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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

Das gute Wort Iluz Lomu10n.vog.teil is eilf (üorumon U^häkelt, zu deutsch
etwa: der Staat ruht uur fest auf einem gesunden Volke, ist jüngst wieder
der werdenden Konföderation des LourinouvoMIr ok ^ustralig. zugerufen worden.
Die Kolonialengländer sind tief davon durchdrungen, daß die Große ihrer
Staaten auf der Güte ihres Menschenmaterials beruht, und umgekehrt. Die
Hunderttausende von Quadratmeilen, die sie umfassen und uoch immer zu ver¬
mehren suchen, sind uicht das Ziel, sondern das Mittel, das Volk gesund und
im Wachstum zu erhalten. Mehr Raum, mehr Wohlstand, mehr Kraft, mehr
Charakter und endlich auch mehr Bildung, das erwarten sie von dem weitern
Raum und dem Hellem, hoffnnngsvollern Horizonte des "Rentamtes," und alle
Erfahrung verspricht ihnen Erfüllung.

Und wie ganz andre Gedanken und Gefühle bringt der Auswnndrcr, der
seine Heimatinseln verläßt, heute mit über das Meer! Die große Masse der
Engländer und Schotten, die im siebzehnten Jahrhundert die Grundlage zu
der Große Nordamerikas legten, hat ihr Land als Flüchtlinge oder Vertriebne
verlassen. Sie wanderte ungern aus und nur, um religiöser oder politischer
Tyrannei zu entgehen. Das Land, dem sie ihre Zukunft anvertrauten,
war ihnen fremd, und sie hatten sich alles erst zu schaffen. Um so erstaun¬
licher ist es freilich, daß sie im wesentlichen wieder ein neues England schufen
und selbst in kleinern Dingen dem Lande, dem sie nichts zu danken hatten,
treu blieben und das Wort bestätigten, daß die Heimatliebe im Gemüt des
echten Engländers tief wie ein Aberglaube wurzle.

Ju unserm Jahrhundert hat politische und religiöse Unzufriedenheit keine
Engländer und Schotten mehr übers Meer getrieben. Die wirtschaftliche Lage
zu verbessern, war das Ziel der meisten Auswandrer. Nur Irland hat noch
politische Uuzufriedne ziehen sehen, allerdings in vielen Millionen. Aber auch
diese fanden überall, wo sie landeten, heilsame Einrichtungen des Mutterlandes
wieder, das überall bereit ist, mit Hilfe einer großsinnigen Handels- und Ver¬
kehrspolitik die größte Kapitalkraft in den Dienst der Arbeiter ans neuem
Boden zu stelle". Auch wer grollend über das Meer hin fuhr, wird in Ka¬
nada, am Kap, in Australien von der Größe des Reichs berührt und findet
es schwer, uicht dankbar sein Los zu preisen, das ihn zum Bürger dieses
Landes gemacht hat. Im Mutterlande selbst aber sind gegenüber den Kolonien
ganz andre Gesinnungen herrschend geworden, als sie den Bürgern der drei¬
zehn alten Kolonien um atlantischen Rande Nordamerikas einst im Parlament
und bei den Regierenden und in einem großen Teil der Bevölkerung entgegen¬
traten. Mutterland und Kolonien tauschen im allgemeinen heute viel bessere
Empfindungen aus als damals, sie lassen einander das Recht der Eigentüm¬
lichkeit in vernünftigen Schranken unvertummert. Hüben wie drüben sind
größere politische Gedanken zur Herrschaft gelangt.

Es ist sehr bezeichnend, daß auch die ernsten Staatsmänner Englands in


Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik

Das gute Wort Iluz Lomu10n.vog.teil is eilf (üorumon U^häkelt, zu deutsch
etwa: der Staat ruht uur fest auf einem gesunden Volke, ist jüngst wieder
der werdenden Konföderation des LourinouvoMIr ok ^ustralig. zugerufen worden.
Die Kolonialengländer sind tief davon durchdrungen, daß die Große ihrer
Staaten auf der Güte ihres Menschenmaterials beruht, und umgekehrt. Die
Hunderttausende von Quadratmeilen, die sie umfassen und uoch immer zu ver¬
mehren suchen, sind uicht das Ziel, sondern das Mittel, das Volk gesund und
im Wachstum zu erhalten. Mehr Raum, mehr Wohlstand, mehr Kraft, mehr
Charakter und endlich auch mehr Bildung, das erwarten sie von dem weitern
Raum und dem Hellem, hoffnnngsvollern Horizonte des „Rentamtes," und alle
Erfahrung verspricht ihnen Erfüllung.

Und wie ganz andre Gedanken und Gefühle bringt der Auswnndrcr, der
seine Heimatinseln verläßt, heute mit über das Meer! Die große Masse der
Engländer und Schotten, die im siebzehnten Jahrhundert die Grundlage zu
der Große Nordamerikas legten, hat ihr Land als Flüchtlinge oder Vertriebne
verlassen. Sie wanderte ungern aus und nur, um religiöser oder politischer
Tyrannei zu entgehen. Das Land, dem sie ihre Zukunft anvertrauten,
war ihnen fremd, und sie hatten sich alles erst zu schaffen. Um so erstaun¬
licher ist es freilich, daß sie im wesentlichen wieder ein neues England schufen
und selbst in kleinern Dingen dem Lande, dem sie nichts zu danken hatten,
treu blieben und das Wort bestätigten, daß die Heimatliebe im Gemüt des
echten Engländers tief wie ein Aberglaube wurzle.

