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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Die deutsche Sprachinsel Gottschee

ihren slywenischen Nachbarn, unter deren politischer Verwaltung sie doch stehen.
Großer Fruchtbarkeit oder irgend welchen BodenreichtumH kann sich das "Gottsche-
aberlvnt," wie der Landstrich in der heimischen Mundart heißt, nicht rühmen.
Sein Stolz ist die "Stadt," die, von dem burgruinengeschmückten Friedrichstein
überragt, mit ihren freundlichen Landhäusern und stattlichen öffentlichen Ge¬
bäuden in der That ein schmuckes Ansehen hat. Sonst hat die Landschaft,
abgesehen von einigen interessanten Höhlenbildungen, mit ihrem rauhen, dürren
Karstcharakter nur spärliche Reize, uno es ist nicht zu verwundern, daß dieses
wenig verlockende Gebiet, das noch dazu von der großen Heerstraße der Völker-
wnnderungeu ganz abseits gelegen war, bis ins dreizehnte Jahrhundert von
den verschiednen Volksstümmen, die Kram besiedelten, unbeachtet und unbetreten
blieb. Daß die Römer hier nie festen Fuß gefaßt haben, ist aus dem gänz¬
lichen Mangel an römischen Altertümern, wie sie sonst der Boden überall be¬
wahrt hat, mit Sicherheit zu entnehmen, und auch die germanischen Stämme^
die uach dem Zusammenbruch des römischen Weltreichs hinter einander in Kram
ihre Sitze nahmen, fanden auf ihrem Wege damals noch einladendere und frucht¬
barere Gründe, als diese spröde Kalksteinhochebne, an die sie erst den sauern
Schweiß mühsamer Kolonistenarbeit hätten setzen müssen. Mit diesem für die
damaligen Verhältnisse schwerwiegenden Bedenken, dem sich gewichtige kultur¬
geschichtliche und sprachliche Gründe zugesellen, muß jetzt die einst auch von
besonnenen Forschern genährte Vermutung, die Gottscheer stammten von den
Goten oder Wandalen ab, aufs bestimmteste zurückgewiesen werden. Wahr¬
scheinlich sind die ersten Kvlonisativnsvcrsnche von den benachbarten Slowenen
im dreizehnten Jahrhundert unternommen worden. Freilich begnügten sich diese
in ihrer Lässigkeit und Bequemlichkeit damit, nur hie und da, wo die Natur
ihrer Faulheit ein Stück entgegenkam, eine notdürftige Niederlassung zu gründen,
und als um die Mitte des nächsten Jahrhunderts der mächtige Graf Otto
von Ortenburg, der das Kramer Gebiet rings um Gottschee in Besitz hatte,
ernstlich Anstalten machte, den unwirtlichen Landstrich dauernd der Kultur zu
erobern, da sah er sich doch genötigt, seine Zuflucht zu dem eigentlichen be¬
rufenen Kolonistenvolke zu nehmen und deutsche Ansiedler mit Hacke und Pflug¬
schar ins Land zu rufen. Die Bartholomäuskirche bei Mooswald -- in nächster
Nähe der heutige" Stadt Gottschee -- ward unter dem ausdrücklichen Schutze
des Patriarchen von Aquileja die erste Seelsorgerstätte auf Gottscheer Boden,
von der die Besiedlung in den nächsten Jahren dann rasch weitere Fort¬
schritte machte. Schon aus dem Jahre 1363 meldet uns eine Urkunde, daß
mehrere kleine Thäler bewohnt sind, und daß eins davon den Namen "Gott¬
schee" führt. Aus welchen deutschen Landschaften die ersten Ansiedler kamen,
erfahren wir nicht ausdrücklich, aber es ist anzunehmen, daß sie in verschiednen
Schuhen und von verschiednen Seiten eindrangen, und daß ihnen, wie aleman¬
nische Zuthaten der Mundart noch heute bezeugen, Angehörige des schwäbischen


Die deutsche Sprachinsel Gottschee

ihren slywenischen Nachbarn, unter deren politischer Verwaltung sie doch stehen.
