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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Sedini

als ich nach München gewollt hab, hast du gesagt: Kein Lernen branches da
doch nicht für das Malen; warum soll ich denn jetzt ans andre hören und
nicht thun, was ich mag? Das ist keine Kunst, hast du damals gesagt. --
Wenn ich das gesagt hab, sagt er, so heißt das weiter nichts, als daß ich von
manchem Gewerbe nichts weiß, das sie in Wien und in München und sonst in
den gottverlassen großen Städten treiben. Ich branchs nicht und leurs nicht.
Aber das mein ich: wenn einer zum Metzgermeister Jnnko kommt und bestellt
eine Leberwurst, dann will er eine Leberwurst und leine Schnitzel; und wenn
ich ihm doch Schnitzel schick und laß auch noch dazu sagen: So ists recht, das
ist eure Leberwurst, so sagt er: Der alte Janko ist verrückt, und geht und kauft
bei einem andern. -- Vater, sag ich, die Malerei und deine Wurst sind zweierlei
Sachen. -- Aber die ordentliche Arbeit ist einerlei Sach, beim Schweineschlachten
und bei jedem Gewerbe! -- Und wer sagt denn dir, daß meine Arbeit nicht
ordentlich gemacht ist? -- Das sagt mir der, der sie bestellt hat und dir das
Geld dafür zahlt hat. -- Ach, dann sag nur dem, der mir das Geld dafür
zahlt: Ich will nicht reich werden durch ihn, und wie ich malen muß, das
weiß ich, dn braucht er mir nichts drüber zu sagen. -- Und ich seh jetzt, sagt
der Alte, daß das Geld, mit dem ich hergereist bin, in die Gosse ist, und daß
es bei dir aufs Zigeunern hinausläuft, wie ichs gesagt hab, als du von da¬
heim gegangen bist. Und einen Vaganten zum Sohn will ich nicht haben,
lieber kinderlos sterben!

Sedini spielte wieder im Ans- und Abgehen. Aber als er von der Geige
weg zu Franzi hinblickte, fand er ihre Augen Wache stehen, um seinen Blick
zu erHaschen.

Und ist er wiedergekommen? fragte sie beklommen.

Nein, er ist hinaus und ist nicht wiedergekommen. Gehört hab ich schon,
daß er an der Thür gestanden ist. Er hat wohl gemeint, ich soll ihm nach¬
kommen und ihn rufen. Aber wenn er seine Metzgerehre hat, so hab ich
meine Malcrehre. Ich hab die Palette geputzt und die Staffelei gerichtet, so
hab ich nicht gehört, wie er gegangen ist.

Franzi hatte die Augen zu Boden gesenkt und öffnete die Lippen, damit
er ihr schweres Atmen nicht hören sollte. Plötzlich stand sie auf und ging
hinter ihm her.

Und die Bilder, hat sie der Sell gekauft?

Er hat schon noch manches Jahr eins gekauft. Das da -- er wies mit
dem Kopf nach der Staffelei über den Fiedelbogen weg -- an dem arbeit ich
zwei Jahr. In der Zeit -- er lachte vor sich hin --- nun, die Base wirds Ihnen
wohl erzählt haben! Es war lustig, und das gute alte Weib hat sich muster¬
haft dabei gehalten. Fast als wenn sie Verstand hätte, so schlau hat sie das
Bild unter der Schürze mit sich getragen, und wenn der Polizeispitzel zur
einen Thür hereinkam, ist sie zur andern hinaus. Nichts haben sie zum
pfänden gefunden als die ungarische Uniform und das Kostüm, das Fräulein
anhaben. Wenn sie mir das fortgetragen hätten, das wär dumm gewesen, weil
ichs doch brauche zu dem Bild/ Aber die Motten, die klugen Vögel, haben
Löcher hineingefressen gehabt; wenn mans gegens Licht hält, ist es wie ein
Sieb. Schaun Fräulein! -- Er faßte in die Falten ihres Rockes, sodaß das
Licht dagegen schien. -- Da hats keinen Wert gehabt, und sie sind abgezogen.

Und warum machen Sie das Bild nicht fertig?

