, was wider ihn geschehen ist und noch geschieht. Frau
Sust hat zwar schon zuvor erfahren, daß auch die Schlangenklugheit einer
herzlosen und würdelosen Frau acht immer ausreicht, die Dinge nach Wunsch
zu lenken. Der Herzog hat mit Schrecken erkannt, daß er weiches Wachs in
ihrer kleinen starken Hand ist, daß er seine bisherigen Anschauungen nach den
ihren ummodeln soll, es wird ihm Angst bei diesem ganzen Verhältnis, er
reist nach Berlin, um sich bei seinem fürstlichen Freunde dort Rats zu erholen.
Sust sagt sich, daß ihr fürstlicher Held ein Feigling sei. dein sie mit ihren
Zukunftsplänen bange gemacht hat. "Es that ihr das nachträglich leid, aber
schließlich mußte man doch wissen, ob diese Liebschaft als eine Episode ihres
Lebens zu andern, frühern und spätern Episoden rubrizirt werden sollte oder
dazu bestimmt war, sich zu einem regelrechten Drama mit dem glänzenden
Schlußtableau eines herzoglichen Hochzeitsfestes aufzugipfeln."

Während sie darüber noch nachsinnt, fällt der Würfel gegen sie in dop¬
pelter Weise, ihr Herzog wird in Berlin von seinem Freunde zu einer "Ent¬
sagung" bestimmt, die freilich viel zu spät kommt, sie selbst aber wird, als sie
sich zu der verabredeten Zusammenkunft in den Pavillon begiebt, wo sie nur
Vreuken-Marinelli und ein absagendes Telegramm ihres fürstlichen Liebhabers
vorfindet, von ihrem Gatten erkannt. Dieser überrascht sie. freilich nicht mit
dem Herzog, sondern mit dem Kammerherrn von Brenken. aber als sie vor
dem Rasenden flüchtet verrät Brenken. der sich vor das Ende gestellt sieht,
den eigentlichen Zusammenhang der Dinge. "Am Ende ist sich doch leder selbst
der nächste, besonders wenn man es mit einem Verrückten zu thun hat. Und
dabei ist er erbärmlich und klug genug, Astolf Vachta das Versprechen abzu¬
nötigen, daß dieser seine Angelegenheit mit dem Herzog ordnen werde, "ohne
dessen Helfershelfer ins Spiel zu bringen."


Sufi

dauern, als Astolf Vachta in Ostpreußen und Frau Sust Gast des herzoglichen
Hofes ist. Und nun tritt die erste Unbequemlichkeit für die Baronin em, ste
weiß es zwar geschickt zu motiviren, daß das Stadthaus ihrer Familie alsbald
bezogen werden muß, aber sie vermag es nicht abzuschlagen, sich mit dem Herzog
von Zeit zu Zeit in einem im Park gelegenen Pavillon (wie es scheint, ist
das derselbe Pavillon, den Frau Professor Ilse Werner in Freytags „Ver¬
lorner Handschrift" bewohnt!) zu begegnen. Und sie kann es auch acht hindern,
daß Brenken ins Vertrauen gezogen wird.

Astolf Vachta kehrt heim, ohne Ahnung von dem an ihm geübten Doppcl¬
verrat. Es fällt ihm freilich auf, daß er feinen Fürsten gründlich nieder¬
geschlagen wiederfindet, und daß dieser ihn jetzt mit Gewalt zum Münster
machen will. Aber blind und großherzig, wie er ist. zeigt er sich halb und
halb entschlossen, auch dies Opfer noch zu bringen und auf die unabhängige
Stellung, die ihm auf den Herrschaften seines ostpreußischen Schwiegervaters
winken würde, zu verzichten. Doch ehe sich diese Angelegenheit entscheidet, er¬
hellt ihm ein Blitz alles, was wider ihn geschehen ist und noch geschieht. Frau
Sust hat zwar schon zuvor erfahren, daß auch die Schlangenklugheit einer
herzlosen und würdelosen Frau acht immer ausreicht, die Dinge nach Wunsch
zu lenken. Der Herzog hat mit Schrecken erkannt, daß er weiches Wachs in
ihrer kleinen starken Hand ist, daß er seine bisherigen Anschauungen nach den
ihren ummodeln soll, es wird ihm Angst bei diesem ganzen Verhältnis, er
reist nach Berlin, um sich bei seinem fürstlichen Freunde dort Rats zu erholen.
Sust sagt sich, daß ihr fürstlicher Held ein Feigling sei. dein sie mit ihren
Zukunftsplänen bange gemacht hat. „Es that ihr das nachträglich leid, aber
schließlich mußte man doch wissen, ob diese Liebschaft als eine Episode ihres
Lebens zu andern, frühern und spätern Episoden rubrizirt werden sollte oder
dazu bestimmt war, sich zu einem regelrechten Drama mit dem glänzenden
Schlußtableau eines herzoglichen Hochzeitsfestes aufzugipfeln."