Großer Fruchtbarkeit oder irgend welchen BodenreichtumH kann sich das „Gottsche-
aberlvnt," wie der Landstrich in der heimischen Mundart heißt, nicht rühmen.
Sein Stolz ist die „Stadt," die, von dem burgruinengeschmückten Friedrichstein
überragt, mit ihren freundlichen Landhäusern und stattlichen öffentlichen Ge¬
bäuden in der That ein schmuckes Ansehen hat. Sonst hat die Landschaft,
abgesehen von einigen interessanten Höhlenbildungen, mit ihrem rauhen, dürren
Karstcharakter nur spärliche Reize, uno es ist nicht zu verwundern, daß dieses
wenig verlockende Gebiet, das noch dazu von der großen Heerstraße der Völker-
wnnderungeu ganz abseits gelegen war, bis ins dreizehnte Jahrhundert von
den verschiednen Volksstümmen, die Kram besiedelten, unbeachtet und unbetreten
blieb. Daß die Römer hier nie festen Fuß gefaßt haben, ist aus dem gänz¬
lichen Mangel an römischen Altertümern, wie sie sonst der Boden überall be¬
wahrt hat, mit Sicherheit zu entnehmen, und auch die germanischen Stämme^
die uach dem Zusammenbruch des römischen Weltreichs hinter einander in Kram
ihre Sitze nahmen, fanden auf ihrem Wege damals noch einladendere und frucht¬
barere Gründe, als diese spröde Kalksteinhochebne, an die sie erst den sauern
Schweiß mühsamer Kolonistenarbeit hätten setzen müssen. Mit diesem für die
damaligen Verhältnisse schwerwiegenden Bedenken, dem sich gewichtige kultur¬
geschichtliche und sprachliche Gründe zugesellen, muß jetzt die einst auch von
besonnenen Forschern genährte Vermutung, die Gottscheer stammten von den
Goten oder Wandalen ab, aufs bestimmteste zurückgewiesen werden. Wahr¬
scheinlich sind die ersten Kvlonisativnsvcrsnche von den benachbarten Slowenen
im dreizehnten Jahrhundert unternommen worden. Freilich begnügten sich diese
in ihrer Lässigkeit und Bequemlichkeit damit, nur hie und da, wo die Natur
ihrer Faulheit ein Stück entgegenkam, eine notdürftige Niederlassung zu gründen,
und als um die Mitte des nächsten Jahrhunderts der mächtige Graf Otto
von Ortenburg, der das Kramer Gebiet rings um Gottschee in Besitz hatte,
ernstlich Anstalten machte, den unwirtlichen Landstrich dauernd der Kultur zu
erobern, da sah er sich doch genötigt, seine Zuflucht zu dem eigentlichen be¬
rufenen Kolonistenvolke zu nehmen und deutsche Ansiedler mit Hacke und Pflug¬
schar ins Land zu rufen. Die Bartholomäuskirche bei Mooswald — in nächster
Nähe der heutige» Stadt Gottschee — ward unter dem ausdrücklichen Schutze
des Patriarchen von Aquileja die erste Seelsorgerstätte auf Gottscheer Boden,
von der die Besiedlung in den nächsten Jahren dann rasch weitere Fort¬
schritte machte. Schon aus dem Jahre 1363 meldet uns eine Urkunde, daß
mehrere kleine Thäler bewohnt sind, und daß eins davon den Namen „Gott¬
schee" führt. Aus welchen deutschen Landschaften die ersten Ansiedler kamen,
erfahren wir nicht ausdrücklich, aber es ist anzunehmen, daß sie in verschiednen
Schuhen und von verschiednen Seiten eindrangen, und daß ihnen, wie aleman¬
nische Zuthaten der Mundart noch heute bezeugen, Angehörige des schwäbischen


