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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die Römer in der Dobrndscha

der den römischen Ursprung des Denkmals erkannte, eine Erkenntnis, die später
wieder getrübt wurde. Der Bonner Arzt und Naturforscher Wutzer, der das
Denkmal 1856 sah, erklärte es für ein persisches Bauwerk, der Franzose Michel
1862 wieder für ein Grabmal, das aber zugleich militärischen Verteidigungs¬
zwecken gedient habe. Eine neue Periode für die Erforschung des Denkmals
brach an, als die Dobrudscha 1878 an das Königreich Rumänien überging.
Doch kamen die ersten rumänischen Gelehrten, die sich damit beschäftigten, über
abenteuerliche Hypothesen nicht hinaus, und erst dem unermüdlichen Eifer
Tocilescus, der 1881 die Verwaltung des Vukarester Museums übernahm,
blieb die Lösung des Rätsels vorbehalten. Er verstand es, das Interesse König
Karls I. sür das Bauwerk zu erwecken und ausgiebige Hilfe bei der rumä¬
nischen Regierung zu erlangen. In fünf Ausgrabungscampagnen von 1882
bis 1890, zu denen Soldaten kommandirt waren, wurde das ganze Bauweck
ringsum von der über die untern Schichten angeflognen Humusdecke befreit;
gleichzeitig wurden durch eine sorgfältige Durchforschung der nähern und weitern
Umgegend die noch vorhandnen Teile des architektonischen und künstlerischen
Schmuckes wiedergewonnen: sie lagen teils verschüttet um den Betonturm
herum, teils waren sie als Grabsteine, Brunnendeckel, Wasserbehälter u. dergl.
in die umliegenden Ortschaften verschleppt worden, eine der Metopen wurde
auch von einem Gehilfen Tocilescus im Museum zu Konstantinopel entdeckt,
wohin sie 1875 gebracht worden war. Vor allem wichtig aber war die Auf¬
findung der Bauinschrift, deren erste fünfzeilige Hälfte mit absoluter Sicherheit
so zu ergänzen ist: nardi vcktori j iinpöratoris Og-ssMis Dipl > ^örvss Wus
UsrvÄ ^ I'riiig,r>U8 ^uZustuZ dsiinanivus j vavivus vontitex maximus.

Also der Kaiser Trajan. dessen Gestalt noch heute unter dem rumänischen
Volke als die des größten und besten Regenten lebt, den das Land je besessen
hat, hat dieses Bauwerk nach Beendigung des Dakerkriegs (102 bis 107 n. Chr.)
zum Dank für die endliche Niederwerfung des gefährlichen Feindes und für
die glücklich vollbrachte Eroberung des Vaterlandes (Rumänien und Sieben¬
bürgen) dem "rächenden Mars" geweiht. Dadurch ist es ohne weiteres als
ein Siegesdenkmal gekennzeichnet. Es rückt dadurch in eine Reihe mit dem
gleichfalls noch teilweise erhaltnen thorförmigen Siegesdenkmal, das Augustus
im Jahre 6 v. Chr. nach Niederwerfung der Alpenvvlker unweit Nizza (La
Turbia) errichtete, und mit den von der Erde verschwundnen des Drusus an
der Elbe und des Germaniens an der Weser. Geweiht wurde das Denkmal,
wie aus der Titulatur Trajans auf der Bauinschrist hervorzugehen scheint,
im Jahre 109 und zwar, nach einer ansprechenden Vermutung Benndorfs, am
1. August, dem Weih- und Festtage des Marstempels in Rom. Das Riesen¬
werk war also, da der Dakerkrieg erst 107 mit der Zerstörung der Hauptstadt
Sarmizegethusa (Ruinen in Siebenbürgen bei Vcirhely) beendet worden war,
in dem kurzen Zeitraume von zwei Jahren geschaffen worden. Das setzt einen


Die Römer in der Dobrndscha

der den römischen Ursprung des Denkmals erkannte, eine Erkenntnis, die später
wieder getrübt wurde. Der Bonner Arzt und Naturforscher Wutzer, der das
Denkmal 1856 sah, erklärte es für ein persisches Bauwerk, der Franzose Michel
1862 wieder für ein Grabmal, das aber zugleich militärischen Verteidigungs¬
zwecken gedient habe. Eine neue Periode für die Erforschung des Denkmals
brach an, als die Dobrudscha 1878 an das Königreich Rumänien überging.
Doch kamen die ersten rumänischen Gelehrten, die sich damit beschäftigten, über
abenteuerliche Hypothesen nicht hinaus, und erst dem unermüdlichen Eifer
Tocilescus, der 1881 die Verwaltung des Vukarester Museums übernahm,
blieb die Lösung des Rätsels vorbehalten. Er verstand es, das Interesse König
Karls I. sür das Bauwerk zu erwecken und ausgiebige Hilfe bei der rumä¬
nischen Regierung zu erlangen. In fünf Ausgrabungscampagnen von 1882
bis 1890, zu denen Soldaten kommandirt waren, wurde das ganze Bauweck
ringsum von der über die untern Schichten angeflognen Humusdecke befreit;
gleichzeitig wurden durch eine sorgfältige Durchforschung der nähern und weitern
Umgegend die noch vorhandnen Teile des architektonischen und künstlerischen
Schmuckes wiedergewonnen: sie lagen teils verschüttet um den Betonturm
herum, teils waren sie als Grabsteine, Brunnendeckel, Wasserbehälter u. dergl.
in die umliegenden Ortschaften verschleppt worden, eine der Metopen wurde
auch von einem Gehilfen Tocilescus im Museum zu Konstantinopel entdeckt,
wohin sie 1875 gebracht worden war. Vor allem wichtig aber war die Auf¬
findung der Bauinschrift, deren erste fünfzeilige Hälfte mit absoluter Sicherheit
so zu ergänzen ist: nardi vcktori j iinpöratoris Og-ssMis Dipl > ^örvss Wus
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Also der Kaiser Trajan. dessen Gestalt noch heute unter dem rumänischen
Volke als die des größten und besten Regenten lebt, den das Land je besessen
hat, hat dieses Bauwerk nach Beendigung des Dakerkriegs (102 bis 107 n. Chr.)
zum Dank für die endliche Niederwerfung des gefährlichen Feindes und für
die glücklich vollbrachte Eroberung des Vaterlandes (Rumänien und Sieben¬
bürgen) dem „rächenden Mars" geweiht. Dadurch ist es ohne weiteres als
ein Siegesdenkmal gekennzeichnet. Es rückt dadurch in eine Reihe mit dem
gleichfalls noch teilweise erhaltnen thorförmigen Siegesdenkmal, das Augustus
im Jahre 6 v. Chr. nach Niederwerfung der Alpenvvlker unweit Nizza (La
Turbia) errichtete, und mit den von der Erde verschwundnen des Drusus an
der Elbe und des Germaniens an der Weser. Geweiht wurde das Denkmal,
wie aus der Titulatur Trajans auf der Bauinschrist hervorzugehen scheint,
im Jahre 109 und zwar, nach einer ansprechenden Vermutung Benndorfs, am
1. August, dem Weih- und Festtage des Marstempels in Rom. Das Riesen¬
werk war also, da der Dakerkrieg erst 107 mit der Zerstörung der Hauptstadt
Sarmizegethusa (Ruinen in Siebenbürgen bei Vcirhely) beendet worden war,
in dem kurzen Zeitraume von zwei Jahren geschaffen worden. Das setzt einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/582>, abgerufen am 23.07.2024.