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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die Römer in der Dobrudschci

des Denkmals von Adamklissi, die ungefähr zu demselben Ergebnis kommt
wie Moltke: "Eine kleine halbe Stunde südwestlich von jenem Denkmal des
Altertums finden sich in einem Thale bei Vereinigung mehrerer Schluchten die
Ruinen einer alten Stadt, von der noch der Grund der Stadtmauer ringsum
deutlich zu erkennen ist. Auf der Südostseite steht noch ein Teil der Mauern
mit einigen Bogen, aber auch hier nur aus roher Mauermasse bestehend, von
der alle behauenen Steine losgetrennt sind." Doch fehlt in dem Berichte jede
Vermutung über den Ursprung und den Namen der Stadt. Auch hier gelang
es den Bemühungen Toeileseus, Klarheit zu schaffen. Er fand bei seinen
Nachgrabungen auf dem Bezirke der alten Stadt eine im Jahre 115 abgefaßte
Inschrift, auf der die Einwohner IrgMNönizs LropMöusss genannt werden; der
Ort war also damals noch kein Munizipium mit Stadtrecht, sondern ein
Flecken (vie-us), der seinen Namen von dem nahen Siegesdenkmal entlehnt hatte.
Aber auf zwei andern Inschriften aus dem dritten Jahrhundert heißt der Ort
urunieixium ?roxg.6um, er hatte also unterdes Stadtrecht erhalten. Endlich
hat Tönnchen 1893 noch eine vierte Inschrift ausgegraben, aus der hervor¬
geht, daß die Stadt während der Schrecknisse der Gotenkriege von den Bar¬
baren zerstört, aber von den beiden Gardepräfekten Petrvnius Anninuus und
Julius Juliauus unter der gemeinsamen Negierung Konstantins und des Li-
cinius, also zwischen 316 und 324 n. Chr., "um den Grenzschutz zu befestigen"
(sa oonürinauZain liinitis wwlaru) wiederaufgebaut worden ist. Die Grenze
des römischen Reichs, die in diesen Gegenden eine Zeit lang -- unter Hadrian --
bis zum Prnth und Dnjestr vorgeschoben war, war also wieder auf ihre ur¬
sprüngliche Linie, den Donaulauf, zurückgegangen. Dem Grenzschutz in der
Dobrudscha dienten seit Trajan denn die Anlage des Siegesdenkmals und
des Orts Tropäum setzen die militärische Sicherung dieser Gegenden vor den
Barbaren voraus -- höchst interessante Sperrlinien, die von Tschernavoda
an der Donau so nach der Meeresküste von Küstendsche laufen, daß sie das
Thal und die Karassuseen als eine natürliche Verteidigungslinie vor sich haben.
Diese Sperrlinien bestanden aus einem etwa drei Meter hohen Erdwall und
einem etwas niedrigern Steinwall, die sich merkwürdigerweise in der Mitte des
Terrains kreuzen, wohl ein Beweis dafür, daß sie zu verschiednen Zeiten an¬
gelegt worden sind. Ein von beiden südlich gezogner niedriger Erdwall mit einem
nach Süden zu vorliegenden Graben ist wohl kaum als ein Verteidiguugsmittel,
sondern als der eigentliche Grenzgraben aufzufassen. Einen solchen niedrigen
Grenzgraben hat man ja auch jetzt längs des ganzen obergermanisch-rhütischen
Limes entdeckt, er läuft allerdings meist vor den Befestigungslinien her,
stellenweise aber auch hinter ihnen.*)



bei Küstendsche" in den Monatsberichten über die Verhandlungen der Gesellschaft für Erd¬
kunde in Berlin am 8, Februar 1840.
Hettuers Bericht im Jahrbuch der deutschen archäologischen Gesellschaft.
Die Römer in der Dobrudschci

des Denkmals von Adamklissi, die ungefähr zu demselben Ergebnis kommt
wie Moltke: „Eine kleine halbe Stunde südwestlich von jenem Denkmal des
Altertums finden sich in einem Thale bei Vereinigung mehrerer Schluchten die
Ruinen einer alten Stadt, von der noch der Grund der Stadtmauer ringsum
deutlich zu erkennen ist. Auf der Südostseite steht noch ein Teil der Mauern
mit einigen Bogen, aber auch hier nur aus roher Mauermasse bestehend, von
der alle behauenen Steine losgetrennt sind." Doch fehlt in dem Berichte jede
Vermutung über den Ursprung und den Namen der Stadt. Auch hier gelang
es den Bemühungen Toeileseus, Klarheit zu schaffen. Er fand bei seinen
Nachgrabungen auf dem Bezirke der alten Stadt eine im Jahre 115 abgefaßte
Inschrift, auf der die Einwohner IrgMNönizs LropMöusss genannt werden; der
Ort war also damals noch kein Munizipium mit Stadtrecht, sondern ein
Flecken (vie-us), der seinen Namen von dem nahen Siegesdenkmal entlehnt hatte.
Aber auf zwei andern Inschriften aus dem dritten Jahrhundert heißt der Ort
urunieixium ?roxg.6um, er hatte also unterdes Stadtrecht erhalten. Endlich
hat Tönnchen 1893 noch eine vierte Inschrift ausgegraben, aus der hervor¬
geht, daß die Stadt während der Schrecknisse der Gotenkriege von den Bar¬
baren zerstört, aber von den beiden Gardepräfekten Petrvnius Anninuus und
Julius Juliauus unter der gemeinsamen Negierung Konstantins und des Li-
cinius, also zwischen 316 und 324 n. Chr., „um den Grenzschutz zu befestigen"
(sa oonürinauZain liinitis wwlaru) wiederaufgebaut worden ist. Die Grenze
des römischen Reichs, die in diesen Gegenden eine Zeit lang — unter Hadrian —
bis zum Prnth und Dnjestr vorgeschoben war, war also wieder auf ihre ur¬
sprüngliche Linie, den Donaulauf, zurückgegangen. Dem Grenzschutz in der
Dobrudscha dienten seit Trajan denn die Anlage des Siegesdenkmals und
des Orts Tropäum setzen die militärische Sicherung dieser Gegenden vor den
Barbaren voraus — höchst interessante Sperrlinien, die von Tschernavoda
an der Donau so nach der Meeresküste von Küstendsche laufen, daß sie das
Thal und die Karassuseen als eine natürliche Verteidigungslinie vor sich haben.
Diese Sperrlinien bestanden aus einem etwa drei Meter hohen Erdwall und
einem etwas niedrigern Steinwall, die sich merkwürdigerweise in der Mitte des
Terrains kreuzen, wohl ein Beweis dafür, daß sie zu verschiednen Zeiten an¬
gelegt worden sind. Ein von beiden südlich gezogner niedriger Erdwall mit einem
nach Süden zu vorliegenden Graben ist wohl kaum als ein Verteidiguugsmittel,
sondern als der eigentliche Grenzgraben aufzufassen. Einen solchen niedrigen
Grenzgraben hat man ja auch jetzt längs des ganzen obergermanisch-rhütischen
Limes entdeckt, er läuft allerdings meist vor den Befestigungslinien her,
stellenweise aber auch hinter ihnen.*)



