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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die Ankunft der Historikertage

Andre Gründe sind nebensächlicher. Daß irgend jemand fürchte, den
Schmetterlingsstaub des höhern wissenschaftlichen Nimbus durch die nähere
Berührung mit den Fachgenossen einzubüßen, glauben wir nicht. Das Bestehen
Persönlicher Spannungen haben wir schon erwähnt. Manche mochten einer
bei den letzten beiden Zusammenkünften voraussichtlich lebhaft hervortretenden
Persönlichkeit an der größten mitteldeutschen Universität nicht gern zur Folie
dienen. Das hat aber der Betreffende selber gefühlt und ist ganz neuerdings
in einer Weise, die ihm viel Sympathie zurückerwerben konnte, ebenso un¬
erwartet wie freiwillig wieder mehr aus dem Vordergründe getreten. So
schrumpfen doch die Gegengründe beträchtlich zusammen und sollten einem ge¬
wissen Pharisäertum, das viele allein fernhält, nicht länger mit als Ausrede
dienen. Die Historikertage sind nun einmal da, ohne anfänglich ein Bedürfnis
gewesen zu sein, und werden sich auch nicht so rasch verbluten, ja, sie scheinen
fast die Absicht zu haben, sich durch eine Transfusion aus den lokalen Ge-
fchichtsvereinen zu retten. Da helfe man nun lieber mit gutem Willen, daß
sie was Rechtes und Bedeutendes werden und auf selbständiger Höhe bleiben
können. Noch jetzt bedauert man die spärliche Beteiligung Preußens und
der Universitäten.

Aber auch die versammelt Gewesenen ihrerseits mögen noch ein weiteres
mal entgegenkommen. Sie haben in höchst anerkennenswerter Weise deutlich
gemacht, daß sie sich nicht für sich selber genug erklären. Sie wollen nun das
nächstemal nach Österreich flüchten. Das würde aber die gewünschte Beteili¬
gung, selbst bei passender Jahreszeit, nur noch weiter erschweren. Man ver¬
suche es doch noch einmal mit Mitteldeutschland oder etwa mit Nürnberg.
Die Österreicher haben allerdings eine Aufmerksamkeit vollauf verdient. Aber
das sind so wackere und rein objektive Freunde der Sache, sie kommen viel¬
leicht vorher noch einmal zu uns.

Unlust ohne ganz triftigen Grund ist jetzt das Haupthindernis der Be¬
teiligung für die meisten. Der Einzelne überwindet sie schwer, so lange er
nicht auch auf die andern rechnen kann. Man entschließe sich zunächst nur
so weit, sich ein wenig mehr drum zu kümmern, wie es denn eigentlich war.
Wer von außen durchs Fenster (das sind hier die Berichte und Protokolle)
n> ein Versammlungslokal hineinsteht, sieht immer nur die breiten Rücken
derer, die zunächst am Fenster stehen. Von drinnen siehts doch ganz anders
aus. Mögen sich die Mißtrauischen und Unlustigen nur einmal gegenseitig ver¬
ständigen, wie sie sich ferner verhalten wollen; damit wäre schon viel ge¬
wonnen. Vielleicht geben diese Zeilen einen Anstoß dazu. Einer muß an¬
fangen.




Die Ankunft der Historikertage

Andre Gründe sind nebensächlicher. Daß irgend jemand fürchte, den
Schmetterlingsstaub des höhern wissenschaftlichen Nimbus durch die nähere
Berührung mit den Fachgenossen einzubüßen, glauben wir nicht. Das Bestehen
Persönlicher Spannungen haben wir schon erwähnt. Manche mochten einer
bei den letzten beiden Zusammenkünften voraussichtlich lebhaft hervortretenden
Persönlichkeit an der größten mitteldeutschen Universität nicht gern zur Folie
dienen. Das hat aber der Betreffende selber gefühlt und ist ganz neuerdings
in einer Weise, die ihm viel Sympathie zurückerwerben konnte, ebenso un¬
erwartet wie freiwillig wieder mehr aus dem Vordergründe getreten. So
schrumpfen doch die Gegengründe beträchtlich zusammen und sollten einem ge¬
wissen Pharisäertum, das viele allein fernhält, nicht länger mit als Ausrede
dienen. Die Historikertage sind nun einmal da, ohne anfänglich ein Bedürfnis
gewesen zu sein, und werden sich auch nicht so rasch verbluten, ja, sie scheinen
fast die Absicht zu haben, sich durch eine Transfusion aus den lokalen Ge-
fchichtsvereinen zu retten. Da helfe man nun lieber mit gutem Willen, daß
sie was Rechtes und Bedeutendes werden und auf selbständiger Höhe bleiben
können. Noch jetzt bedauert man die spärliche Beteiligung Preußens und
der Universitäten.

