Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.Natur und Behandlung des Verbrechers Carlyle gebraucht das Wort "Glaube" für die Gesamtheit aller über¬ Natur und Behandlung des Verbrechers 2 as sechste Kapitel des Ellisschen Buches ist der Behandlung des Wenn als Zweck der Strafrechtspflege die Wiederherstellung der verletzten Natur und Behandlung des Verbrechers Carlyle gebraucht das Wort „Glaube" für die Gesamtheit aller über¬ Natur und Behandlung des Verbrechers 2 as sechste Kapitel des Ellisschen Buches ist der Behandlung des Wenn als Zweck der Strafrechtspflege die Wiederherstellung der verletzten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219262"/> <fw type="header" place="top"> Natur und Behandlung des Verbrechers</fw><lb/> <p xml:id="ID_755"> Carlyle gebraucht das Wort „Glaube" für die Gesamtheit aller über¬<lb/> sinnlichen Dinge, die dem Menschen zweifellos gewiß sind. Die soziale Frage<lb/> kann nur mit einem solchen Glauben gelöst werden, der das irdische einem<lb/> höhern unterordnen lehrt, der Hoch und Niedrig mit einander verbindet, der<lb/> die Reichen zu Opfern und Entsagung, die Armen zu Geduld und treuer Ar¬<lb/> beit willig macht, wo auch kein unmittelbarer Erfolg zu sehen ist. Einen solchen<lb/> Glauben wirkt das Christentum, darum muß es zur beherrschenden Macht des<lb/> Volkslebens werden. Wie das geschehen kaun, darüber gehen kirchliche wie<lb/> theologische Richtungen weit auseinander, aber sie arbeiten alle daran. Je<lb/> weniger sich Theologie und Kirche in ihrer Arbeit von diesem einen Ziel ab¬<lb/> drängen lassen, um so mehr wird ihre Thätigkeit in Wahrheit sozial sein,<lb/> denn die Zerfahrenheit unsrer Zeit zu einem lebenskräftigen Glauben neu zu<lb/> gebären, das ist die soziale Aufgabe des Christentums.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Natur und Behandlung des Verbrechers<lb/> 2 </head><lb/> <p xml:id="ID_756"> as sechste Kapitel des Ellisschen Buches ist der Behandlung des<lb/> Verbrechers gewidmet, also der Heilung des Übels. Bis jetzt<lb/> giebt es nichts, was diesen Namen verdiente. Von der Kriminal-<lb/> justiz und dein Gefängniswesen der modernen Staaten sagt Ellis,<lb/> es gebe unter den Sachverständigen nur eine Klasse, die diese<lb/> Einrichtungen nicht nur nicht verurteile, sondern damit höchlich zufrieden sei:<lb/> die der alten Zuchthäusler. Daß von den verschiednen Zwecken, die ein<lb/> irdisches Strafgericht verfolgen kann, durch unsre heutigen Strafen kein ein¬<lb/> ziger erreicht, ja daß ihnen vielfach entgegengewirkt wird, erkennen die Den¬<lb/> kenden ziemlich allgemein an. Ohne uns streng an das vorliegende Buch zu<lb/> halten, -wollen wir nachstehend kurz zusammenfassen, was sich über den Gegen¬<lb/> stand sagen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_757" next="#ID_758"> Wenn als Zweck der Strafrechtspflege die Wiederherstellung der verletzten<lb/> Gerechtigkeit bezeichnet wird, so kann damit zweierlei gemeint sein: die Wieder¬<lb/> gutmachung des angerichteten Schadens, und die Zufügung eines der be¬<lb/> gangnen Übelthat entsprechenden Strafübels. Im erstern Sinne hat das ger¬<lb/> manische Wergeldsystem Gerechtigkeit geübt, so weit sie sich irgend üben läßt,<lb/> und da die Entschädigung des Verletzten viel wichtiger ist als eine Peinigung<lb/> des Missethäters, von der niemand einen Vorteil hat, so war diese Strafweise<lb/> vernünftig. Das ju8 t.g.1will8: Rug um Auge, Zahn um Zahn, das bei andern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0260]
Natur und Behandlung des Verbrechers
Carlyle gebraucht das Wort „Glaube" für die Gesamtheit aller über¬
sinnlichen Dinge, die dem Menschen zweifellos gewiß sind. Die soziale Frage
kann nur mit einem solchen Glauben gelöst werden, der das irdische einem
höhern unterordnen lehrt, der Hoch und Niedrig mit einander verbindet, der
die Reichen zu Opfern und Entsagung, die Armen zu Geduld und treuer Ar¬
beit willig macht, wo auch kein unmittelbarer Erfolg zu sehen ist. Einen solchen
Glauben wirkt das Christentum, darum muß es zur beherrschenden Macht des
Volkslebens werden. Wie das geschehen kaun, darüber gehen kirchliche wie
theologische Richtungen weit auseinander, aber sie arbeiten alle daran. Je
weniger sich Theologie und Kirche in ihrer Arbeit von diesem einen Ziel ab¬
drängen lassen, um so mehr wird ihre Thätigkeit in Wahrheit sozial sein,
denn die Zerfahrenheit unsrer Zeit zu einem lebenskräftigen Glauben neu zu
gebären, das ist die soziale Aufgabe des Christentums.
Natur und Behandlung des Verbrechers
2
as sechste Kapitel des Ellisschen Buches ist der Behandlung des
Verbrechers gewidmet, also der Heilung des Übels. Bis jetzt
giebt es nichts, was diesen Namen verdiente. Von der Kriminal-
justiz und dein Gefängniswesen der modernen Staaten sagt Ellis,
es gebe unter den Sachverständigen nur eine Klasse, die diese
Einrichtungen nicht nur nicht verurteile, sondern damit höchlich zufrieden sei:
die der alten Zuchthäusler. Daß von den verschiednen Zwecken, die ein
irdisches Strafgericht verfolgen kann, durch unsre heutigen Strafen kein ein¬
ziger erreicht, ja daß ihnen vielfach entgegengewirkt wird, erkennen die Den¬
kenden ziemlich allgemein an. Ohne uns streng an das vorliegende Buch zu
halten, -wollen wir nachstehend kurz zusammenfassen, was sich über den Gegen¬
stand sagen läßt.
Wenn als Zweck der Strafrechtspflege die Wiederherstellung der verletzten
Gerechtigkeit bezeichnet wird, so kann damit zweierlei gemeint sein: die Wieder¬
gutmachung des angerichteten Schadens, und die Zufügung eines der be¬
gangnen Übelthat entsprechenden Strafübels. Im erstern Sinne hat das ger¬
manische Wergeldsystem Gerechtigkeit geübt, so weit sie sich irgend üben läßt,
und da die Entschädigung des Verletzten viel wichtiger ist als eine Peinigung
des Missethäters, von der niemand einen Vorteil hat, so war diese Strafweise
vernünftig. Das ju8 t.g.1will8: Rug um Auge, Zahn um Zahn, das bei andern
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |