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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

Die Konferenz der leitenden Minister der sieben australischen Kolonien zu
Hobart-Town beschloß nun am 6. Februar d. I. die Entwerfung einer Ver¬
fassung für den zu bildenden australischen Bund, die veröffentlicht und nach
einiger Zeit den Parlamenten vorgelegt werden soll. Zu ihrer Beratung
sollen von jeder der kolonialen Vertretungen zehn Mitglieder gewählt werden.
Gleichzeitig tagte dort der aus Ministern, Reichs- und Kolonialbeamtcn und
Parlamentariern bestehende ?6<ioral Oouuoil, der seit Jahren zur Beratung all¬
gemein australischer Angelegenheiten zusammentritt, und dessen Stimmung wo¬
möglich noch wärmer für den Bund zu sein schien. Aus den Beratungen ging
hervor, daß gemeinsame Gesetzgebung in Post-, Bank- und Quarantänefragen
am dringendsten gewünscht wird, und daß man die Verständigung in kolonialen
Finanzfragen sucht. Im Grunde ist der Plan ja nur in der Form neu. Schutz¬
zoll, Einwanderungsschwierigkeiten, Staatsbahnshstem, Zurückdrängung des
Mutterlandes in Ein- und Ausfuhr -- an der Einfuhr nimmt England mit 41,
das Ausland mit 15 Prozent teil --, damit zusammenhängend die wachsende
Unabhängigkeit vom Londoner Markt, besonders in Wolle, selbst die neuerliche
Herabsetzung der Gehalte der Gouverneure und Generalagenten u. a., das alles
arbeitet dem Bunde vor, der in Form des?hat(zrgl "üormoil. einer freiwilligen
panaustralischen Vereinigung, eigentlich zeitweilig schon sein Organ gehabt hat,
das sich rühmt, die fernere Verschickung der französischen Verbrecher nach Neu-
kaledonien durch seine Agitation unmöglich gemacht zu haben. Diese Föde-
rativnsbestrebungen sind auch nicht von einer bestimmten Partei verfolgt worden,
wenn ihnen auch im allgemeinen die Nationalisten überall abgeneigt waren;
sondern die hervorragendsten und ehrgeizigsten Politiker waren in der Regel
ihre Vertreter, und das in der Kolonialpolitik immer ganz besonders mächtige
persönliche Element hat an ihnen fördernd und hemmend mehr Anteil gehabt
als das Parteibekenntnis. Weil Viktoria, das sich gern als den leitenden Staat
betrachtet, an der Spitze der Föderationsbewegung stand, stemmte sich Neusüd¬
wales dagegen, wiewohl von seinem hervorragendsten Politiker, Parkes, der
Plan dazu energisch vertreten wurde. Lange waren auch die Schutzzöllner
gegen die Föderation und mit ihnen die Arbeiterparteien; von der freihändle-
rischen Richtung, die erst vor einigen Monaten in der Person ihres Führers
Neid die Leitung von Neusüdwales wieder übernommen hat, sind nun aber
die neuen Anregungen ausgegangen, die zu der Konferenz von Hobart-Town
geführt haben. Tief unten sind es zuletzt noch ganz andre Kräfte gewesen,
die dein Plane immer mehr Bahn brachen und ihn so ganz natürlich aus der
Entwicklung Australiens hervorwachsen ließen: die wirtschaftliche Frage, die
sozialen Probleme und der Schutz gegen außen. Während die Geldkrisis der
letzten Jahre das Gefühl für die Sonderintercssen und besondern Sorgen der
Kolonien verschärft hat, zeigt sie doch immer mehr, wie unbegründet die Hoff¬
nung war, im Schutzzoll ein Mittel dagegen zu finden. Und zugleich zwangen


Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

Die Konferenz der leitenden Minister der sieben australischen Kolonien zu
Hobart-Town beschloß nun am 6. Februar d. I. die Entwerfung einer Ver¬
fassung für den zu bildenden australischen Bund, die veröffentlicht und nach
einiger Zeit den Parlamenten vorgelegt werden soll. Zu ihrer Beratung
sollen von jeder der kolonialen Vertretungen zehn Mitglieder gewählt werden.
Gleichzeitig tagte dort der aus Ministern, Reichs- und Kolonialbeamtcn und
Parlamentariern bestehende ?6<ioral Oouuoil, der seit Jahren zur Beratung all¬
gemein australischer Angelegenheiten zusammentritt, und dessen Stimmung wo¬
möglich noch wärmer für den Bund zu sein schien. Aus den Beratungen ging
hervor, daß gemeinsame Gesetzgebung in Post-, Bank- und Quarantänefragen
am dringendsten gewünscht wird, und daß man die Verständigung in kolonialen
Finanzfragen sucht. Im Grunde ist der Plan ja nur in der Form neu. Schutz¬
zoll, Einwanderungsschwierigkeiten, Staatsbahnshstem, Zurückdrängung des
Mutterlandes in Ein- und Ausfuhr — an der Einfuhr nimmt England mit 41,
das Ausland mit 15 Prozent teil —, damit zusammenhängend die wachsende
Unabhängigkeit vom Londoner Markt, besonders in Wolle, selbst die neuerliche
Herabsetzung der Gehalte der Gouverneure und Generalagenten u. a., das alles
arbeitet dem Bunde vor, der in Form des?hat(zrgl «üormoil. einer freiwilligen
panaustralischen Vereinigung, eigentlich zeitweilig schon sein Organ gehabt hat,
das sich rühmt, die fernere Verschickung der französischen Verbrecher nach Neu-
kaledonien durch seine Agitation unmöglich gemacht zu haben. Diese Föde-
rativnsbestrebungen sind auch nicht von einer bestimmten Partei verfolgt worden,
wenn ihnen auch im allgemeinen die Nationalisten überall abgeneigt waren;
sondern die hervorragendsten und ehrgeizigsten Politiker waren in der Regel
ihre Vertreter, und das in der Kolonialpolitik immer ganz besonders mächtige
persönliche Element hat an ihnen fördernd und hemmend mehr Anteil gehabt
als das Parteibekenntnis. Weil Viktoria, das sich gern als den leitenden Staat
betrachtet, an der Spitze der Föderationsbewegung stand, stemmte sich Neusüd¬
wales dagegen, wiewohl von seinem hervorragendsten Politiker, Parkes, der
Plan dazu energisch vertreten wurde. Lange waren auch die Schutzzöllner
gegen die Föderation und mit ihnen die Arbeiterparteien; von der freihändle-
rischen Richtung, die erst vor einigen Monaten in der Person ihres Führers
Neid die Leitung von Neusüdwales wieder übernommen hat, sind nun aber
die neuen Anregungen ausgegangen, die zu der Konferenz von Hobart-Town
geführt haben. Tief unten sind es zuletzt noch ganz andre Kräfte gewesen,
die dein Plane immer mehr Bahn brachen und ihn so ganz natürlich aus der
Entwicklung Australiens hervorwachsen ließen: die wirtschaftliche Frage, die
sozialen Probleme und der Schutz gegen außen. Während die Geldkrisis der
letzten Jahre das Gefühl für die Sonderintercssen und besondern Sorgen der
Kolonien verschärft hat, zeigt sie doch immer mehr, wie unbegründet die Hoff¬
nung war, im Schutzzoll ein Mittel dagegen zu finden. Und zugleich zwangen


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[0312] Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik Die Konferenz der leitenden Minister der sieben australischen Kolonien zu Hobart-Town beschloß nun am 6. Februar d. I. die Entwerfung einer Ver¬ fassung für den zu bildenden australischen Bund, die veröffentlicht und nach einiger Zeit den Parlamenten vorgelegt werden soll. Zu ihrer Beratung sollen von jeder der kolonialen Vertretungen zehn Mitglieder gewählt werden. Gleichzeitig tagte dort der aus Ministern, Reichs- und Kolonialbeamtcn und Parlamentariern bestehende ?6<ioral Oouuoil, der seit Jahren zur Beratung all¬ gemein australischer Angelegenheiten zusammentritt, und dessen Stimmung wo¬ möglich noch wärmer für den Bund zu sein schien. Aus den Beratungen ging hervor, daß gemeinsame Gesetzgebung in Post-, Bank- und Quarantänefragen am dringendsten gewünscht wird, und daß man die Verständigung in kolonialen Finanzfragen sucht. Im Grunde ist der Plan ja nur in der Form neu. Schutz¬ zoll, Einwanderungsschwierigkeiten, Staatsbahnshstem, Zurückdrängung des Mutterlandes in Ein- und Ausfuhr — an der Einfuhr nimmt England mit 41, das Ausland mit 15 Prozent teil —, damit zusammenhängend die wachsende Unabhängigkeit vom Londoner Markt, besonders in Wolle, selbst die neuerliche Herabsetzung der Gehalte der Gouverneure und Generalagenten u. a., das alles arbeitet dem Bunde vor, der in Form des?hat(zrgl «üormoil. einer freiwilligen panaustralischen Vereinigung, eigentlich zeitweilig schon sein Organ gehabt hat, das sich rühmt, die fernere Verschickung der französischen Verbrecher nach Neu- kaledonien durch seine Agitation unmöglich gemacht zu haben. Diese Föde- rativnsbestrebungen sind auch nicht von einer bestimmten Partei verfolgt worden, wenn ihnen auch im allgemeinen die Nationalisten überall abgeneigt waren; sondern die hervorragendsten und ehrgeizigsten Politiker waren in der Regel ihre Vertreter, und das in der Kolonialpolitik immer ganz besonders mächtige persönliche Element hat an ihnen fördernd und hemmend mehr Anteil gehabt als das Parteibekenntnis. Weil Viktoria, das sich gern als den leitenden Staat betrachtet, an der Spitze der Föderationsbewegung stand, stemmte sich Neusüd¬ wales dagegen, wiewohl von seinem hervorragendsten Politiker, Parkes, der Plan dazu energisch vertreten wurde. Lange waren auch die Schutzzöllner gegen die Föderation und mit ihnen die Arbeiterparteien; von der freihändle- rischen Richtung, die erst vor einigen Monaten in der Person ihres Führers Neid die Leitung von Neusüdwales wieder übernommen hat, sind nun aber die neuen Anregungen ausgegangen, die zu der Konferenz von Hobart-Town geführt haben. Tief unten sind es zuletzt noch ganz andre Kräfte gewesen, die dein Plane immer mehr Bahn brachen und ihn so ganz natürlich aus der Entwicklung Australiens hervorwachsen ließen: die wirtschaftliche Frage, die sozialen Probleme und der Schutz gegen außen. Während die Geldkrisis der letzten Jahre das Gefühl für die Sonderintercssen und besondern Sorgen der Kolonien verschärft hat, zeigt sie doch immer mehr, wie unbegründet die Hoff¬ nung war, im Schutzzoll ein Mittel dagegen zu finden. Und zugleich zwangen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/312>, abgerufen am 24.08.2024.