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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Die Weihnachtsfeier in der Recheicheimer Töchterschule

In Betreff der kleinen Kinder hat nun die gute Frau Recht. Wir haben
aber die Kinder in den verschiedensten Altersklassen. Die ältern Jungen be¬
suchten ein Berliner Gymnasium, und da die Rechenheimer "höhern Knaben¬
schulen" manches zu wünschen übrig lassen, so ließ ich die Jungen auf der
Berliner Schule, umsomehr, als ich sie dort nur mit Hängen und Würgen
hatte unterbringen können. Sie müssen nun ebenfalls täglich ein- oder zweimal
nach Berlin fahren.

Anders wars mit den Mädeln. Die höhere Töchterschule von Fräulein
Spitzler war über alles Lob erhaben. Nach dem Schulplan wird dort auch
Italienisch gelernt, sagte meine Frau. Diese Thatsache beruhigte mich zwar
nicht sehr. Da aber die löbliche Eisenbahndirektion die Frauen"ableite" für
überflüssig hält, und infolge dessen während der Fahrt mancher Unfug geschieht,
wollte ich meine schulpflichtige Tochter nicht der Gefahr aussetzen, allein mit
einem Lümmel fahren zu müssen, und so meldete ich sie in Berlin ab und in
der Spitzlerschen Schule an.

Als nun die Kleine eines Tages aus der Schule kam, meldete sie, daß
bei der im Dezember stattfindenden Weihnachtsfeier eine hervorragende Rolle
für sie bestimmt sei, und zwar die Persönlichkeit der Frau Holle. Ich über¬
ließ die Sache meiner sehr verständigen Frau und deutete nur schüchtern an,
daß Fräulein Spitzler etwas früh für ihre Feier zu sorgen schiene. Aber
meine Frau meinte, es seien wohl nur allgemeine Bestimmungen, die so zeitig
getroffen werden müßten. Bald darauf machte Fräulein Spitzler ihren Besuch
und hatte mit meiner Frau eine längere Verhandlung.

Unsre Meta soll wirklich die Frau Holle spielen, sagte meine Frau abends.
Sie wird reizend aussehen mit Flügeln und Filigran. Fräulein Spitzler Wa'r
ganz damit einverstanden, daß ich den Anzug besorge.

Daun hat sie allerdings keine große Arbeit und keine Unkosten davon,
erwiderte 'ich.2<-^5 ^..^-.^'um,^ ^- --.> n^-.

Ach, das bischen Arbeit ist nicht der Rede wert.
"

Ich verstummte.

In den nächsten Tagen hörte ich, daß die Übungen schon im Gange seiend
und jemehr die Zeit verging, umso bemerklicher wirkten sie auf die Schul¬
arbeiten, die die Kleine oft bis in die Nacht in Anspruch nahmen. ^

Im November traf ich sie bei einer ziemlich kunstvollen Stickerei. Ich bin
kein Freund von dieser aügenvernichtenden Beschäftigung und deutete meiner
Frau an, daß diese Arbeit nichts für das Kind sei.

Ach, das ist für die Schulfeier, wurde mir erwiedert. Die Mädchen ar¬
beiten die Sachen in der Schule, und zwar in den Handarbeitsstunden, und
sie werden dann bei der Weihnachtsfeier mit ausgestellt. Fräulein Spitzler
ist immer stolz, wenn recht schöne Sachen da sind.

Aber das Kind arbeitet doch zu Hanse dran!


Die Weihnachtsfeier in der Recheicheimer Töchterschule

In Betreff der kleinen Kinder hat nun die gute Frau Recht. Wir haben
aber die Kinder in den verschiedensten Altersklassen. Die ältern Jungen be¬
suchten ein Berliner Gymnasium, und da die Rechenheimer „höhern Knaben¬
schulen" manches zu wünschen übrig lassen, so ließ ich die Jungen auf der
Berliner Schule, umsomehr, als ich sie dort nur mit Hängen und Würgen
hatte unterbringen können. Sie müssen nun ebenfalls täglich ein- oder zweimal
nach Berlin fahren.

Anders wars mit den Mädeln. Die höhere Töchterschule von Fräulein
Spitzler war über alles Lob erhaben. Nach dem Schulplan wird dort auch
Italienisch gelernt, sagte meine Frau. Diese Thatsache beruhigte mich zwar
nicht sehr. Da aber die löbliche Eisenbahndirektion die Frauen„ableite" für
überflüssig hält, und infolge dessen während der Fahrt mancher Unfug geschieht,
wollte ich meine schulpflichtige Tochter nicht der Gefahr aussetzen, allein mit
einem Lümmel fahren zu müssen, und so meldete ich sie in Berlin ab und in
der Spitzlerschen Schule an.

Als nun die Kleine eines Tages aus der Schule kam, meldete sie, daß
bei der im Dezember stattfindenden Weihnachtsfeier eine hervorragende Rolle
für sie bestimmt sei, und zwar die Persönlichkeit der Frau Holle. Ich über¬
ließ die Sache meiner sehr verständigen Frau und deutete nur schüchtern an,
daß Fräulein Spitzler etwas früh für ihre Feier zu sorgen schiene. Aber
meine Frau meinte, es seien wohl nur allgemeine Bestimmungen, die so zeitig
getroffen werden müßten. Bald darauf machte Fräulein Spitzler ihren Besuch
und hatte mit meiner Frau eine längere Verhandlung.

