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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag

Nebenmaschine getrennt ist, so kann beim Verunglücken einer Maschine das
Schiff seinen Weg ruhig fortsetzen. Dagegen wird der beschädigte Einschrauben-
dampfer sofort zum Spielball der Wellen, wenn er, wie dies bei den Schnell¬
dampfern der Fall ist, die Takelung als lustig ganz abgelegt hat. Übrigens
vermag es selbst der stärkstbesegelte Dampfer mit einem mittelmäßigen Segler
nicht aufzunehmen; eine kleine Brise hilft wenig, und ein Sturm ist nicht immer
nutzbar, er müßte denn recht von hinten kommen; zudem sind die Flügel der
Schraube hinderlich. Vor einem Jahrzehnt hegte man um den Dampfer
Anchoria große Besorgnis, der mit 700 Menschen sechzehn Tage ausblieb;
infolge von Bruch des Schraubeuschafts, d. h. der Welle, die an ihrem hintern
Ende die Schraube trägt, war er von seinem Kurse uach Norden abgetrieben
und hatte bei ungünstigem Winde täglich nur 25 Seemeilen Wegs zurück¬
legen können. Etwas ähnliches haben wir vor kurzem mit der Gascogne erlebt.
Die Verhinderer hatten sich bereits zum Teil darein gefügt, zu hohem Preise
Rückversicherung zu nehmen. Der Unfall der Gascogne dürfte auch der
Reederei nicht billig zu stehen gekommen sein, da diese angeblich zwei ihrer Haupt¬
dampfer (La Normandie und La Vonrgogne, f. d. Tabelle), sowie ein Dutzend
amerikanische Schlepper auf die Suche geschickt hatte. Der norddeutsche Llohd
mußte vor zwei Jahren einem kleinen englischen Dampfer für das Einschleppen
der Spree 240000 Mark zahlen. Ein schweres Schiffsnnglück kann der Reederei
schon dadurch arge Verlegenheit schaffen, daß es ihren Fahrplan umwirft.

Zur Sicherung gegen Wassersgesahr von außen und Feuersgefahr von
innen ist das Schiff durch wasserdichte Scheidewände, Schotten genannt, in
Unterabteilungen zerlegt. Das vorderste, das sogenannte Kollisionsschott, das
etwa sechs bis sieben Meter vom Kopfe des Schiffes absteht, ist besonders
fest hergestellt, damit es dem Andrange des Wassers widerstehen könne, wenn
etwa, wie z. V. in dem Falle der Arizona, mit verletztem Bug weitergedampft
werden muß. Das hinterste oder Stopsbüchsenschott soll dem Eindringen des
Wassers wehren, wenn die Stelle, wo die Schraubenwelle ins Freie tritt, un¬
dicht wird, oder am Hinterschiff ein schwerer Schaden entsteht, wie ihn
unter andern die Spree erlitten hat. Die Zahl der durch die Schotten ge¬
schaffnen Unterabteilangen muß zu der Tragfähigkeit des Schiffs im Verhältnis
stehen. Die neuen Cunarddampfer haben auf 190 Meter Länge neunzehn
Schotten, das Maschinenlängsschvtt einbegriffen; die Elbe hatte auf 128 Meter
sieben Querschotten. Ohne Frage würde die bedeutendere Neserveschwimmkraft
der Cunarddampfer -- sie mag bis zu 50 Prozent der Gesamtschwimmkraft be¬
tragen, denn bei diesen Schiffen ist nur für 1600 Tons Ladegut Raum vor¬
gesehen -- die der Elbe verderblich gewordnen Wassermassen mit Leichtigkeit
bewältigt haben, wie das in ähnlichem Falle die Paris vermocht hat. Die
Thüren der Schotten sollten vom Oberdeck aus verschließbar sein, damit sie
nicht bei Unzugänglichkeit der überschwemmten Abteilungen unnahbar sind.


Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag

Nebenmaschine getrennt ist, so kann beim Verunglücken einer Maschine das
Schiff seinen Weg ruhig fortsetzen. Dagegen wird der beschädigte Einschrauben-
dampfer sofort zum Spielball der Wellen, wenn er, wie dies bei den Schnell¬
dampfern der Fall ist, die Takelung als lustig ganz abgelegt hat. Übrigens
vermag es selbst der stärkstbesegelte Dampfer mit einem mittelmäßigen Segler
nicht aufzunehmen; eine kleine Brise hilft wenig, und ein Sturm ist nicht immer
nutzbar, er müßte denn recht von hinten kommen; zudem sind die Flügel der
Schraube hinderlich. Vor einem Jahrzehnt hegte man um den Dampfer
Anchoria große Besorgnis, der mit 700 Menschen sechzehn Tage ausblieb;
infolge von Bruch des Schraubeuschafts, d. h. der Welle, die an ihrem hintern
Ende die Schraube trägt, war er von seinem Kurse uach Norden abgetrieben
und hatte bei ungünstigem Winde täglich nur 25 Seemeilen Wegs zurück¬
legen können. Etwas ähnliches haben wir vor kurzem mit der Gascogne erlebt.
Die Verhinderer hatten sich bereits zum Teil darein gefügt, zu hohem Preise
Rückversicherung zu nehmen. Der Unfall der Gascogne dürfte auch der
Reederei nicht billig zu stehen gekommen sein, da diese angeblich zwei ihrer Haupt¬
dampfer (La Normandie und La Vonrgogne, f. d. Tabelle), sowie ein Dutzend
amerikanische Schlepper auf die Suche geschickt hatte. Der norddeutsche Llohd
mußte vor zwei Jahren einem kleinen englischen Dampfer für das Einschleppen
der Spree 240000 Mark zahlen. Ein schweres Schiffsnnglück kann der Reederei
schon dadurch arge Verlegenheit schaffen, daß es ihren Fahrplan umwirft.