Ju unserm Jahrhundert hat politische und religiöse Unzufriedenheit keine
Engländer und Schotten mehr übers Meer getrieben. Die wirtschaftliche Lage
zu verbessern, war das Ziel der meisten Auswandrer. Nur Irland hat noch
politische Uuzufriedne ziehen sehen, allerdings in vielen Millionen. Aber auch
diese fanden überall, wo sie landeten, heilsame Einrichtungen des Mutterlandes
wieder, das überall bereit ist, mit Hilfe einer großsinnigen Handels- und Ver¬
kehrspolitik die größte Kapitalkraft in den Dienst der Arbeiter ans neuem
Boden zu stelle«. Auch wer grollend über das Meer hin fuhr, wird in Ka¬
nada, am Kap, in Australien von der Größe des Reichs berührt und findet
es schwer, uicht dankbar sein Los zu preisen, das ihn zum Bürger dieses
Landes gemacht hat. Im Mutterlande selbst aber sind gegenüber den Kolonien
ganz andre Gesinnungen herrschend geworden, als sie den Bürgern der drei¬
zehn alten Kolonien um atlantischen Rande Nordamerikas einst im Parlament
und bei den Regierenden und in einem großen Teil der Bevölkerung entgegen¬
traten. Mutterland und Kolonien tauschen im allgemeinen heute viel bessere
Empfindungen aus als damals, sie lassen einander das Recht der Eigentüm¬
lichkeit in vernünftigen Schranken unvertummert. Hüben wie drüben sind
größere politische Gedanken zur Herrschaft gelangt.

Es ist sehr bezeichnend, daß auch die ernsten Staatsmänner Englands in


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[0408] Zur Kenntnis der englischen Weltpolitik Das gute Wort Iluz Lomu10n.vog.teil is eilf (üorumon U^häkelt, zu deutsch etwa: der Staat ruht uur fest auf einem gesunden Volke, ist jüngst wieder der werdenden Konföderation des LourinouvoMIr ok ^ustralig. zugerufen worden. Die Kolonialengländer sind tief davon durchdrungen, daß die Große ihrer Staaten auf der Güte ihres Menschenmaterials beruht, und umgekehrt. Die Hunderttausende von Quadratmeilen, die sie umfassen und uoch immer zu ver¬ mehren suchen, sind uicht das Ziel, sondern das Mittel, das Volk gesund und im Wachstum zu erhalten. Mehr Raum, mehr Wohlstand, mehr Kraft, mehr Charakter und endlich auch mehr Bildung, das erwarten sie von dem weitern Raum und dem Hellem, hoffnnngsvollern Horizonte des „Rentamtes," und alle Erfahrung verspricht ihnen Erfüllung. Und wie ganz andre Gedanken und Gefühle bringt der Auswnndrcr, der seine Heimatinseln verläßt, heute mit über das Meer! Die große Masse der Engländer und Schotten, die im siebzehnten Jahrhundert die Grundlage zu der Große Nordamerikas legten, hat ihr Land als Flüchtlinge oder Vertriebne verlassen. Sie wanderte ungern aus und nur, um religiöser oder politischer Tyrannei zu entgehen. Das Land, dem sie ihre Zukunft anvertrauten, war ihnen fremd, und sie hatten sich alles erst zu schaffen. Um so erstaun¬ licher ist es freilich, daß sie im wesentlichen wieder ein neues England schufen und selbst in kleinern Dingen dem Lande, dem sie nichts zu danken hatten, treu blieben und das Wort bestätigten, daß die Heimatliebe im Gemüt des echten Engländers tief wie ein Aberglaube wurzle. Ju unserm Jahrhundert hat politische und religiöse Unzufriedenheit keine Engländer und Schotten mehr übers Meer getrieben. Die wirtschaftliche Lage zu verbessern, war das Ziel der meisten Auswandrer. Nur Irland hat noch politische Uuzufriedne ziehen sehen, allerdings in vielen Millionen. Aber auch diese fanden überall, wo sie landeten, heilsame Einrichtungen des Mutterlandes wieder, das überall bereit ist, mit Hilfe einer großsinnigen Handels- und Ver¬ kehrspolitik die größte Kapitalkraft in den Dienst der Arbeiter ans neuem Boden zu stelle«. Auch wer grollend über das Meer hin fuhr, wird in Ka¬ nada, am Kap, in Australien von der Größe des Reichs berührt und findet es schwer, uicht dankbar sein Los zu preisen, das ihn zum Bürger dieses Landes gemacht hat. Im Mutterlande selbst aber sind gegenüber den Kolonien ganz andre Gesinnungen herrschend geworden, als sie den Bürgern der drei¬ zehn alten Kolonien um atlantischen Rande Nordamerikas einst im Parlament und bei den Regierenden und in einem großen Teil der Bevölkerung entgegen¬ traten. Mutterland und Kolonien tauschen im allgemeinen heute viel bessere Empfindungen aus als damals, sie lassen einander das Recht der Eigentüm¬ lichkeit in vernünftigen Schranken unvertummert. Hüben wie drüben sind größere politische Gedanken zur Herrschaft gelangt. Es ist sehr bezeichnend, daß auch die ernsten Staatsmänner Englands in

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/408>, abgerufen am 23.07.2024.