Unsre Meta soll wirklich die Frau Holle spielen, sagte meine Frau abends.
Sie wird reizend aussehen mit Flügeln und Filigran. Fräulein Spitzler Wa'r
ganz damit einverstanden, daß ich den Anzug besorge.

Daun hat sie allerdings keine große Arbeit und keine Unkosten davon,
erwiderte 'ich.2<-^5 ^..^-.^'um,^ ^- --.> n^-.

Ach, das bischen Arbeit ist nicht der Rede wert.
"

Ich verstummte.

In den nächsten Tagen hörte ich, daß die Übungen schon im Gange seiend
und jemehr die Zeit verging, umso bemerklicher wirkten sie auf die Schul¬
arbeiten, die die Kleine oft bis in die Nacht in Anspruch nahmen. ^

Im November traf ich sie bei einer ziemlich kunstvollen Stickerei. Ich bin
kein Freund von dieser aügenvernichtenden Beschäftigung und deutete meiner
Frau an, daß diese Arbeit nichts für das Kind sei.

Ach, das ist für die Schulfeier, wurde mir erwiedert. Die Mädchen ar¬
beiten die Sachen in der Schule, und zwar in den Handarbeitsstunden, und
sie werden dann bei der Weihnachtsfeier mit ausgestellt. Fräulein Spitzler
ist immer stolz, wenn recht schöne Sachen da sind.

Aber das Kind arbeitet doch zu Hanse dran!


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[0048] Die Weihnachtsfeier in der Recheicheimer Töchterschule In Betreff der kleinen Kinder hat nun die gute Frau Recht. Wir haben aber die Kinder in den verschiedensten Altersklassen. Die ältern Jungen be¬ suchten ein Berliner Gymnasium, und da die Rechenheimer „höhern Knaben¬ schulen" manches zu wünschen übrig lassen, so ließ ich die Jungen auf der Berliner Schule, umsomehr, als ich sie dort nur mit Hängen und Würgen hatte unterbringen können. Sie müssen nun ebenfalls täglich ein- oder zweimal nach Berlin fahren. Anders wars mit den Mädeln. Die höhere Töchterschule von Fräulein Spitzler war über alles Lob erhaben. Nach dem Schulplan wird dort auch Italienisch gelernt, sagte meine Frau. Diese Thatsache beruhigte mich zwar nicht sehr. Da aber die löbliche Eisenbahndirektion die Frauen„ableite" für überflüssig hält, und infolge dessen während der Fahrt mancher Unfug geschieht, wollte ich meine schulpflichtige Tochter nicht der Gefahr aussetzen, allein mit einem Lümmel fahren zu müssen, und so meldete ich sie in Berlin ab und in der Spitzlerschen Schule an. Als nun die Kleine eines Tages aus der Schule kam, meldete sie, daß bei der im Dezember stattfindenden Weihnachtsfeier eine hervorragende Rolle für sie bestimmt sei, und zwar die Persönlichkeit der Frau Holle. Ich über¬ ließ die Sache meiner sehr verständigen Frau und deutete nur schüchtern an, daß Fräulein Spitzler etwas früh für ihre Feier zu sorgen schiene. Aber meine Frau meinte, es seien wohl nur allgemeine Bestimmungen, die so zeitig getroffen werden müßten. Bald darauf machte Fräulein Spitzler ihren Besuch und hatte mit meiner Frau eine längere Verhandlung. Unsre Meta soll wirklich die Frau Holle spielen, sagte meine Frau abends. Sie wird reizend aussehen mit Flügeln und Filigran. Fräulein Spitzler Wa'r ganz damit einverstanden, daß ich den Anzug besorge. Daun hat sie allerdings keine große Arbeit und keine Unkosten davon, erwiderte 'ich.2<-^5 ^..^-.^'um,^ ^- --.> n^-. Ach, das bischen Arbeit ist nicht der Rede wert. " Ich verstummte. In den nächsten Tagen hörte ich, daß die Übungen schon im Gange seiend und jemehr die Zeit verging, umso bemerklicher wirkten sie auf die Schul¬ arbeiten, die die Kleine oft bis in die Nacht in Anspruch nahmen. ^ Im November traf ich sie bei einer ziemlich kunstvollen Stickerei. Ich bin kein Freund von dieser aügenvernichtenden Beschäftigung und deutete meiner Frau an, daß diese Arbeit nichts für das Kind sei. Ach, das ist für die Schulfeier, wurde mir erwiedert. Die Mädchen ar¬ beiten die Sachen in der Schule, und zwar in den Handarbeitsstunden, und sie werden dann bei der Weihnachtsfeier mit ausgestellt. Fräulein Spitzler ist immer stolz, wenn recht schöne Sachen da sind. Aber das Kind arbeitet doch zu Hanse dran!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/48>, abgerufen am 03.07.2024.