Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.oder Indien, Nun soll die Kirche mich Uhlhoru und Nathusius lediglich durch Wenn hier geholfen und gearbeitet werden soll, so muß doch an der Aber wenn dieser Weg auch gar nicht unmöglich und gar nicht falsch Die Kirche kann predigen, so lange und so viel sie will, sie wird bei unsrer Ärenzboten I t895 64
oder Indien, Nun soll die Kirche mich Uhlhoru und Nathusius lediglich durch Wenn hier geholfen und gearbeitet werden soll, so muß doch an der Aber wenn dieser Weg auch gar nicht unmöglich und gar nicht falsch Die Kirche kann predigen, so lange und so viel sie will, sie wird bei unsrer Ärenzboten I t895 64
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oder Indien, Nun soll die Kirche mich Uhlhoru und Nathusius lediglich durch
die treue Predigt des Wortes Gottes und gewissenhafte Seelsorge hier die
Ziele verfolgen, die vorher so unerschrocken und klar und deutlich dargelegt
sind. Wir brauchen uns die Sache nur einmal klar vor die Augen zu stellen,
um sofort nicht bloß die Unmöglichkeit, sondern auch den Widersinn solcher
Vorschlage und Heilmittel zu erkennen. Aber nicht nur unmöglich und wider¬
sinnig ist dieser Weg, dnrch die geordnete Predigt und Seelsorge einer neuen
Gesellschaftslehre zum Siege zu verhelfen, nein er ist anch geradezu falsch vom
protestantischen Standpunkt aus.
Wenn hier geholfen und gearbeitet werden soll, so muß doch an der
ganzen Volksseele gearbeitet werden. Und so sagt auch Uhlhorn: „die Kirche
hat das ganze Volk für die zu erstrebende höhere Stufe des wirtschaftlichen
Lebens zu erziehen." Daß hier das Wort „Volk" in dem allerweitesten Sinne
zu nehmen ist, liegt auf der Hand. Nun hat die Kirche, und also auch die
protestantische, einen Beruf an das ganze Volk, denn sie soll die Leuchte auf
dem Scheffel, das Salz der Erde sein; aber in ihrer festen Organisation des
geordneten Predigtamts mit seiner Seelsorge hat die Kirche nur Beruf um
die Glieder des Volks, das sich zu ihr bekennt. Die Kirche darf und kann
sich gar nicht in weiterem Sinne an das Volk wenden, sie hat ja so schon
ihre große Not damit, das ganze Volk zu erreichen, das sich noch zu ihr be¬
kennt; wie viele Prediger teilen nicht das Schicksal des Schreibers, das ganze
Jahr in leeren Kirchen vor leeren Banken predigen zu müsse»!
Aber wenn dieser Weg auch gar nicht unmöglich und gar nicht falsch
wäre, so würde er sich dennoch als nebelhaft erweisen, weil die Predigt
das gar nicht leisten kann, was hier von ihr gefordert wird. Der Pre¬
diger in der Gemeinde hat das Wort Gottes und namentlich das Evangelium
zu predigen, die bußfertigen Sünder zu trösten, die Traurigen aufzurichten und
die Unbußfertigen zu strafen. Er hat gar keinen Raum in der Predigt, das
Volk zu einer höhern Stufe des wirtschaftlichen Lebens zu erziehen, er kann
unmöglich in der Predigt alle unsre wirtschaftlichen Schwierigkeiten entwickeln,
er darf auch nicht halb zu den Arbeitern und halb zu den Arbeitgebern reden;
denn es ist nnr eine Gemeinde, und bei aller thatsächlichen Verkehrtheit in den
Einrichtungen können doch die Vertreter dieser Einrichtungen selbst persönlich
die aufrichtigsten und besten Christen sein, sie stehen eben in der Zeit und in
der geschichtlichen Entwicklung.
Die Kirche kann predigen, so lange und so viel sie will, sie wird bei unsrer
gegenwärtigen industriellen Entwicklung doch nichts an der gegenwärtigen Wirt¬
schaftsordnung ändern. Mag die Wirtschaftsordnung uoch so antichristlich sein,
diese Thätigkeit der Kirche kann ihr nichts schaden. Man wird ihr gern gro߬
mütig den weitesten Spielraum lassen, man wird sie sogar oft ermutige», in
dieser Tonart zu predigen, nur immer hübsch in de» oben angegebnen Schranken,
Ärenzboten I t895 64
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