Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.Deutsch-japanische Beziehungen diese Bestimmung wird das Deutsche auf Kosten des Französischen bevorzugt, Die Zahl der in Deutschland ausgebildeten japanischen Richter ist nicht Als Japan daran ging, sich der westlichen Kultur anzuschließen, ließ es Die Japaner wenden jetzt ihrem Gerichtswesen deshalb so viel Aufmerksam¬ Mittlerweile sind die Engländer diesem Wunsche Japans entgegengekommen. Deutsch-japanische Beziehungen diese Bestimmung wird das Deutsche auf Kosten des Französischen bevorzugt, Die Zahl der in Deutschland ausgebildeten japanischen Richter ist nicht Als Japan daran ging, sich der westlichen Kultur anzuschließen, ließ es Die Japaner wenden jetzt ihrem Gerichtswesen deshalb so viel Aufmerksam¬ Mittlerweile sind die Engländer diesem Wunsche Japans entgegengekommen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219355"/> <fw type="header" place="top"> Deutsch-japanische Beziehungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1056" prev="#ID_1055"> diese Bestimmung wird das Deutsche auf Kosten des Französischen bevorzugt,<lb/> und so wird es in der juristischen Fakultät bald nnr noch zwei Abteilungen,<lb/> eine deutsche und eine englische geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1057"> Die Zahl der in Deutschland ausgebildeten japanischen Richter ist nicht<lb/> unbeträchtlich. Als im vorigen Jahre der Geheimrat R. von Jhering in Göt¬<lb/> tingen gestorben war, sandten zehn ehemalige japanische Schüler der Georgia<lb/> Augusta dem verehrten Lehrer eine prachtvolle Dankadresse, worin sie ihrem<lb/> Schmerz über den Tod ihres geliebten Lehrers in herzlichen Worten Ausdruck<lb/> gaben. Zu seinen Schülern zählt auch der gegenwärtige Präsident des höchsten<lb/> japanischen Gerichtshofs, ein evangelischer Christ.</p><lb/> <p xml:id="ID_1058"> Als Japan daran ging, sich der westlichen Kultur anzuschließen, ließ es<lb/> die meist auf altem Gewohnheitsrecht beruhenden Gesetzbücher in europäischem<lb/> Sinne umarbeiten. Der bekannte Pariser Jurist Boissonade hat die Straf¬<lb/> prozeßordnung und das Strafgesetzbuch bearbeitet, das fast nur eine Wieder¬<lb/> gabe des französischen (üoäs xviml ist. Ebenso ist von ihm das Zivilgesetzbuch<lb/> uach französischem Muster entworfen worden. Diese Gesetzbücher sind schon<lb/> oder werden noch jetzt durch deutsche oder in Europa ausgebildete japanische<lb/> Rechtsgelehrte ganz im deutschen Geiste unter Zugrundelegung der entsprechenden<lb/> deutschen Entwürfe durchgesehen. Das Handelsgesetzbuch ist von dem deutschen<lb/> Professor Dr. Nößler ans Rostock, der lange Jahre als Berater der japanischen<lb/> Regierung in Tokio lebte, entworfen worden. Auch die ganze Gerichtsordnung,<lb/> die 1890 eingeführt wurde, ist vollständig der deutschen Justizorganisation<lb/> nachgebildet. Der Urheber dieser Gerichtsverfassung ist Rudvrf, der als Rat<lb/> dem Justizministerium zu Tokio zugeteilt war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1059"> Die Japaner wenden jetzt ihrem Gerichtswesen deshalb so viel Aufmerksam¬<lb/> keit zu, weil es sich um die Durchsicht der Verträge handelt, die Japan noch zur<lb/> Zeit des Schognuats, als es durch innere Wirren geschwächt darniederlag, mit<lb/> den Knlturmächten abgeschlossen hatte. Diese Verträge gestehen den Fremden<lb/> das Recht der Exterritorialität zu und machen die fremden Kolonien gewisser-<lb/> maßen zu Staaten im Staate, beschränken allerdings auch den Kaufmann auf<lb/> wenige Vertragshäfen. Die Durchsicht dieser Vertrüge ist ein Hauptwunsch<lb/> des japanischen Volks. Es empfindet in seinem stark ausgeprägten National¬<lb/> stolze diese Verträge jetzt als eine Demütigung und ist entschlossen, sie um<lb/> jeden Preis zu beseitigen. Schon im Juni 1889 war ein neuer Vertrag<lb/> zwischen Deutschland und Japan vereinbart worden, wonach das ganze Insel-<lb/> reich den deutschen Kaufleuten geöffnet werden sollte. Die Exterritorialität<lb/> war aufgegeben worden; in den Streitigkeiten zwischen den Fremden und den<lb/> Japanern sollte an höchster Stelle ein gemischter Gerichtshof entscheiden. Der<lb/> letzte Punkt erbitterte aber das japanische Volk so, daß es die Annahme dieses<lb/> Vertrages verweigerte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1060" next="#ID_1061"> Mittlerweile sind die Engländer diesem Wunsche Japans entgegengekommen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0353]
Deutsch-japanische Beziehungen
diese Bestimmung wird das Deutsche auf Kosten des Französischen bevorzugt,
und so wird es in der juristischen Fakultät bald nnr noch zwei Abteilungen,
eine deutsche und eine englische geben.