Während sie darüber noch nachsinnt, fällt der Würfel gegen sie in dop¬
pelter Weise, ihr Herzog wird in Berlin von seinem Freunde zu einer „Ent¬
sagung" bestimmt, die freilich viel zu spät kommt, sie selbst aber wird, als sie
sich zu der verabredeten Zusammenkunft in den Pavillon begiebt, wo sie nur
Vreuken-Marinelli und ein absagendes Telegramm ihres fürstlichen Liebhabers
vorfindet, von ihrem Gatten erkannt. Dieser überrascht sie. freilich nicht mit
dem Herzog, sondern mit dem Kammerherrn von Brenken. aber als sie vor
dem Rasenden flüchtet verrät Brenken. der sich vor das Ende gestellt sieht,
den eigentlichen Zusammenhang der Dinge. „Am Ende ist sich doch leder selbst
der nächste, besonders wenn man es mit einem Verrückten zu thun hat. Und
dabei ist er erbärmlich und klug genug, Astolf Vachta das Versprechen abzu¬
nötigen, daß dieser seine Angelegenheit mit dem Herzog ordnen werde, „ohne
dessen Helfershelfer ins Spiel zu bringen."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220059"/>
          <fw type="header" place="top"> Sufi</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1392" prev="#ID_1391"> dauern, als Astolf Vachta in Ostpreußen und Frau Sust Gast des herzoglichen<lb/>
Hofes ist. Und nun tritt die erste Unbequemlichkeit für die Baronin em, ste<lb/>
weiß es zwar geschickt zu motiviren, daß das Stadthaus ihrer Familie alsbald<lb/>
bezogen werden muß, aber sie vermag es nicht abzuschlagen, sich mit dem Herzog<lb/>
von Zeit zu Zeit in einem im Park gelegenen Pavillon (wie es scheint, ist<lb/>
das derselbe Pavillon, den Frau Professor Ilse Werner in Freytags &#x201E;Ver¬<lb/>
lorner Handschrift" bewohnt!) zu begegnen. Und sie kann es auch acht hindern,<lb/>
daß Brenken ins Vertrauen gezogen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1393"> Astolf Vachta kehrt heim, ohne Ahnung von dem an ihm geübten Doppcl¬<lb/>
verrat. Es fällt ihm freilich auf, daß er feinen Fürsten gründlich nieder¬<lb/>
geschlagen wiederfindet, und daß dieser ihn jetzt mit Gewalt zum Münster<lb/>
machen will. Aber blind und großherzig, wie er ist. zeigt er sich halb und<lb/>
halb entschlossen, auch dies Opfer noch zu bringen und auf die unabhängige<lb/>
Stellung, die ihm auf den Herrschaften seines ostpreußischen Schwiegervaters<lb/>
winken würde, zu verzichten. Doch ehe sich diese Angelegenheit entscheidet, er¬<lb/>
hellt ihm ein Blitz alles, was wider ihn geschehen ist und noch geschieht. Frau<lb/>
Sust hat zwar schon zuvor erfahren, daß auch die Schlangenklugheit einer<lb/>
herzlosen und würdelosen Frau acht immer ausreicht, die Dinge nach Wunsch<lb/>
zu lenken. Der Herzog hat mit Schrecken erkannt, daß er weiches Wachs in<lb/>
ihrer kleinen starken Hand ist, daß er seine bisherigen Anschauungen nach den<lb/>
ihren ummodeln soll, es wird ihm Angst bei diesem ganzen Verhältnis, er<lb/>
reist nach Berlin, um sich bei seinem fürstlichen Freunde dort Rats zu erholen.<lb/>
Sust sagt sich, daß ihr fürstlicher Held ein Feigling sei. dein sie mit ihren<lb/>
Zukunftsplänen bange gemacht hat. &#x201E;Es that ihr das nachträglich leid, aber<lb/>
schließlich mußte man doch wissen, ob diese Liebschaft als eine Episode ihres<lb/>
Lebens zu andern, frühern und spätern Episoden rubrizirt werden sollte oder<lb/>
dazu bestimmt war, sich zu einem regelrechten Drama mit dem glänzenden<lb/>
Schlußtableau eines herzoglichen Hochzeitsfestes aufzugipfeln."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1394"> Während sie darüber noch nachsinnt, fällt der Würfel gegen sie in dop¬<lb/>
pelter Weise, ihr Herzog wird in Berlin von seinem Freunde zu einer &#x201E;Ent¬<lb/>
sagung" bestimmt, die freilich viel zu spät kommt, sie selbst aber wird, als sie<lb/>
sich zu der verabredeten Zusammenkunft in den Pavillon begiebt, wo sie nur<lb/>
Vreuken-Marinelli und ein absagendes Telegramm ihres fürstlichen Liebhabers<lb/>
