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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag

Die ältern Schnelldampfer tragen einen Ballast aus gußeisernen Platten, die
unten im Schiff eingemauert sind. So war es wohl auch bei der Elbe. Daß diese
nur einen Boden hatte, macht sie zu einem minder zuverlässigen Schiffe;
der Fall des Great Eastern steht keineswegs vereinzelt da, auch ist es schon
oft vorgekommen, daß ein Schiff auf ein treibendes Wrack oder auf schweres
Eis geraten ist. Oder ein andrer Fall: ein Schiff streicht, ohne daß mens
merkt, über die anfragende Schaufel eines an seichter Stelle verloren gegangnen
Ankers und reißt sich den ganzen untern Boden auf. In diesem Zustande
vollendet es die Reise, löscht die Ladung, nimmt neue ein und gelangt
glücklich in die Heimat zurück, wo man im Dock den vollen Umfang des
Schadens mit Staunen wahrnimmt.

Durch sämtliche Abteilungen des Schiffs verzweigt sich eine Rohrleitung,
die mit starken Pumpen (Lenz- oder Leckpumpen) verbunden ist. Mit dieser
Vorrichtung kann ein großer Dampfer in einer Viertelstunde Hunderte von
Tonnen Wassers hinauswerfen. Die Antriebmaschine sollte auf dem Oberdeck
stehen, weil bei Überflutung des allgemeinen Maschinenraums das Pumpen
unmöglich wäre. Diese selbe Hilfsmaschine ist zur Aufrechterhaltung der elek¬
trischen Beleuchtung notwendig, von der es bezüglich der Elbe hieß, daß sie
wegen des eingedrungnen Wassers bald versagt habe. Bei Ausbruch eines
Brandes unter Deck kaun man in die Rohre Dampf treten lassen, um das
Feuer zu ersticken. Jeden Abend wird das Löschschlauchwerk in Bereitschaft
gesetzt. Die Feuersgefahr ist keineswegs zu unterschätzen, wie das der aller¬
dings schon über dreißig Jahre zurückliegende, aber durch seine Furchtbarkeit
noch immer denkwürdige Brand der Austria zeigt, bei dem von 439 Fahr¬
gästen und 103 Mann Besatzung 367 und 87 nahe den Neufundlandsbänken
ums Leben gekommen sind. Das Feuer war durch die Unvorsichtigkeit eines
Matrosen entstanden, der einen Kessel mit Teer entzündet hatte. Vor wenigen
Jahren verbrannte, 1500 Seemeilen vom Lande, der meist mit Baumwolle
beladne Guioudampfer Abyssinia. Seine 1ö7 Personen wurden von einem
vorüberkommenden Lloyddampfer aufgenommen. Angeblich war die Baumwolle
nachlässig vom Maschinenraum getrennt gewesen. Die Ladung kann sich aber
auch von selbst entzünden, namentlich wenn sie aus Faserstoffen besteht, wie
Wolle, Baumwolle, Flachs, Hanf u. s. w., die sich leicht erhitzen, wenn sie
mit Öl- oder Fettgebinden in Berührung kommen oder in feuchtem Zustande
sich an einander reiben. Vermutlich auf diese Weise war auch das Feuer ent¬
standen, das man vorvorigen Herbst nachts im Laderaum eines deutschen
Dampfers entdeckte. Nach vergeblichem Bemühen, auf dem gewöhnlichen Wege
vorzugehen, durchbrach man den Boden des Gesellschaftssaals der ersten Kajüte
und ließ durch die Öffnung Wasser laufen, während gleichzeitig die Schiffs¬
wand von außen mit der Spritze gekühlt wurde. Auch der Inhalt der Kohlen¬
bunker kann gefährlich werden; schon häufig ist es durch Entzündung von um-


Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag

Die ältern Schnelldampfer tragen einen Ballast aus gußeisernen Platten, die
unten im Schiff eingemauert sind. So war es wohl auch bei der Elbe. Daß diese
nur einen Boden hatte, macht sie zu einem minder zuverlässigen Schiffe;
der Fall des Great Eastern steht keineswegs vereinzelt da, auch ist es schon
oft vorgekommen, daß ein Schiff auf ein treibendes Wrack oder auf schweres
Eis geraten ist. Oder ein andrer Fall: ein Schiff streicht, ohne daß mens
merkt, über die anfragende Schaufel eines an seichter Stelle verloren gegangnen
Ankers und reißt sich den ganzen untern Boden auf. In diesem Zustande
vollendet es die Reise, löscht die Ladung, nimmt neue ein und gelangt
glücklich in die Heimat zurück, wo man im Dock den vollen Umfang des
Schadens mit Staunen wahrnimmt.