Er zuckte die Achseln: Das Malen ist schwer. Erst hab ich Vorhänge am


Sedini

als ich nach München gewollt hab, hast du gesagt: Kein Lernen branches da
doch nicht für das Malen; warum soll ich denn jetzt ans andre hören und
nicht thun, was ich mag? Das ist keine Kunst, hast du damals gesagt. —
Wenn ich das gesagt hab, sagt er, so heißt das weiter nichts, als daß ich von
manchem Gewerbe nichts weiß, das sie in Wien und in München und sonst in
den gottverlassen großen Städten treiben. Ich branchs nicht und leurs nicht.
Aber das mein ich: wenn einer zum Metzgermeister Jnnko kommt und bestellt
eine Leberwurst, dann will er eine Leberwurst und leine Schnitzel; und wenn
ich ihm doch Schnitzel schick und laß auch noch dazu sagen: So ists recht, das
ist eure Leberwurst, so sagt er: Der alte Janko ist verrückt, und geht und kauft
bei einem andern. — Vater, sag ich, die Malerei und deine Wurst sind zweierlei
Sachen. — Aber die ordentliche Arbeit ist einerlei Sach, beim Schweineschlachten
und bei jedem Gewerbe! — Und wer sagt denn dir, daß meine Arbeit nicht
ordentlich gemacht ist? — Das sagt mir der, der sie bestellt hat und dir das
Geld dafür zahlt hat. — Ach, dann sag nur dem, der mir das Geld dafür
zahlt: Ich will nicht reich werden durch ihn, und wie ich malen muß, das
weiß ich, dn braucht er mir nichts drüber zu sagen. — Und ich seh jetzt, sagt
der Alte, daß das Geld, mit dem ich hergereist bin, in die Gosse ist, und daß
es bei dir aufs Zigeunern hinausläuft, wie ichs gesagt hab, als du von da¬
heim gegangen bist. Und einen Vaganten zum Sohn will ich nicht haben,
lieber kinderlos sterben!

Sedini spielte wieder im Ans- und Abgehen. Aber als er von der Geige
weg zu Franzi hinblickte, fand er ihre Augen Wache stehen, um seinen Blick
zu erHaschen.

Und ist er wiedergekommen? fragte sie beklommen.

Nein, er ist hinaus und ist nicht wiedergekommen. Gehört hab ich schon,
daß er an der Thür gestanden ist. Er hat wohl gemeint, ich soll ihm nach¬
kommen und ihn rufen. Aber wenn er seine Metzgerehre hat, so hab ich
meine Malcrehre. Ich hab die Palette geputzt und die Staffelei gerichtet, so
hab ich nicht gehört, wie er gegangen ist.

Franzi hatte die Augen zu Boden gesenkt und öffnete die Lippen, damit
er ihr schweres Atmen nicht hören sollte. Plötzlich stand sie auf und ging
hinter ihm her.

Und die Bilder, hat sie der Sell gekauft?

Er hat schon noch manches Jahr eins gekauft. Das da — er wies mit
dem Kopf nach der Staffelei über den Fiedelbogen weg — an dem arbeit ich
zwei Jahr. In der Zeit — er lachte vor sich hin —- nun, die Base wirds Ihnen
wohl erzählt haben! Es war lustig, und das gute alte Weib hat sich muster¬
haft dabei gehalten. Fast als wenn sie Verstand hätte, so schlau hat sie das
Bild unter der Schürze mit sich getragen, und wenn der Polizeispitzel zur
einen Thür hereinkam, ist sie zur andern hinaus. Nichts haben sie zum
pfänden gefunden als die ungarische Uniform und das Kostüm, das Fräulein
anhaben. Wenn sie mir das fortgetragen hätten, das wär dumm gewesen, weil
ichs doch brauche zu dem Bild/ Aber die Motten, die klugen Vögel, haben
Löcher hineingefressen gehabt; wenn mans gegens Licht hält, ist es wie ein
Sieb. Schaun Fräulein! — Er faßte in die Falten ihres Rockes, sodaß das
Licht dagegen schien. — Da hats keinen Wert gehabt, und sie sind abgezogen.

Und warum machen Sie das Bild nicht fertig?

