Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.List und Larey auf dem Bauernstande lastende feudale Druck und die harte Besteuerung für der Mauren und Juden das größte Unglück für Spanien gewesen, und daß dieses Land durch
Despotismus, Fanatismus und Bigotterie zu Grunde gerichtet worden sei. Insbesondre tadelt er es daß die Spanier ihre Einfuhr mit erpreßten Golde anstatt mit eignen Jndustrieerzeug- nissen bezahlt hätten. List und Larey auf dem Bauernstande lastende feudale Druck und die harte Besteuerung für der Mauren und Juden das größte Unglück für Spanien gewesen, und daß dieses Land durch
Despotismus, Fanatismus und Bigotterie zu Grunde gerichtet worden sei. Insbesondre tadelt er es daß die Spanier ihre Einfuhr mit erpreßten Golde anstatt mit eignen Jndustrieerzeug- nissen bezahlt hätten. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219934"/> <fw type="header" place="top"> List und Larey</fw><lb/> <p xml:id="ID_925" prev="#ID_924" next="#ID_926"> auf dem Bauernstande lastende feudale Druck und die harte Besteuerung für<lb/> unproduktive Zwecke schuld gewesen. Gerade die Engländer hätten nie seit<lb/> ihrem wirtschaftlichen Aufschwung eine andre Politik befolgt als die später<lb/> nach Colbcrt benannte. Anfänglich ein reiner Ackerbaustaat, der Getreide und<lb/> Wolle ausführte und von den Italienern, Niederländern und Hansekaufleuten<lb/> ebenso ausgebeutet wurde, wie er später die übrigen Staaten ausbeutete, fing<lb/> England im sechzehnten Jahrhundert an, sich dieser Ausbeutung zu erwehren.<lb/> Statt Tuch führte man niederländische Weber ein, und nachdem man von<lb/> diesen die Tuchbereitung gelernt hatte, sperrte man das Land gegen die fremden<lb/> Fabrikate ab, erschwerte die Ausfuhr der heimischen Rohstoffe und sicherte sich<lb/> den Bezug billiger Rohstoffe durch die Gründung von Kolonien, die man<lb/> zwang, als Bezahlung englische Fabrikate zu nehmen. Elisabeth schloß den<lb/> Stahlhof der deutscheu Kaufleute, Cromwell zwang die Engländer durch die<lb/> Navigationsakte, sich eine eigne Marine zu schaffen und den holländischen<lb/> Frachthandel zu vernichten; durch den Methuenvertrag 1703, der den eng¬<lb/> lischen Textilwaren den portugiesischen Markt erschloß, und den Assientovertrag<lb/> 1713, der ihnen das Monopol des Sklavenhandels sicherte, verschafften sie<lb/> sich die Mittel zur Unterjochung Ostindiens, dessen Reichtümer sie sich zuerst<lb/> durch einfache Plünderung und dann dnrch ihre Handelspolitik aneigneten.<lb/> Unter anderen verboten sie die Einfuhr indischer Gewebe in England, obwohl<lb/> diese weit billiger und schöner als die englischen waren. Wo ihnen, wie das<lb/> in Portugal nach Abschluß des Methuenvertrags anfänglich der Fall war,<lb/> noch eine kleine Zollschranke im Wege stand, wurde diese durch den gro߬<lb/> artigsten Schmuggel und den frechsten Betrug unschädlich gemacht. (Im Be¬<lb/> ginn der antisemitischen Bewegung bekam man öfter zu lesen, es bestehe ein<lb/> gewaltiger Unterschied zwischen dem Exporthandel der Großkaufleute, der nur<lb/> auf der Grundlage strengster Rechtschaffenheit blühen könne, durch die sich be¬<lb/> sonders die Engländer auszeichneten, und dem jüdischen Kleinhandel, der so¬<lb/> zusagen auf Betrug angewiesen sei. Wenigstens so weit die Engländer ins<lb/> Spiel kommen, ist die Unterscheidung unbegründet; diese sind nur die intelli¬<lb/> gentesten aller Betrüger und betrügen niemals, wo der Betrug mehr schadet<lb/> als nützt.) Den Hauptgrundsatz der richtigen Handelspolitik erkannte die eng¬<lb/> lische Regierung, und das bedeutet in England die Gesamtheit der herrschenden<lb/> Klassen, im Anfang des vorigen Jahrhunderts und hat ihn seitdem plan¬<lb/> müßig durchgeführt. „Es ist einleuchtend, lassen die Minister den König bei<lb/> Eröffnung des Parlaments von 1721 sagen, daß nichts so sehr zur Beförde¬<lb/> rung des öffentlichen Wohlstandes beitrüge, als die Ausfuhr von Mcmufaktur-</p><lb/> <note xml:id="FID_25" prev="#FID_24" place="foot"> der Mauren und Juden das größte Unglück für Spanien gewesen, und daß dieses Land durch<lb/> Despotismus, Fanatismus und Bigotterie zu Grunde gerichtet worden sei. Insbesondre tadelt<lb/> er es daß die Spanier ihre Einfuhr mit erpreßten Golde anstatt mit eignen Jndustrieerzeug-<lb/> nissen bezahlt hätten.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
List und Larey
auf dem Bauernstande lastende feudale Druck und die harte Besteuerung für
unproduktive Zwecke schuld gewesen. Gerade die Engländer hätten nie seit
ihrem wirtschaftlichen Aufschwung eine andre Politik befolgt als die später
nach Colbcrt benannte. Anfänglich ein reiner Ackerbaustaat, der Getreide und
Wolle ausführte und von den Italienern, Niederländern und Hansekaufleuten
ebenso ausgebeutet wurde, wie er später die übrigen Staaten ausbeutete, fing
England im sechzehnten Jahrhundert an, sich dieser Ausbeutung zu erwehren.
Statt Tuch führte man niederländische Weber ein, und nachdem man von
diesen die Tuchbereitung gelernt hatte, sperrte man das Land gegen die fremden
Fabrikate ab, erschwerte die Ausfuhr der heimischen Rohstoffe und sicherte sich
den Bezug billiger Rohstoffe durch die Gründung von Kolonien, die man
zwang, als Bezahlung englische Fabrikate zu nehmen. Elisabeth schloß den
Stahlhof der deutscheu Kaufleute, Cromwell zwang die Engländer durch die
Navigationsakte, sich eine eigne Marine zu schaffen und den holländischen
Frachthandel zu vernichten; durch den Methuenvertrag 1703, der den eng¬
lischen Textilwaren den portugiesischen Markt erschloß, und den Assientovertrag
1713, der ihnen das Monopol des Sklavenhandels sicherte, verschafften sie
sich die Mittel zur Unterjochung Ostindiens, dessen Reichtümer sie sich zuerst
durch einfache Plünderung und dann dnrch ihre Handelspolitik aneigneten.
Unter anderen verboten sie die Einfuhr indischer Gewebe in England, obwohl
diese weit billiger und schöner als die englischen waren. Wo ihnen, wie das
in Portugal nach Abschluß des Methuenvertrags anfänglich der Fall war,
noch eine kleine Zollschranke im Wege stand, wurde diese durch den gro߬
artigsten Schmuggel und den frechsten Betrug unschädlich gemacht. (Im Be¬
ginn der antisemitischen Bewegung bekam man öfter zu lesen, es bestehe ein
gewaltiger Unterschied zwischen dem Exporthandel der Großkaufleute, der nur
auf der Grundlage strengster Rechtschaffenheit blühen könne, durch die sich be¬
sonders die Engländer auszeichneten, und dem jüdischen Kleinhandel, der so¬
zusagen auf Betrug angewiesen sei. Wenigstens so weit die Engländer ins
Spiel kommen, ist die Unterscheidung unbegründet; diese sind nur die intelli¬
gentesten aller Betrüger und betrügen niemals, wo der Betrug mehr schadet
als nützt.) Den Hauptgrundsatz der richtigen Handelspolitik erkannte die eng¬
lische Regierung, und das bedeutet in England die Gesamtheit der herrschenden
Klassen, im Anfang des vorigen Jahrhunderts und hat ihn seitdem plan¬
müßig durchgeführt. „Es ist einleuchtend, lassen die Minister den König bei
Eröffnung des Parlaments von 1721 sagen, daß nichts so sehr zur Beförde¬
rung des öffentlichen Wohlstandes beitrüge, als die Ausfuhr von Mcmufaktur-
der Mauren und Juden das größte Unglück für Spanien gewesen, und daß dieses Land durch
Despotismus, Fanatismus und Bigotterie zu Grunde gerichtet worden sei. Insbesondre tadelt
er es daß die Spanier ihre Einfuhr mit erpreßten Golde anstatt mit eignen Jndustrieerzeug-
nissen bezahlt hätten.
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