Durch sämtliche Abteilungen des Schiffs verzweigt sich eine Rohrleitung,
die mit starken Pumpen (Lenz- oder Leckpumpen) verbunden ist. Mit dieser
Vorrichtung kann ein großer Dampfer in einer Viertelstunde Hunderte von
Tonnen Wassers hinauswerfen. Die Antriebmaschine sollte auf dem Oberdeck
stehen, weil bei Überflutung des allgemeinen Maschinenraums das Pumpen
unmöglich wäre. Diese selbe Hilfsmaschine ist zur Aufrechterhaltung der elek¬
trischen Beleuchtung notwendig, von der es bezüglich der Elbe hieß, daß sie
wegen des eingedrungnen Wassers bald versagt habe. Bei Ausbruch eines
Brandes unter Deck kaun man in die Rohre Dampf treten lassen, um das
Feuer zu ersticken. Jeden Abend wird das Löschschlauchwerk in Bereitschaft
gesetzt. Die Feuersgefahr ist keineswegs zu unterschätzen, wie das der aller¬
dings schon über dreißig Jahre zurückliegende, aber durch seine Furchtbarkeit
noch immer denkwürdige Brand der Austria zeigt, bei dem von 439 Fahr¬
gästen und 103 Mann Besatzung 367 und 87 nahe den Neufundlandsbänken
ums Leben gekommen sind. Das Feuer war durch die Unvorsichtigkeit eines
Matrosen entstanden, der einen Kessel mit Teer entzündet hatte. Vor wenigen
Jahren verbrannte, 1500 Seemeilen vom Lande, der meist mit Baumwolle
beladne Guioudampfer Abyssinia. Seine 1ö7 Personen wurden von einem
vorüberkommenden Lloyddampfer aufgenommen. Angeblich war die Baumwolle
nachlässig vom Maschinenraum getrennt gewesen. Die Ladung kann sich aber
auch von selbst entzünden, namentlich wenn sie aus Faserstoffen besteht, wie
Wolle, Baumwolle, Flachs, Hanf u. s. w., die sich leicht erhitzen, wenn sie
mit Öl- oder Fettgebinden in Berührung kommen oder in feuchtem Zustande
sich an einander reiben. Vermutlich auf diese Weise war auch das Feuer ent¬
standen, das man vorvorigen Herbst nachts im Laderaum eines deutschen
Dampfers entdeckte. Nach vergeblichem Bemühen, auf dem gewöhnlichen Wege
vorzugehen, durchbrach man den Boden des Gesellschaftssaals der ersten Kajüte
und ließ durch die Öffnung Wasser laufen, während gleichzeitig die Schiffs¬
wand von außen mit der Spritze gekühlt wurde. Auch der Inhalt der Kohlen¬
bunker kann gefährlich werden; schon häufig ist es durch Entzündung von um-


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[0178] Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag Die ältern Schnelldampfer tragen einen Ballast aus gußeisernen Platten, die unten im Schiff eingemauert sind. So war es wohl auch bei der Elbe. Daß diese nur einen Boden hatte, macht sie zu einem minder zuverlässigen Schiffe; der Fall des Great Eastern steht keineswegs vereinzelt da, auch ist es schon oft vorgekommen, daß ein Schiff auf ein treibendes Wrack oder auf schweres Eis geraten ist. Oder ein andrer Fall: ein Schiff streicht, ohne daß mens merkt, über die anfragende Schaufel eines an seichter Stelle verloren gegangnen Ankers und reißt sich den ganzen untern Boden auf. In diesem Zustande vollendet es die Reise, löscht die Ladung, nimmt neue ein und gelangt glücklich in die Heimat zurück, wo man im Dock den vollen Umfang des Schadens mit Staunen wahrnimmt. Durch sämtliche Abteilungen des Schiffs verzweigt sich eine Rohrleitung, die mit starken Pumpen (Lenz- oder Leckpumpen) verbunden ist. Mit dieser Vorrichtung kann ein großer Dampfer in einer Viertelstunde Hunderte von Tonnen Wassers hinauswerfen. Die Antriebmaschine sollte auf dem Oberdeck stehen, weil bei Überflutung des allgemeinen Maschinenraums das Pumpen unmöglich wäre. Diese selbe Hilfsmaschine ist zur Aufrechterhaltung der elek¬ trischen Beleuchtung notwendig, von der es bezüglich der Elbe hieß, daß sie wegen des eingedrungnen Wassers bald versagt habe. Bei Ausbruch eines Brandes unter Deck kaun man in die Rohre Dampf treten lassen, um das Feuer zu ersticken. Jeden Abend wird das Löschschlauchwerk in Bereitschaft gesetzt. Die Feuersgefahr ist keineswegs zu unterschätzen, wie das der aller¬ dings schon über dreißig Jahre zurückliegende, aber durch seine Furchtbarkeit noch immer denkwürdige Brand der Austria zeigt, bei dem von 439 Fahr¬ gästen und 103 Mann Besatzung 367 und 87 nahe den Neufundlandsbänken ums Leben gekommen sind. Das Feuer war durch die Unvorsichtigkeit eines Matrosen entstanden, der einen Kessel mit Teer entzündet hatte. Vor wenigen Jahren verbrannte, 1500 Seemeilen vom Lande, der meist mit Baumwolle beladne Guioudampfer Abyssinia. Seine 1ö7 Personen wurden von einem vorüberkommenden Lloyddampfer aufgenommen. Angeblich war die Baumwolle nachlässig vom Maschinenraum getrennt gewesen. Die Ladung kann sich aber auch von selbst entzünden, namentlich wenn sie aus Faserstoffen besteht, wie Wolle, Baumwolle, Flachs, Hanf u. s. w., die sich leicht erhitzen, wenn sie mit Öl- oder Fettgebinden in Berührung kommen oder in feuchtem Zustande sich an einander reiben. Vermutlich auf diese Weise war auch das Feuer ent¬ standen, das man vorvorigen Herbst nachts im Laderaum eines deutschen Dampfers entdeckte. Nach vergeblichem Bemühen, auf dem gewöhnlichen Wege vorzugehen, durchbrach man den Boden des Gesellschaftssaals der ersten Kajüte und ließ durch die Öffnung Wasser laufen, während gleichzeitig die Schiffs¬ wand von außen mit der Spritze gekühlt wurde. Auch der Inhalt der Kohlen¬ bunker kann gefährlich werden; schon häufig ist es durch Entzündung von um-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/178>, abgerufen am 26.08.2024.