bei Küstendsche" in den Monatsberichten über die Verhandlungen der Gesellschaft für Erd¬
kunde in Berlin am 8, Februar 1840.
Hettuers Bericht im Jahrbuch der deutschen archäologischen Gesellschaft.
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[0586] Die Römer in der Dobrudschci des Denkmals von Adamklissi, die ungefähr zu demselben Ergebnis kommt wie Moltke: „Eine kleine halbe Stunde südwestlich von jenem Denkmal des Altertums finden sich in einem Thale bei Vereinigung mehrerer Schluchten die Ruinen einer alten Stadt, von der noch der Grund der Stadtmauer ringsum deutlich zu erkennen ist. Auf der Südostseite steht noch ein Teil der Mauern mit einigen Bogen, aber auch hier nur aus roher Mauermasse bestehend, von der alle behauenen Steine losgetrennt sind." Doch fehlt in dem Berichte jede Vermutung über den Ursprung und den Namen der Stadt. Auch hier gelang es den Bemühungen Toeileseus, Klarheit zu schaffen. Er fand bei seinen Nachgrabungen auf dem Bezirke der alten Stadt eine im Jahre 115 abgefaßte Inschrift, auf der die Einwohner IrgMNönizs LropMöusss genannt werden; der Ort war also damals noch kein Munizipium mit Stadtrecht, sondern ein Flecken (vie-us), der seinen Namen von dem nahen Siegesdenkmal entlehnt hatte. Aber auf zwei andern Inschriften aus dem dritten Jahrhundert heißt der Ort urunieixium ?roxg.6um, er hatte also unterdes Stadtrecht erhalten. Endlich hat Tönnchen 1893 noch eine vierte Inschrift ausgegraben, aus der hervor¬ geht, daß die Stadt während der Schrecknisse der Gotenkriege von den Bar¬ baren zerstört, aber von den beiden Gardepräfekten Petrvnius Anninuus und Julius Juliauus unter der gemeinsamen Negierung Konstantins und des Li- cinius, also zwischen 316 und 324 n. Chr., „um den Grenzschutz zu befestigen" (sa oonürinauZain liinitis wwlaru) wiederaufgebaut worden ist. Die Grenze des römischen Reichs, die in diesen Gegenden eine Zeit lang — unter Hadrian — bis zum Prnth und Dnjestr vorgeschoben war, war also wieder auf ihre ur¬ sprüngliche Linie, den Donaulauf, zurückgegangen. Dem Grenzschutz in der Dobrudscha dienten seit Trajan denn die Anlage des Siegesdenkmals und des Orts Tropäum setzen die militärische Sicherung dieser Gegenden vor den Barbaren voraus — höchst interessante Sperrlinien, die von Tschernavoda an der Donau so nach der Meeresküste von Küstendsche laufen, daß sie das Thal und die Karassuseen als eine natürliche Verteidigungslinie vor sich haben. Diese Sperrlinien bestanden aus einem etwa drei Meter hohen Erdwall und einem etwas niedrigern Steinwall, die sich merkwürdigerweise in der Mitte des Terrains kreuzen, wohl ein Beweis dafür, daß sie zu verschiednen Zeiten an¬ gelegt worden sind. Ein von beiden südlich gezogner niedriger Erdwall mit einem nach Süden zu vorliegenden Graben ist wohl kaum als ein Verteidiguugsmittel, sondern als der eigentliche Grenzgraben aufzufassen. Einen solchen niedrigen Grenzgraben hat man ja auch jetzt längs des ganzen obergermanisch-rhütischen Limes entdeckt, er läuft allerdings meist vor den Befestigungslinien her, stellenweise aber auch hinter ihnen.*) bei Küstendsche" in den Monatsberichten über die Verhandlungen der Gesellschaft für Erd¬ kunde in Berlin am 8, Februar 1840. Hettuers Bericht im Jahrbuch der deutschen archäologischen Gesellschaft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/586>, abgerufen am 23.07.2024.