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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Der hohe Adel in Preußen

lente herabgesunken, wie das bei der hohen Aristokratie mancher Staaten des
Festlandes 'der Fall ist.

In Preußen spielt die hohe Aristokratie nicht die bedeutende politische
Rolle, die ihr in den Anfängen des Verfassungsstaats von der Krone zugedacht
war, und die seiner sozialen Stellung angemessen erscheint. Die regierenden
Kreise sind dort seit Ausbildung des Staatswesens in der Hauptsache "junker¬
licher" Herkunft, nur zum Teil vermischt mit Vertretern des wohlhabenden
Bürgertums. Die Mitglieder des Kleinadels stehen an der Spitze des Militärs
und der allgemeinen Landesverwaltung, der beiden Dienstgattuugen, die im
Staate den größten Einfluß gewähren und das höchste Ansehen genießen.
Weder Verfassung noch langjährige liberale Gesetzgebung noch die sür die Ver¬
waltung eingeführte Nechtskvntrolle haben das militärisch-polizeiliche Gepräge
zerstören können, das den Staat seit seiner Jugend gekennzeichnet hat. Der
kleine Adel hat die wichtigsten Ämter inne, die ein Staat von solchem Cha¬
rakter zu vergeben hat. Zum überwiegenden Teil stellt er aus seinen Kreisen
die Generale, die Ober- und Regierungspräsidenten, die Polizeidirektoren und
Landräte, die Botschafter und Gesandten. Von den Ministerportefeuilles ent¬
gehen ihm die, die nach Auffassung der herrschenden Kreise als die wichtigsten
gelten, wie die des Kriegs und des Innern, nnr ganz selten; weniger Wert
legt er auf andre Ressorts und auf die eigentlichen Fachverwaltungen, in denen
ihm schon von Alters her die lebhafte Konkurrenz der bürgerlichen Juristen
entgegengetreten ist. Seine Beziehungen zum Hofe dagegen sind sehr lebendig
und vergleichungsweise fester geknüpft als die des hohen Adels.

Der Junkeradel hat in Preußen eine große mit Staat und Monarchie
eng verbundne Überlieferung. Er hat stets die nähere Umgebung des Mon¬
archen gebildet. Der Hofstaat und bis auf geringe Ausnahmen das militä¬
rische Gefolge ist bis auf den heutigen Tag aus Personen adlichen Standes
zusammengesetzt, und auf den hohen Staatsposten sind vorzugsweise diese zu
finden, wie früher. Der Junkeradel hat auch -- das ist nicht wegzuleugnen ^
gewöhnlich in erster Linie unter allen Unterthanen die Interessen der Monarchie
und des Staats, wie er sie verstand, kräftig verfochten, freilich waren bei Lage
der Dinge diese Interessen sehr oft die seinigen. Aus seinen Reihen sind be¬
deutende Staatsmänner und Feldherren hervorgegangen, jede ruhmreiche Zeit
des Staats, allerdings auch jedes Mißgeschick, das den Staat betroffen hat,
steht in Verbindung mit einem Adelsnamen.

Der eigentliche Standesherrschaftsadel dagegen war in der Jugend des
Staats nur schwach vertreten. Zwar gab es in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts eine große Anzahl von angesehenen Geschlechtern des Grundadels,
die in ihren Verzweigungen einen stattlichen Familienbesitz hatten, aber darunter
waren nur wenige, die Standesherrschaften besaßen und dadurch über den
Rittergutsbesitzer hinausragten. Im Brandenburgischen z. B. besaß schon da-


Grenzboten II 1895 Z
Der hohe Adel in Preußen

lente herabgesunken, wie das bei der hohen Aristokratie mancher Staaten des
Festlandes 'der Fall ist.

In Preußen spielt die hohe Aristokratie nicht die bedeutende politische
Rolle, die ihr in den Anfängen des Verfassungsstaats von der Krone zugedacht
war, und die seiner sozialen Stellung angemessen erscheint. Die regierenden
Kreise sind dort seit Ausbildung des Staatswesens in der Hauptsache „junker¬
licher" Herkunft, nur zum Teil vermischt mit Vertretern des wohlhabenden
Bürgertums. Die Mitglieder des Kleinadels stehen an der Spitze des Militärs
und der allgemeinen Landesverwaltung, der beiden Dienstgattuugen, die im
Staate den größten Einfluß gewähren und das höchste Ansehen genießen.
Weder Verfassung noch langjährige liberale Gesetzgebung noch die sür die Ver¬
waltung eingeführte Nechtskvntrolle haben das militärisch-polizeiliche Gepräge
zerstören können, das den Staat seit seiner Jugend gekennzeichnet hat. Der
kleine Adel hat die wichtigsten Ämter inne, die ein Staat von solchem Cha¬
rakter zu vergeben hat. Zum überwiegenden Teil stellt er aus seinen Kreisen
die Generale, die Ober- und Regierungspräsidenten, die Polizeidirektoren und
Landräte, die Botschafter und Gesandten. Von den Ministerportefeuilles ent¬
gehen ihm die, die nach Auffassung der herrschenden Kreise als die wichtigsten
gelten, wie die des Kriegs und des Innern, nnr ganz selten; weniger Wert
legt er auf andre Ressorts und auf die eigentlichen Fachverwaltungen, in denen
ihm schon von Alters her die lebhafte Konkurrenz der bürgerlichen Juristen
entgegengetreten ist. Seine Beziehungen zum Hofe dagegen sind sehr lebendig
und vergleichungsweise fester geknüpft als die des hohen Adels.