vorfindet, von ihrem Gatten erkannt. Dieser überrascht sie. freilich nicht mit<lb/>
dem Herzog, sondern mit dem Kammerherrn von Brenken. aber als sie vor<lb/>
dem Rasenden flüchtet verrät Brenken. der sich vor das Ende gestellt sieht,<lb/>
den eigentlichen Zusammenhang der Dinge. &#x201E;Am Ende ist sich doch leder selbst<lb/>
der nächste, besonders wenn man es mit einem Verrückten zu thun hat. Und<lb/>
dabei ist er erbärmlich und klug genug, Astolf Vachta das Versprechen abzu¬<lb/>
nötigen, daß dieser seine Angelegenheit mit dem Herzog ordnen werde, &#x201E;ohne<lb/>
dessen Helfershelfer ins Spiel zu bringen."</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0383] Sufi dauern, als Astolf Vachta in Ostpreußen und Frau Sust Gast des herzoglichen Hofes ist. Und nun tritt die erste Unbequemlichkeit für die Baronin em, ste weiß es zwar geschickt zu motiviren, daß das Stadthaus ihrer Familie alsbald bezogen werden muß, aber sie vermag es nicht abzuschlagen, sich mit dem Herzog von Zeit zu Zeit in einem im Park gelegenen Pavillon (wie es scheint, ist das derselbe Pavillon, den Frau Professor Ilse Werner in Freytags „Ver¬ lorner Handschrift" bewohnt!) zu begegnen. Und sie kann es auch acht hindern, daß Brenken ins Vertrauen gezogen wird. Astolf Vachta kehrt heim, ohne Ahnung von dem an ihm geübten Doppcl¬ verrat. Es fällt ihm freilich auf, daß er feinen Fürsten gründlich nieder¬ geschlagen wiederfindet, und daß dieser ihn jetzt mit Gewalt zum Münster machen will. Aber blind und großherzig, wie er ist. zeigt er sich halb und halb entschlossen, auch dies Opfer noch zu bringen und auf die unabhängige Stellung, die ihm auf den Herrschaften seines ostpreußischen Schwiegervaters winken würde, zu verzichten. Doch ehe sich diese Angelegenheit entscheidet, er¬ hellt ihm ein Blitz alles, was wider ihn geschehen ist und noch geschieht. Frau Sust hat zwar schon zuvor erfahren, daß auch die Schlangenklugheit einer herzlosen und würdelosen Frau acht immer ausreicht, die Dinge nach Wunsch zu lenken. Der Herzog hat mit Schrecken erkannt, daß er weiches Wachs in ihrer kleinen starken Hand ist, daß er seine bisherigen Anschauungen nach den ihren ummodeln soll, es wird ihm Angst bei diesem ganzen Verhältnis, er reist nach Berlin, um sich bei seinem fürstlichen Freunde dort Rats zu erholen. Sust sagt sich, daß ihr fürstlicher Held ein Feigling sei. dein sie mit ihren Zukunftsplänen bange gemacht hat. „Es that ihr das nachträglich leid, aber schließlich mußte man doch wissen, ob diese Liebschaft als eine Episode ihres Lebens zu andern, frühern und spätern Episoden rubrizirt werden sollte oder dazu bestimmt war, sich zu einem regelrechten Drama mit dem glänzenden Schlußtableau eines herzoglichen Hochzeitsfestes aufzugipfeln." Während sie darüber noch nachsinnt, fällt der Würfel gegen sie in dop¬ pelter Weise, ihr Herzog wird in Berlin von seinem Freunde zu einer „Ent¬ sagung" bestimmt, die freilich viel zu spät kommt, sie selbst aber wird, als sie sich zu der verabredeten Zusammenkunft in den Pavillon begiebt, wo sie nur Vreuken-Marinelli und ein absagendes Telegramm ihres fürstlichen Liebhabers vorfindet, von ihrem Gatten erkannt. Dieser überrascht sie. freilich nicht mit dem Herzog, sondern mit dem Kammerherrn von Brenken. aber als sie vor dem Rasenden flüchtet verrät Brenken. der sich vor das Ende gestellt sieht, den eigentlichen Zusammenhang der Dinge. „Am Ende ist sich doch leder selbst der nächste, besonders wenn man es mit einem Verrückten zu thun hat. Und dabei ist er erbärmlich und klug genug, Astolf Vachta das Versprechen abzu¬ nötigen, daß dieser seine Angelegenheit mit dem Herzog ordnen werde, „ohne dessen Helfershelfer ins Spiel zu bringen."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/383
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/383>, abgerufen am 27.08.2024.