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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur

Erklärung.

Der Reichstagsabgeordnete Herr Jebsen hat in der Sitzung
vom 14. Februar 1895 mit Bezug auf meine Schrift: "Schutz für unsre See¬
leute" geäußert: "Ich kaun nicht leugnen, daß durch diese ganze Broschüre ein ge¬
wisser Ton der Gehässigkeit gegen die deutsche Reederei geht, wenn ihr Habsucht
vorgeworfen wird, Geldgier und Gewinnsucht, daß wir nur auf Geldverdienen aus¬
gingen, und man bei uns gar kein Juteresse für das Wohl unsrer Leute, unsrer
Mannschaften entdecken könne. Ich könnte vielleicht Herrn Wislieeuus in andrer
Münze heimzahlen, will es aber nicht thun, ich geuire mich; es sind aber genug,
die ihm etwas ganz andres sagen könnten."

Auf meine Aufforderung, mir mitzuteilen, was er mit dieser Äußerung ge¬
meint habe, schrieb mir Herr Jebsen folgendes: "Ich muß gestehen und kann nur
bedauern, daß die von mir in der Hitze der Erregung bei der parlamentarischen
Debatte gemachte Äußerung sehr ungeschickt und konfus abgefaßt war, wie solches
in ähnlichen Fällen .gelegentlich besser geschulten Parlamentariern Passirt ist. Ich
wollte nämlich bedeuten, daß mit demselben Recht oder Unrecht, mit dem Sie in
Ihrer Broschüre die Reeber, Assekuranzagenten u. s. w. angreifen und denselben
nicht sehr lautere Motive zuschieben, man Ihnen vielleicht in andrer Münze heim¬
zahlen könnte, ich selber würde mich geniren, andre von Ihnen angegriffne Per¬
sonen könnten vielleicht anders denken. Was liegt nämlich näher, als daß solche
Leute sich sagen, daß, da diese Beaufsichtigung des Schiffsbaus Vonseiten des
Reichs von Sr. Majestät gewünscht wird, Sie sich mit dieser Broschüre nach oben
hin bemerkbar und beliebt machen wollen, eine Äußerung, die ich verschiedentlich
gehört habe, und worüber Sie sich nicht wundern müssen, da, wenn man Leute
angreift, mau sich auch Angriffen aussetzt."

Herr Jebsen hatte mir versprochen, mir bei der dritten Lesung des Etats
durch eine Bemerkung, die er einflechten wollte, Genugthuung zu geben. Da er
dies verabsäumt hat, sehe ich mich genötigt, mir durch Veröffentlichung seines
B G. Wislicenus riefes diese Genugthuung selber zu verschaffen.




Litteratur
Neue philosophische Schriften.

Unter den Versuchen, die geheimnisvolle
Wirklichkeit der Dinge dem Geiste denkbar und der Phantasie vorstellbar zu machen,
hat wohl keiner so weite Kreise befriedigt wie Lotzes Mikrokosmus. Dr. Theodor
Simon, Schloßpfarrer in Kottbus, giebt in seiner Schrift: Leib und Seele
bei Fechner und Lotze (Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht, 1894) dem Ver¬
suche Fechners den Vorzug. Fechuers Atome sind nicht, wie Lotzes Monaden,
selbständige beseelte Wesen (selbständig abgesehen von ihrem Verhältnis zu Gott),
sondern nur Teile, in die der Verstand des Beschauers die Außenwelt zerlegt, die
ihrerseits nichts als Erscheinung ist. Die Lehren der beiden Philosophen werden
nach ihren Hauptwerke" in dem Schriftchen klar und fesselnd dargelegt; die Ent¬
scheidung für den einen oder den andern oder die Ablehnung beider bleibt selbst¬
verständlich auch nach noch so überzeugenden Beweisführungen zuguderletzt immer


Litteratur

Erklärung.

Der Reichstagsabgeordnete Herr Jebsen hat in der Sitzung
vom 14. Februar 1895 mit Bezug auf meine Schrift: „Schutz für unsre See¬
leute" geäußert: „Ich kaun nicht leugnen, daß durch diese ganze Broschüre ein ge¬
wisser Ton der Gehässigkeit gegen die deutsche Reederei geht, wenn ihr Habsucht
vorgeworfen wird, Geldgier und Gewinnsucht, daß wir nur auf Geldverdienen aus¬
gingen, und man bei uns gar kein Juteresse für das Wohl unsrer Leute, unsrer
Mannschaften entdecken könne. Ich könnte vielleicht Herrn Wislieeuus in andrer
Münze heimzahlen, will es aber nicht thun, ich geuire mich; es sind aber genug,
die ihm etwas ganz andres sagen könnten."

Auf meine Aufforderung, mir mitzuteilen, was er mit dieser Äußerung ge¬
meint habe, schrieb mir Herr Jebsen folgendes: „Ich muß gestehen und kann nur
bedauern, daß die von mir in der Hitze der Erregung bei der parlamentarischen
Debatte gemachte Äußerung sehr ungeschickt und konfus abgefaßt war, wie solches
in ähnlichen Fällen .gelegentlich besser geschulten Parlamentariern Passirt ist. Ich
wollte nämlich bedeuten, daß mit demselben Recht oder Unrecht, mit dem Sie in
Ihrer Broschüre die Reeber, Assekuranzagenten u. s. w. angreifen und denselben
nicht sehr lautere Motive zuschieben, man Ihnen vielleicht in andrer Münze heim¬
zahlen könnte, ich selber würde mich geniren, andre von Ihnen angegriffne Per¬
sonen könnten vielleicht anders denken. Was liegt nämlich näher, als daß solche
Leute sich sagen, daß, da diese Beaufsichtigung des Schiffsbaus Vonseiten des
Reichs von Sr. Majestät gewünscht wird, Sie sich mit dieser Broschüre nach oben
hin bemerkbar und beliebt machen wollen, eine Äußerung, die ich verschiedentlich
gehört habe, und worüber Sie sich nicht wundern müssen, da, wenn man Leute
angreift, mau sich auch Angriffen aussetzt."

