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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag

mische Überlegenheit unbestreitbar. Zunächst, weil sich bei ihnen die Ar¬
beitsleistung auf zwei Motoren verteilt, deren Maße kleiner genommen
werden können als die eines großen Motors, was die tadellose Ausführung
der Einzelteile erleichtert. Ferner sind die Zweischraubendampfer so sehr viel
beweglicher, daß sie im Notfall ohne Ruder steuern, während bei andern
Schiffen das Versage" der Steuervorrichtung den Eintritt völliger Hilflosigkeit
bedeutet. Der Zweischraubendampser wird, wenn es einem plötzlich auftreten¬
den Hindernis auszuweichen gilt, oft noch heil davonkommen, wo das Ein-
schraubeuschiff schweren Schaden nimmt. So raunte z. B. der Einschrauben¬
dampfer Arizona mit voller Kraft gegen einen Eisberg an und wäre ohne den
Umstand, daß der Stoß das besonders gut versorgte Vorderschiff traf, verloren
gewesen. Zehn Jahre später war der Doppelschraubendampfer Nvrmannia
nahe daran, es ihm nnchzuthun. Bei seiner größern Masse und Geschwindigkeit
hätte der Fall wohl schlimm geendigt, denn die Stoßwirkung entspricht der
dem Schiffe innewohnenden lebendigen Kraft und steigt (und sinkt) nicht im
einfachen Verhältnis, sondern mit dem Quadrat der Geschwindigkeit.*) Aber in¬
dem man bei der Normannia zur Unterstützung des Ruders die eine Schraube
zurückarbeiten ließ, brachte man sie noch zeitig zum "Abfallen," obschon die
Entfernung des aus dem Nebel auftauchenden Eiskolofses nicht mehr als
150 Meter betragen haben soll und das Ausweichen so knapp war, daß der
Dampfer eine Menge Eis und Schnee bekam. Das Eiuschraubenschiff be-
chreibt beim Drehen einen Kreis von dem Fünf- bis Achtfachen seiner Länge,
während das Zweischraubenschiff nötigenfalls innerhalb seiner eignen Länge
wendet, was z. B. bei dem 160 Meter langen Doppelschraubeudampfer Paris,
dessen Ruderfläche etwa ein Fünfzigste! der Schiffsfläche beträgt, ungefähr sechs
Minuten beansprucht. Die Schiffsfvrm spricht bezüglich der Manövrirfühigkeit
ganz wesentlich mit. Als man die Fahrzeuge noch nicht ans Schnelligkeit
baute, war das Verhältnis von Breite und Länge etwa wie 1:3/5. Solche
Plumpe Fahrzeuge folgen dem Nuder sehr leicht. Mit wachsender Länge ändert
sich das, die Geschwindigkeit nimmt zu, die Lenkbarkeit ab. Die Schnell¬
dampfer sind nunmehr bei dem Verhältnis von 1 : 9/11 angelangt. Es ist
daher sehr erwünscht, durch die Verdopplung der Maschine die gesteigerte Un¬
beholfenheit überwinden zu können. Da jede Maschine für sich zur schnellen
Fortbewegung des Schiffs genügt und durch eine wasserdichte Wand von der



Hiernach ist es sehr wichtig, die Geschwindigkeit einzuschränken, wenn unsichtiges
Wetter oder andre Verhältnisse die Gefahr des Zusammenstoßes nahelegen. Bei halber
Geschwindigkeit ist die Stoßwirkung nicht 2mal, sondern 2x2---4mal geringer als
bei voller Fahrt. Rennen zwei Dampfer mit ganzer Kraft auf einander, so ist der Stoß
2 X 2-^-2 x 2---8mal so stark, als wenn die beiderseitige Geschwindigkeit nur halb so
groß gewesen wäre.
Die transatlantischen Schnelldampfer und der Reichstag

mische Überlegenheit unbestreitbar. Zunächst, weil sich bei ihnen die Ar¬
beitsleistung auf zwei Motoren verteilt, deren Maße kleiner genommen
werden können als die eines großen Motors, was die tadellose Ausführung
der Einzelteile erleichtert. Ferner sind die Zweischraubendampfer so sehr viel
beweglicher, daß sie im Notfall ohne Ruder steuern, während bei andern
Schiffen das Versage» der Steuervorrichtung den Eintritt völliger Hilflosigkeit
bedeutet. Der Zweischraubendampser wird, wenn es einem plötzlich auftreten¬
den Hindernis auszuweichen gilt, oft noch heil davonkommen, wo das Ein-
schraubeuschiff schweren Schaden nimmt. So raunte z. B. der Einschrauben¬
dampfer Arizona mit voller Kraft gegen einen Eisberg an und wäre ohne den
Umstand, daß der Stoß das besonders gut versorgte Vorderschiff traf, verloren
gewesen. Zehn Jahre später war der Doppelschraubendampfer Nvrmannia
nahe daran, es ihm nnchzuthun. Bei seiner größern Masse und Geschwindigkeit
hätte der Fall wohl schlimm geendigt, denn die Stoßwirkung entspricht der
dem Schiffe innewohnenden lebendigen Kraft und steigt (und sinkt) nicht im
einfachen Verhältnis, sondern mit dem Quadrat der Geschwindigkeit.*) Aber in¬
dem man bei der Normannia zur Unterstützung des Ruders die eine Schraube
zurückarbeiten ließ, brachte man sie noch zeitig zum „Abfallen," obschon die
Entfernung des aus dem Nebel auftauchenden Eiskolofses nicht mehr als
150 Meter betragen haben soll und das Ausweichen so knapp war, daß der
Dampfer eine Menge Eis und Schnee bekam. Das Eiuschraubenschiff be-
chreibt beim Drehen einen Kreis von dem Fünf- bis Achtfachen seiner Länge,
während das Zweischraubenschiff nötigenfalls innerhalb seiner eignen Länge
wendet, was z. B. bei dem 160 Meter langen Doppelschraubeudampfer Paris,
dessen Ruderfläche etwa ein Fünfzigste! der Schiffsfläche beträgt, ungefähr sechs
Minuten beansprucht. Die Schiffsfvrm spricht bezüglich der Manövrirfühigkeit
ganz wesentlich mit. Als man die Fahrzeuge noch nicht ans Schnelligkeit
baute, war das Verhältnis von Breite und Länge etwa wie 1:3/5. Solche
Plumpe Fahrzeuge folgen dem Nuder sehr leicht. Mit wachsender Länge ändert
sich das, die Geschwindigkeit nimmt zu, die Lenkbarkeit ab. Die Schnell¬
dampfer sind nunmehr bei dem Verhältnis von 1 : 9/11 angelangt. Es ist
daher sehr erwünscht, durch die Verdopplung der Maschine die gesteigerte Un¬
beholfenheit überwinden zu können. Da jede Maschine für sich zur schnellen
Fortbewegung des Schiffs genügt und durch eine wasserdichte Wand von der



Hiernach ist es sehr wichtig, die Geschwindigkeit einzuschränken, wenn unsichtiges
Wetter oder andre Verhältnisse die Gefahr des Zusammenstoßes nahelegen. Bei halber
Geschwindigkeit ist die Stoßwirkung nicht 2mal, sondern 2x2---4mal geringer als
bei voller Fahrt. Rennen zwei Dampfer mit ganzer Kraft auf einander, so ist der Stoß
2 X 2-^-2 x 2---8mal so stark, als wenn die beiderseitige Geschwindigkeit nur halb so
groß gewesen wäre.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/175>, abgerufen am 22.12.2024.