Er zuckte die Achseln: Das Malen ist schwer. Erst hab ich Vorhänge am


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[0150] Sedini als ich nach München gewollt hab, hast du gesagt: Kein Lernen branches da doch nicht für das Malen; warum soll ich denn jetzt ans andre hören und nicht thun, was ich mag? Das ist keine Kunst, hast du damals gesagt. — Wenn ich das gesagt hab, sagt er, so heißt das weiter nichts, als daß ich von manchem Gewerbe nichts weiß, das sie in Wien und in München und sonst in den gottverlassen großen Städten treiben. Ich branchs nicht und leurs nicht. Aber das mein ich: wenn einer zum Metzgermeister Jnnko kommt und bestellt eine Leberwurst, dann will er eine Leberwurst und leine Schnitzel; und wenn ich ihm doch Schnitzel schick und laß auch noch dazu sagen: So ists recht, das ist eure Leberwurst, so sagt er: Der alte Janko ist verrückt, und geht und kauft bei einem andern. — Vater, sag ich, die Malerei und deine Wurst sind zweierlei Sachen. — Aber die ordentliche Arbeit ist einerlei Sach, beim Schweineschlachten und bei jedem Gewerbe! — Und wer sagt denn dir, daß meine Arbeit nicht ordentlich gemacht ist? — Das sagt mir der, der sie bestellt hat und dir das Geld dafür zahlt hat. — Ach, dann sag nur dem, der mir das Geld dafür zahlt: Ich will nicht reich werden durch ihn, und wie ich malen muß, das weiß ich, dn braucht er mir nichts drüber zu sagen. — Und ich seh jetzt, sagt der Alte, daß das Geld, mit dem ich hergereist bin, in die Gosse ist, und daß es bei dir aufs Zigeunern hinausläuft, wie ichs gesagt hab, als du von da¬ heim gegangen bist. Und einen Vaganten zum Sohn will ich nicht haben, lieber kinderlos sterben! Sedini spielte wieder im Ans- und Abgehen. Aber als er von der Geige weg zu Franzi hinblickte, fand er ihre Augen Wache stehen, um seinen Blick zu erHaschen. Und ist er wiedergekommen? fragte sie beklommen. Nein, er ist hinaus und ist nicht wiedergekommen. Gehört hab ich schon, daß er an der Thür gestanden ist. Er hat wohl gemeint, ich soll ihm nach¬ kommen und ihn rufen. Aber wenn er seine Metzgerehre hat, so hab ich meine Malcrehre. Ich hab die Palette geputzt und die Staffelei gerichtet, so hab ich nicht gehört, wie er gegangen ist. Franzi hatte die Augen zu Boden gesenkt und öffnete die Lippen, damit er ihr schweres Atmen nicht hören sollte. Plötzlich stand sie auf und ging hinter ihm her. Und die Bilder, hat sie der Sell gekauft? Er hat schon noch manches Jahr eins gekauft. Das da — er wies mit dem Kopf nach der Staffelei über den Fiedelbogen weg — an dem arbeit ich zwei Jahr. In der Zeit — er lachte vor sich hin —- nun, die Base wirds Ihnen wohl erzählt haben! Es war lustig, und das gute alte Weib hat sich muster¬ haft dabei gehalten. Fast als wenn sie Verstand hätte, so schlau hat sie das Bild unter der Schürze mit sich getragen, und wenn der Polizeispitzel zur einen Thür hereinkam, ist sie zur andern hinaus. Nichts haben sie zum pfänden gefunden als die ungarische Uniform und das Kostüm, das Fräulein anhaben. Wenn sie mir das fortgetragen hätten, das wär dumm gewesen, weil ichs doch brauche zu dem Bild/ Aber die Motten, die klugen Vögel, haben Löcher hineingefressen gehabt; wenn mans gegens Licht hält, ist es wie ein Sieb. Schaun Fräulein! — Er faßte in die Falten ihres Rockes, sodaß das Licht dagegen schien. — Da hats keinen Wert gehabt, und sie sind abgezogen. Und warum machen Sie das Bild nicht fertig? Er zuckte die Achseln: Das Malen ist schwer. Erst hab ich Vorhänge am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/150>, abgerufen am 22.12.2024.