Herr Jebsen hatte mir versprochen, mir bei der dritten Lesung des Etats
durch eine Bemerkung, die er einflechten wollte, Genugthuung zu geben. Da er
dies verabsäumt hat, sehe ich mich genötigt, mir durch Veröffentlichung seines
B G. Wislicenus riefes diese Genugthuung selber zu verschaffen.




Litteratur
Neue philosophische Schriften.

Unter den Versuchen, die geheimnisvolle
Wirklichkeit der Dinge dem Geiste denkbar und der Phantasie vorstellbar zu machen,
hat wohl keiner so weite Kreise befriedigt wie Lotzes Mikrokosmus. Dr. Theodor
Simon, Schloßpfarrer in Kottbus, giebt in seiner Schrift: Leib und Seele
bei Fechner und Lotze (Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht, 1894) dem Ver¬
suche Fechners den Vorzug. Fechuers Atome sind nicht, wie Lotzes Monaden,
selbständige beseelte Wesen (selbständig abgesehen von ihrem Verhältnis zu Gott),
sondern nur Teile, in die der Verstand des Beschauers die Außenwelt zerlegt, die
ihrerseits nichts als Erscheinung ist. Die Lehren der beiden Philosophen werden
nach ihren Hauptwerke» in dem Schriftchen klar und fesselnd dargelegt; die Ent¬
scheidung für den einen oder den andern oder die Ablehnung beider bleibt selbst¬
verständlich auch nach noch so überzeugenden Beweisführungen zuguderletzt immer


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[0252] Litteratur Erklärung. Der Reichstagsabgeordnete Herr Jebsen hat in der Sitzung vom 14. Februar 1895 mit Bezug auf meine Schrift: „Schutz für unsre See¬ leute" geäußert: „Ich kaun nicht leugnen, daß durch diese ganze Broschüre ein ge¬ wisser Ton der Gehässigkeit gegen die deutsche Reederei geht, wenn ihr Habsucht vorgeworfen wird, Geldgier und Gewinnsucht, daß wir nur auf Geldverdienen aus¬ gingen, und man bei uns gar kein Juteresse für das Wohl unsrer Leute, unsrer Mannschaften entdecken könne. Ich könnte vielleicht Herrn Wislieeuus in andrer Münze heimzahlen, will es aber nicht thun, ich geuire mich; es sind aber genug, die ihm etwas ganz andres sagen könnten." Auf meine Aufforderung, mir mitzuteilen, was er mit dieser Äußerung ge¬ meint habe, schrieb mir Herr Jebsen folgendes: „Ich muß gestehen und kann nur bedauern, daß die von mir in der Hitze der Erregung bei der parlamentarischen Debatte gemachte Äußerung sehr ungeschickt und konfus abgefaßt war, wie solches in ähnlichen Fällen .gelegentlich besser geschulten Parlamentariern Passirt ist. Ich wollte nämlich bedeuten, daß mit demselben Recht oder Unrecht, mit dem Sie in Ihrer Broschüre die Reeber, Assekuranzagenten u. s. w. angreifen und denselben nicht sehr lautere Motive zuschieben, man Ihnen vielleicht in andrer Münze heim¬ zahlen könnte, ich selber würde mich geniren, andre von Ihnen angegriffne Per¬ sonen könnten vielleicht anders denken. Was liegt nämlich näher, als daß solche Leute sich sagen, daß, da diese Beaufsichtigung des Schiffsbaus Vonseiten des Reichs von Sr. Majestät gewünscht wird, Sie sich mit dieser Broschüre nach oben hin bemerkbar und beliebt machen wollen, eine Äußerung, die ich verschiedentlich gehört habe, und worüber Sie sich nicht wundern müssen, da, wenn man Leute angreift, mau sich auch Angriffen aussetzt." Herr Jebsen hatte mir versprochen, mir bei der dritten Lesung des Etats durch eine Bemerkung, die er einflechten wollte, Genugthuung zu geben. Da er dies verabsäumt hat, sehe ich mich genötigt, mir durch Veröffentlichung seines B G. Wislicenus riefes diese Genugthuung selber zu verschaffen. Litteratur Neue philosophische Schriften. Unter den Versuchen, die geheimnisvolle Wirklichkeit der Dinge dem Geiste denkbar und der Phantasie vorstellbar zu machen, hat wohl keiner so weite Kreise befriedigt wie Lotzes Mikrokosmus. Dr. Theodor Simon, Schloßpfarrer in Kottbus, giebt in seiner Schrift: Leib und Seele bei Fechner und Lotze (Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht, 1894) dem Ver¬ suche Fechners den Vorzug. Fechuers Atome sind nicht, wie Lotzes Monaden, selbständige beseelte Wesen (selbständig abgesehen von ihrem Verhältnis zu Gott), sondern nur Teile, in die der Verstand des Beschauers die Außenwelt zerlegt, die ihrerseits nichts als Erscheinung ist. Die Lehren der beiden Philosophen werden nach ihren Hauptwerke» in dem Schriftchen klar und fesselnd dargelegt; die Ent¬ scheidung für den einen oder den andern oder die Ablehnung beider bleibt selbst¬ verständlich auch nach noch so überzeugenden Beweisführungen zuguderletzt immer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/252>, abgerufen am 29.08.2024.