Zur Sicherung gegen Wassersgesahr von außen und Feuersgefahr von
innen ist das Schiff durch wasserdichte Scheidewände, Schotten genannt, in
Unterabteilungen zerlegt. Das vorderste, das sogenannte Kollisionsschott, das
etwa sechs bis sieben Meter vom Kopfe des Schiffes absteht, ist besonders
fest hergestellt, damit es dem Andrange des Wassers widerstehen könne, wenn
etwa, wie z. V. in dem Falle der Arizona, mit verletztem Bug weitergedampft
werden muß. Das hinterste oder Stopsbüchsenschott soll dem Eindringen des
Wassers wehren, wenn die Stelle, wo die Schraubenwelle ins Freie tritt, un¬
dicht wird, oder am Hinterschiff ein schwerer Schaden entsteht, wie ihn
unter andern die Spree erlitten hat. Die Zahl der durch die Schotten ge¬
schaffnen Unterabteilangen muß zu der Tragfähigkeit des Schiffs im Verhältnis
stehen. Die neuen Cunarddampfer haben auf 190 Meter Länge neunzehn
Schotten, das Maschinenlängsschvtt einbegriffen; die Elbe hatte auf 128 Meter
sieben Querschotten. Ohne Frage würde die bedeutendere Neserveschwimmkraft
der Cunarddampfer — sie mag bis zu 50 Prozent der Gesamtschwimmkraft be¬
tragen, denn bei diesen Schiffen ist nur für 1600 Tons Ladegut Raum vor¬
gesehen — die der Elbe verderblich gewordnen Wassermassen mit Leichtigkeit
bewältigt haben, wie das in ähnlichem Falle die Paris vermocht hat. Die
Thüren der Schotten sollten vom Oberdeck aus verschließbar sein, damit sie
nicht bei Unzugänglichkeit der überschwemmten Abteilungen unnahbar sind.


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[0176] Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag Nebenmaschine getrennt ist, so kann beim Verunglücken einer Maschine das Schiff seinen Weg ruhig fortsetzen. Dagegen wird der beschädigte Einschrauben- dampfer sofort zum Spielball der Wellen, wenn er, wie dies bei den Schnell¬ dampfern der Fall ist, die Takelung als lustig ganz abgelegt hat. Übrigens vermag es selbst der stärkstbesegelte Dampfer mit einem mittelmäßigen Segler nicht aufzunehmen; eine kleine Brise hilft wenig, und ein Sturm ist nicht immer nutzbar, er müßte denn recht von hinten kommen; zudem sind die Flügel der Schraube hinderlich. Vor einem Jahrzehnt hegte man um den Dampfer Anchoria große Besorgnis, der mit 700 Menschen sechzehn Tage ausblieb; infolge von Bruch des Schraubeuschafts, d. h. der Welle, die an ihrem hintern Ende die Schraube trägt, war er von seinem Kurse uach Norden abgetrieben und hatte bei ungünstigem Winde täglich nur 25 Seemeilen Wegs zurück¬ legen können. Etwas ähnliches haben wir vor kurzem mit der Gascogne erlebt. Die Verhinderer hatten sich bereits zum Teil darein gefügt, zu hohem Preise Rückversicherung zu nehmen. Der Unfall der Gascogne dürfte auch der Reederei nicht billig zu stehen gekommen sein, da diese angeblich zwei ihrer Haupt¬ dampfer (La Normandie und La Vonrgogne, f. d. Tabelle), sowie ein Dutzend amerikanische Schlepper auf die Suche geschickt hatte. Der norddeutsche Llohd mußte vor zwei Jahren einem kleinen englischen Dampfer für das Einschleppen der Spree 240000 Mark zahlen. Ein schweres Schiffsnnglück kann der Reederei schon dadurch arge Verlegenheit schaffen, daß es ihren Fahrplan umwirft. Zur Sicherung gegen Wassersgesahr von außen und Feuersgefahr von innen ist das Schiff durch wasserdichte Scheidewände, Schotten genannt, in Unterabteilungen zerlegt. Das vorderste, das sogenannte Kollisionsschott, das etwa sechs bis sieben Meter vom Kopfe des Schiffes absteht, ist besonders fest hergestellt, damit es dem Andrange des Wassers widerstehen könne, wenn etwa, wie z. V. in dem Falle der Arizona, mit verletztem Bug weitergedampft werden muß. Das hinterste oder Stopsbüchsenschott soll dem Eindringen des Wassers wehren, wenn die Stelle, wo die Schraubenwelle ins Freie tritt, un¬ dicht wird, oder am Hinterschiff ein schwerer Schaden entsteht, wie ihn unter andern die Spree erlitten hat. Die Zahl der durch die Schotten ge¬ schaffnen Unterabteilangen muß zu der Tragfähigkeit des Schiffs im Verhältnis stehen. Die neuen Cunarddampfer haben auf 190 Meter Länge neunzehn Schotten, das Maschinenlängsschvtt einbegriffen; die Elbe hatte auf 128 Meter sieben Querschotten. Ohne Frage würde die bedeutendere Neserveschwimmkraft der Cunarddampfer — sie mag bis zu 50 Prozent der Gesamtschwimmkraft be¬ tragen, denn bei diesen Schiffen ist nur für 1600 Tons Ladegut Raum vor¬ gesehen — die der Elbe verderblich gewordnen Wassermassen mit Leichtigkeit bewältigt haben, wie das in ähnlichem Falle die Paris vermocht hat. Die Thüren der Schotten sollten vom Oberdeck aus verschließbar sein, damit sie nicht bei Unzugänglichkeit der überschwemmten Abteilungen unnahbar sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/176>, abgerufen am 22.12.2024.