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[0132] Die deutsche Sprachinsel Gottschee ihren slywenischen Nachbarn, unter deren politischer Verwaltung sie doch stehen. Großer Fruchtbarkeit oder irgend welchen BodenreichtumH kann sich das „Gottsche- aberlvnt," wie der Landstrich in der heimischen Mundart heißt, nicht rühmen. Sein Stolz ist die „Stadt," die, von dem burgruinengeschmückten Friedrichstein überragt, mit ihren freundlichen Landhäusern und stattlichen öffentlichen Ge¬ bäuden in der That ein schmuckes Ansehen hat. Sonst hat die Landschaft, abgesehen von einigen interessanten Höhlenbildungen, mit ihrem rauhen, dürren Karstcharakter nur spärliche Reize, uno es ist nicht zu verwundern, daß dieses wenig verlockende Gebiet, das noch dazu von der großen Heerstraße der Völker- wnnderungeu ganz abseits gelegen war, bis ins dreizehnte Jahrhundert von den verschiednen Volksstümmen, die Kram besiedelten, unbeachtet und unbetreten blieb. Daß die Römer hier nie festen Fuß gefaßt haben, ist aus dem gänz¬ lichen Mangel an römischen Altertümern, wie sie sonst der Boden überall be¬ wahrt hat, mit Sicherheit zu entnehmen, und auch die germanischen Stämme^ die uach dem Zusammenbruch des römischen Weltreichs hinter einander in Kram ihre Sitze nahmen, fanden auf ihrem Wege damals noch einladendere und frucht¬ barere Gründe, als diese spröde Kalksteinhochebne, an die sie erst den sauern Schweiß mühsamer Kolonistenarbeit hätten setzen müssen. Mit diesem für die damaligen Verhältnisse schwerwiegenden Bedenken, dem sich gewichtige kultur¬ geschichtliche und sprachliche Gründe zugesellen, muß jetzt die einst auch von besonnenen Forschern genährte Vermutung, die Gottscheer stammten von den Goten oder Wandalen ab, aufs bestimmteste zurückgewiesen werden. Wahr¬ scheinlich sind die ersten Kvlonisativnsvcrsnche von den benachbarten Slowenen im dreizehnten Jahrhundert unternommen worden. Freilich begnügten sich diese in ihrer Lässigkeit und Bequemlichkeit damit, nur hie und da, wo die Natur ihrer Faulheit ein Stück entgegenkam, eine notdürftige Niederlassung zu gründen, und als um die Mitte des nächsten Jahrhunderts der mächtige Graf Otto von Ortenburg, der das Kramer Gebiet rings um Gottschee in Besitz hatte, ernstlich Anstalten machte, den unwirtlichen Landstrich dauernd der Kultur zu erobern, da sah er sich doch genötigt, seine Zuflucht zu dem eigentlichen be¬ rufenen Kolonistenvolke zu nehmen und deutsche Ansiedler mit Hacke und Pflug¬ schar ins Land zu rufen. Die Bartholomäuskirche bei Mooswald — in nächster Nähe der heutige» Stadt Gottschee — ward unter dem ausdrücklichen Schutze des Patriarchen von Aquileja die erste Seelsorgerstätte auf Gottscheer Boden, von der die Besiedlung in den nächsten Jahren dann rasch weitere Fort¬ schritte machte. Schon aus dem Jahre 1363 meldet uns eine Urkunde, daß mehrere kleine Thäler bewohnt sind, und daß eins davon den Namen „Gott¬ schee" führt. Aus welchen deutschen Landschaften die ersten Ansiedler kamen, erfahren wir nicht ausdrücklich, aber es ist anzunehmen, daß sie in verschiednen Schuhen und von verschiednen Seiten eindrangen, und daß ihnen, wie aleman¬ nische Zuthaten der Mundart noch heute bezeugen, Angehörige des schwäbischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/132>, abgerufen am 22.12.2024.