Der Junkeradel hat in Preußen eine große mit Staat und Monarchie
eng verbundne Überlieferung. Er hat stets die nähere Umgebung des Mon¬
archen gebildet. Der Hofstaat und bis auf geringe Ausnahmen das militä¬
rische Gefolge ist bis auf den heutigen Tag aus Personen adlichen Standes
zusammengesetzt, und auf den hohen Staatsposten sind vorzugsweise diese zu
finden, wie früher. Der Junkeradel hat auch — das ist nicht wegzuleugnen ^
gewöhnlich in erster Linie unter allen Unterthanen die Interessen der Monarchie
und des Staats, wie er sie verstand, kräftig verfochten, freilich waren bei Lage
der Dinge diese Interessen sehr oft die seinigen. Aus seinen Reihen sind be¬
deutende Staatsmänner und Feldherren hervorgegangen, jede ruhmreiche Zeit
des Staats, allerdings auch jedes Mißgeschick, das den Staat betroffen hat,
steht in Verbindung mit einem Adelsnamen.

Der eigentliche Standesherrschaftsadel dagegen war in der Jugend des
Staats nur schwach vertreten. Zwar gab es in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts eine große Anzahl von angesehenen Geschlechtern des Grundadels,
die in ihren Verzweigungen einen stattlichen Familienbesitz hatten, aber darunter
waren nur wenige, die Standesherrschaften besaßen und dadurch über den
Rittergutsbesitzer hinausragten. Im Brandenburgischen z. B. besaß schon da-


Grenzboten II 1895 Z
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[0025] Der hohe Adel in Preußen lente herabgesunken, wie das bei der hohen Aristokratie mancher Staaten des Festlandes 'der Fall ist. In Preußen spielt die hohe Aristokratie nicht die bedeutende politische Rolle, die ihr in den Anfängen des Verfassungsstaats von der Krone zugedacht war, und die seiner sozialen Stellung angemessen erscheint. Die regierenden Kreise sind dort seit Ausbildung des Staatswesens in der Hauptsache „junker¬ licher" Herkunft, nur zum Teil vermischt mit Vertretern des wohlhabenden Bürgertums. Die Mitglieder des Kleinadels stehen an der Spitze des Militärs und der allgemeinen Landesverwaltung, der beiden Dienstgattuugen, die im Staate den größten Einfluß gewähren und das höchste Ansehen genießen. Weder Verfassung noch langjährige liberale Gesetzgebung noch die sür die Ver¬ waltung eingeführte Nechtskvntrolle haben das militärisch-polizeiliche Gepräge zerstören können, das den Staat seit seiner Jugend gekennzeichnet hat. Der kleine Adel hat die wichtigsten Ämter inne, die ein Staat von solchem Cha¬ rakter zu vergeben hat. Zum überwiegenden Teil stellt er aus seinen Kreisen die Generale, die Ober- und Regierungspräsidenten, die Polizeidirektoren und Landräte, die Botschafter und Gesandten. Von den Ministerportefeuilles ent¬ gehen ihm die, die nach Auffassung der herrschenden Kreise als die wichtigsten gelten, wie die des Kriegs und des Innern, nnr ganz selten; weniger Wert legt er auf andre Ressorts und auf die eigentlichen Fachverwaltungen, in denen ihm schon von Alters her die lebhafte Konkurrenz der bürgerlichen Juristen entgegengetreten ist. Seine Beziehungen zum Hofe dagegen sind sehr lebendig und vergleichungsweise fester geknüpft als die des hohen Adels. Der Junkeradel hat in Preußen eine große mit Staat und Monarchie eng verbundne Überlieferung. Er hat stets die nähere Umgebung des Mon¬ archen gebildet. Der Hofstaat und bis auf geringe Ausnahmen das militä¬ rische Gefolge ist bis auf den heutigen Tag aus Personen adlichen Standes zusammengesetzt, und auf den hohen Staatsposten sind vorzugsweise diese zu finden, wie früher. Der Junkeradel hat auch — das ist nicht wegzuleugnen ^ gewöhnlich in erster Linie unter allen Unterthanen die Interessen der Monarchie und des Staats, wie er sie verstand, kräftig verfochten, freilich waren bei Lage der Dinge diese Interessen sehr oft die seinigen. Aus seinen Reihen sind be¬ deutende Staatsmänner und Feldherren hervorgegangen, jede ruhmreiche Zeit des Staats, allerdings auch jedes Mißgeschick, das den Staat betroffen hat, steht in Verbindung mit einem Adelsnamen. Der eigentliche Standesherrschaftsadel dagegen war in der Jugend des Staats nur schwach vertreten. Zwar gab es in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts eine große Anzahl von angesehenen Geschlechtern des Grundadels, die in ihren Verzweigungen einen stattlichen Familienbesitz hatten, aber darunter waren nur wenige, die Standesherrschaften besaßen und dadurch über den Rittergutsbesitzer hinausragten. Im Brandenburgischen z. B. besaß schon da- Grenzboten II 1895 Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/25>, abgerufen am 25.08.2024.