Aber auch die versammelt Gewesenen ihrerseits mögen noch ein weiteres
mal entgegenkommen. Sie haben in höchst anerkennenswerter Weise deutlich
gemacht, daß sie sich nicht für sich selber genug erklären. Sie wollen nun das
nächstemal nach Österreich flüchten. Das würde aber die gewünschte Beteili¬
gung, selbst bei passender Jahreszeit, nur noch weiter erschweren. Man ver¬
suche es doch noch einmal mit Mitteldeutschland oder etwa mit Nürnberg.
Die Österreicher haben allerdings eine Aufmerksamkeit vollauf verdient. Aber
das sind so wackere und rein objektive Freunde der Sache, sie kommen viel¬
leicht vorher noch einmal zu uns.

Unlust ohne ganz triftigen Grund ist jetzt das Haupthindernis der Be¬
teiligung für die meisten. Der Einzelne überwindet sie schwer, so lange er
nicht auch auf die andern rechnen kann. Man entschließe sich zunächst nur
so weit, sich ein wenig mehr drum zu kümmern, wie es denn eigentlich war.
Wer von außen durchs Fenster (das sind hier die Berichte und Protokolle)
n> ein Versammlungslokal hineinsteht, sieht immer nur die breiten Rücken
derer, die zunächst am Fenster stehen. Von drinnen siehts doch ganz anders
aus. Mögen sich die Mißtrauischen und Unlustigen nur einmal gegenseitig ver¬
ständigen, wie sie sich ferner verhalten wollen; damit wäre schon viel ge¬
wonnen. Vielleicht geben diese Zeilen einen Anstoß dazu. Einer muß an¬
fangen.




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[0285] Die Ankunft der Historikertage Andre Gründe sind nebensächlicher. Daß irgend jemand fürchte, den Schmetterlingsstaub des höhern wissenschaftlichen Nimbus durch die nähere Berührung mit den Fachgenossen einzubüßen, glauben wir nicht. Das Bestehen Persönlicher Spannungen haben wir schon erwähnt. Manche mochten einer bei den letzten beiden Zusammenkünften voraussichtlich lebhaft hervortretenden Persönlichkeit an der größten mitteldeutschen Universität nicht gern zur Folie dienen. Das hat aber der Betreffende selber gefühlt und ist ganz neuerdings in einer Weise, die ihm viel Sympathie zurückerwerben konnte, ebenso un¬ erwartet wie freiwillig wieder mehr aus dem Vordergründe getreten. So schrumpfen doch die Gegengründe beträchtlich zusammen und sollten einem ge¬ wissen Pharisäertum, das viele allein fernhält, nicht länger mit als Ausrede dienen. Die Historikertage sind nun einmal da, ohne anfänglich ein Bedürfnis gewesen zu sein, und werden sich auch nicht so rasch verbluten, ja, sie scheinen fast die Absicht zu haben, sich durch eine Transfusion aus den lokalen Ge- fchichtsvereinen zu retten. Da helfe man nun lieber mit gutem Willen, daß sie was Rechtes und Bedeutendes werden und auf selbständiger Höhe bleiben können. Noch jetzt bedauert man die spärliche Beteiligung Preußens und der Universitäten. Aber auch die versammelt Gewesenen ihrerseits mögen noch ein weiteres mal entgegenkommen. Sie haben in höchst anerkennenswerter Weise deutlich gemacht, daß sie sich nicht für sich selber genug erklären. Sie wollen nun das nächstemal nach Österreich flüchten. Das würde aber die gewünschte Beteili¬ gung, selbst bei passender Jahreszeit, nur noch weiter erschweren. Man ver¬ suche es doch noch einmal mit Mitteldeutschland oder etwa mit Nürnberg. Die Österreicher haben allerdings eine Aufmerksamkeit vollauf verdient. Aber das sind so wackere und rein objektive Freunde der Sache, sie kommen viel¬ leicht vorher noch einmal zu uns. Unlust ohne ganz triftigen Grund ist jetzt das Haupthindernis der Be¬ teiligung für die meisten. Der Einzelne überwindet sie schwer, so lange er nicht auch auf die andern rechnen kann. Man entschließe sich zunächst nur so weit, sich ein wenig mehr drum zu kümmern, wie es denn eigentlich war. Wer von außen durchs Fenster (das sind hier die Berichte und Protokolle) n> ein Versammlungslokal hineinsteht, sieht immer nur die breiten Rücken derer, die zunächst am Fenster stehen. Von drinnen siehts doch ganz anders aus. Mögen sich die Mißtrauischen und Unlustigen nur einmal gegenseitig ver¬ ständigen, wie sie sich ferner verhalten wollen; damit wäre schon viel ge¬ wonnen. Vielleicht geben diese Zeilen einen Anstoß dazu. Einer muß an¬ fangen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/285>, abgerufen am 26.08.2024.