Die Zahl der in Deutschland ausgebildeten japanischen Richter ist nicht
unbeträchtlich. Als im vorigen Jahre der Geheimrat R. von Jhering in Göt¬
tingen gestorben war, sandten zehn ehemalige japanische Schüler der Georgia
Augusta dem verehrten Lehrer eine prachtvolle Dankadresse, worin sie ihrem
Schmerz über den Tod ihres geliebten Lehrers in herzlichen Worten Ausdruck
gaben. Zu seinen Schülern zählt auch der gegenwärtige Präsident des höchsten
japanischen Gerichtshofs, ein evangelischer Christ.
Als Japan daran ging, sich der westlichen Kultur anzuschließen, ließ es
die meist auf altem Gewohnheitsrecht beruhenden Gesetzbücher in europäischem
Sinne umarbeiten. Der bekannte Pariser Jurist Boissonade hat die Straf¬
prozeßordnung und das Strafgesetzbuch bearbeitet, das fast nur eine Wieder¬
gabe des französischen (üoäs xviml ist. Ebenso ist von ihm das Zivilgesetzbuch
uach französischem Muster entworfen worden. Diese Gesetzbücher sind schon
oder werden noch jetzt durch deutsche oder in Europa ausgebildete japanische
Rechtsgelehrte ganz im deutschen Geiste unter Zugrundelegung der entsprechenden
deutschen Entwürfe durchgesehen. Das Handelsgesetzbuch ist von dem deutschen
Professor Dr. Nößler ans Rostock, der lange Jahre als Berater der japanischen
Regierung in Tokio lebte, entworfen worden. Auch die ganze Gerichtsordnung,
die 1890 eingeführt wurde, ist vollständig der deutschen Justizorganisation
nachgebildet. Der Urheber dieser Gerichtsverfassung ist Rudvrf, der als Rat
dem Justizministerium zu Tokio zugeteilt war.
Die Japaner wenden jetzt ihrem Gerichtswesen deshalb so viel Aufmerksam¬
keit zu, weil es sich um die Durchsicht der Verträge handelt, die Japan noch zur
Zeit des Schognuats, als es durch innere Wirren geschwächt darniederlag, mit
den Knlturmächten abgeschlossen hatte. Diese Verträge gestehen den Fremden
das Recht der Exterritorialität zu und machen die fremden Kolonien gewisser-
maßen zu Staaten im Staate, beschränken allerdings auch den Kaufmann auf
wenige Vertragshäfen. Die Durchsicht dieser Vertrüge ist ein Hauptwunsch
des japanischen Volks. Es empfindet in seinem stark ausgeprägten National¬
stolze diese Verträge jetzt als eine Demütigung und ist entschlossen, sie um
jeden Preis zu beseitigen. Schon im Juni 1889 war ein neuer Vertrag
zwischen Deutschland und Japan vereinbart worden, wonach das ganze Insel-
reich den deutschen Kaufleuten geöffnet werden sollte. Die Exterritorialität
war aufgegeben worden; in den Streitigkeiten zwischen den Fremden und den
Japanern sollte an höchster Stelle ein gemischter Gerichtshof entscheiden. Der
letzte Punkt erbitterte aber das japanische Volk so, daß es die Annahme dieses
Vertrages verweigerte.
Mittlerweile sind die Engländer diesem Wunsche Japans entgegengekommen.
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