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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Der Kreislauf des Goldes und der Ginfluß der Scholle

old verdunstet! Manche Menschen haben eine geradezu unheim¬
liche Fähigkeit, Gold schnell verdunsten zu lassen, aber es geht
nicht verloren, es schlägt sich nieder und sammelt sich zu Gold-
bächeu, Strömen, Meeren -- dann verflüchtigt es sich wieder
und beginnt den alten Kreislauf von neuem.

Am schlagendsten läßt sich dieser Satz an den notleidenden Ritterguts¬
besitzern der östlichen preußischen Provinzen beweisen, nur darf man da nicht
bloß allgemeine Betrachtungen anstellen, sondern man muß an der Hemd des
zugänglichen Materials einzelne Kreise sozusagen seziren. Die großen Redner
vom "Bund der Landwirte" und die noch größern Schriftsteller seiner Presse
stellen den Satz Eugen Richters, man dürfe eine dem Untergang anheim¬
gefallene Gesellschaftsklasse nicht auf Kosten des ganzen Volkes erhalten, als
das gräßlichste Verbrechen dar. Die Rittergutsbesitzer sind ihrer Ansicht nach
die Träger des Staates, sein Fundament, und wenn sie zu Grunde gehen,
wenn ihre Scholle zersplittert wird oder in die Hand des Kapitalisten über¬
geht, so geht darüber Staat, Monarchie, Vaterlandsliebe, Religion, Familie,
kurz alles, was Julius Cäsar immer so schön mit göttlichem und menschlichem
Recht bezeichnete, zu Grunde, das Chaos bricht herein. Und doch vollzieht
sich dieser Wechsel ganz still und geräuschlos schon seit hundert Jahren, ohne
daß bisher ein großes Unglück für den Staat dabei zu bemerken gewesen wäre.
Auch in Frankreich hat der Ackerbau und seine Leistungsfähigkeit für den Staat
durch die Umgestaltung der Bcsitzverhältnisse in der großen Revolution nicht
gelitten, ein Überwuchern des Großkapitals ist nach der neuesten Statistik nicht
nachzuweisen. Die bedrängte Lage namentlich der nordostdeutschen Landwirte
kann nur der leugnen, der sie nicht kennt, aber die Bnndespresse hat die Not


Grenzboten II 189S 3g


Der Kreislauf des Goldes und der Ginfluß der Scholle

old verdunstet! Manche Menschen haben eine geradezu unheim¬
liche Fähigkeit, Gold schnell verdunsten zu lassen, aber es geht
nicht verloren, es schlägt sich nieder und sammelt sich zu Gold-
bächeu, Strömen, Meeren — dann verflüchtigt es sich wieder
und beginnt den alten Kreislauf von neuem.

Am schlagendsten läßt sich dieser Satz an den notleidenden Ritterguts¬
besitzern der östlichen preußischen Provinzen beweisen, nur darf man da nicht
bloß allgemeine Betrachtungen anstellen, sondern man muß an der Hemd des
zugänglichen Materials einzelne Kreise sozusagen seziren. Die großen Redner
vom „Bund der Landwirte" und die noch größern Schriftsteller seiner Presse
stellen den Satz Eugen Richters, man dürfe eine dem Untergang anheim¬
gefallene Gesellschaftsklasse nicht auf Kosten des ganzen Volkes erhalten, als
das gräßlichste Verbrechen dar. Die Rittergutsbesitzer sind ihrer Ansicht nach
die Träger des Staates, sein Fundament, und wenn sie zu Grunde gehen,
wenn ihre Scholle zersplittert wird oder in die Hand des Kapitalisten über¬
geht, so geht darüber Staat, Monarchie, Vaterlandsliebe, Religion, Familie,
kurz alles, was Julius Cäsar immer so schön mit göttlichem und menschlichem
Recht bezeichnete, zu Grunde, das Chaos bricht herein. Und doch vollzieht
sich dieser Wechsel ganz still und geräuschlos schon seit hundert Jahren, ohne
daß bisher ein großes Unglück für den Staat dabei zu bemerken gewesen wäre.
Auch in Frankreich hat der Ackerbau und seine Leistungsfähigkeit für den Staat
durch die Umgestaltung der Bcsitzverhältnisse in der großen Revolution nicht
gelitten, ein Überwuchern des Großkapitals ist nach der neuesten Statistik nicht
nachzuweisen. Die bedrängte Lage namentlich der nordostdeutschen Landwirte
kann nur der leugnen, der sie nicht kennt, aber die Bnndespresse hat die Not


Grenzboten II 189S 3g
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[0305] [Abbildung] Der Kreislauf des Goldes und der Ginfluß der Scholle old verdunstet! Manche Menschen haben eine geradezu unheim¬ liche Fähigkeit, Gold schnell verdunsten zu lassen, aber es geht nicht verloren, es schlägt sich nieder und sammelt sich zu Gold- bächeu, Strömen, Meeren — dann verflüchtigt es sich wieder und beginnt den alten Kreislauf von neuem. Am schlagendsten läßt sich dieser Satz an den notleidenden Ritterguts¬ besitzern der östlichen preußischen Provinzen beweisen, nur darf man da nicht bloß allgemeine Betrachtungen anstellen, sondern man muß an der Hemd des zugänglichen Materials einzelne Kreise sozusagen seziren. Die großen Redner vom „Bund der Landwirte" und die noch größern Schriftsteller seiner Presse stellen den Satz Eugen Richters, man dürfe eine dem Untergang anheim¬ gefallene Gesellschaftsklasse nicht auf Kosten des ganzen Volkes erhalten, als das gräßlichste Verbrechen dar. Die Rittergutsbesitzer sind ihrer Ansicht nach die Träger des Staates, sein Fundament, und wenn sie zu Grunde gehen, wenn ihre Scholle zersplittert wird oder in die Hand des Kapitalisten über¬ geht, so geht darüber Staat, Monarchie, Vaterlandsliebe, Religion, Familie, kurz alles, was Julius Cäsar immer so schön mit göttlichem und menschlichem Recht bezeichnete, zu Grunde, das Chaos bricht herein. Und doch vollzieht sich dieser Wechsel ganz still und geräuschlos schon seit hundert Jahren, ohne daß bisher ein großes Unglück für den Staat dabei zu bemerken gewesen wäre. Auch in Frankreich hat der Ackerbau und seine Leistungsfähigkeit für den Staat durch die Umgestaltung der Bcsitzverhältnisse in der großen Revolution nicht gelitten, ein Überwuchern des Großkapitals ist nach der neuesten Statistik nicht nachzuweisen. Die bedrängte Lage namentlich der nordostdeutschen Landwirte kann nur der leugnen, der sie nicht kennt, aber die Bnndespresse hat die Not Grenzboten II 189S 3g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/305>, abgerufen am 22.12.2024.