Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung unlautern Wettbewerbs

zuhalten verpflichtet ist. Gegen die Verletzung der in dieser Urkunde ange¬
lobten Pflicht der Verschwiegenheit ist dann die Androhung einer Strafe und
der Verpflichtung zum Schadenersatz zu richten. Daß der Geschäftsherr eine
solche Urkunde aufstelle, ist auch nicht zu viel von ihm verlangt. Er muß
doch am besten wissen, worüber er in seinem Geschäfte Stillschweigen gewahrt
haben will. Bei manchen Arten von Geschäfte" wird wohl auch bald ein her¬
kömmliches Formular für eine solche Urkunde in Übung kommen, sodaß deren
Aufstellung keine besondre Schwierigkeit machen würde.

Das, was man hiernach von dein Verpflichteten verlangen kann, ist, daß
er Dritten von den als geheim bezeichneten Dingen keine Mitteilung macht.
Eine ganz andre Frage ist, ob man von ihm auch ohne weiteres verlangen
könne, daß er diese Dinge anch für sich selbst nicht verwerte. Die Frage
kommt namentlich in Betracht, wenn ein Angestellter oder Lehrling später ein
eignes Geschäft anfängt oder als Geschäftsleiter in das Geschäft eines Dritten
eintritt. Soll er da verhindert sein, das, was er in dem Geschäft, dem er
früher angehörte, gesehen und gelernt hat, auch in dem nun von ihm selbst
betriebnen oder geleiteten Geschäft anzuwenden? Ich halte es, menschlich be¬
trachtet, für geradezu unmöglich, das von ihm zu verlangen. Die Denk¬
schrift führt als Beispiele zu währender Betriebsgeheimnisse an, wenn in einem
Geschäfte durch eine besondre Mischung der Zuthaten oder durch Wahl ge¬
wisser Temperaturgrade eine besonders gute Ware hergestellt werde. Soll nun
der frühere Gehilfe diese Art der Mischung oder diese Temperaturgrade in
seinem eignen Geschäfte nicht anwenden dürfen? Er könnte jn selbst die Sache
ausprobiren und auf diese Art der Mischung oder auf diese Temperaturgrade
als die besten kommen. Wird man Nun hageln Nein, das darf er nicht,
denn er verwertet damit ein Geheimnis seines frühern Geschüftsherrn?
Ebenso ist es mit Geschäftsgeheimnissen. Als ein Hauptfall des Verrath auf
diesem Gebiete wird angeführt, daß ein Gehilfe die Kunden seines Geschäfts¬
herrn einem Dritten mitteilt und diesem dadurch Gelegenheit giebt, sie jenem
abspenstig zu machen. Die Denkschrift selbst aber erkennt an, daß das Verbot
eigner Verwertung hier nicht durchführbar ist. Denn ein Geschäftsreisender
soll nicht gehindert sein, die Kunden, die er im Dienste des einen aufgesucht
und kennen gelernt hat, später auch im Dienste eines andern aufzusuchen und
Waren an sie abzusetzen. Aber worin liegt denn der Unterschied dieses Falles
von dem andern, daß ein früherer Gehilfe, der sich selbständig gemacht hat, mit
Kunden seines frühern Geschäftsherrn Geschäftsverbindungen anknüpft? Soll
ein Buchhändler gehindert sein, einem Manne, den er, während er Gehilfe in
einem andern Geschäfte war, als eifrigen Bücherkäufer kennen gelernt hat, auch
seinerseits Bücher zur Einsicht zuzuschicken, und soll er, wenn dieser die Bücher
behält, als Verwerter fremden Geschäftsgeheimnisses bestraft und zum Schaden¬
ersatz verurteilt werden? So etwas ist doch ganz unmöglich.


Grenzboten I 1895 21
Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung unlautern Wettbewerbs

zuhalten verpflichtet ist. Gegen die Verletzung der in dieser Urkunde ange¬
lobten Pflicht der Verschwiegenheit ist dann die Androhung einer Strafe und
der Verpflichtung zum Schadenersatz zu richten. Daß der Geschäftsherr eine
solche Urkunde aufstelle, ist auch nicht zu viel von ihm verlangt. Er muß
doch am besten wissen, worüber er in seinem Geschäfte Stillschweigen gewahrt
haben will. Bei manchen Arten von Geschäfte» wird wohl auch bald ein her¬
kömmliches Formular für eine solche Urkunde in Übung kommen, sodaß deren
Aufstellung keine besondre Schwierigkeit machen würde.

Das, was man hiernach von dein Verpflichteten verlangen kann, ist, daß
er Dritten von den als geheim bezeichneten Dingen keine Mitteilung macht.
Eine ganz andre Frage ist, ob man von ihm auch ohne weiteres verlangen
könne, daß er diese Dinge anch für sich selbst nicht verwerte. Die Frage
kommt namentlich in Betracht, wenn ein Angestellter oder Lehrling später ein
eignes Geschäft anfängt oder als Geschäftsleiter in das Geschäft eines Dritten
eintritt. Soll er da verhindert sein, das, was er in dem Geschäft, dem er
früher angehörte, gesehen und gelernt hat, auch in dem nun von ihm selbst
betriebnen oder geleiteten Geschäft anzuwenden? Ich halte es, menschlich be¬
trachtet, für geradezu unmöglich, das von ihm zu verlangen. Die Denk¬
schrift führt als Beispiele zu währender Betriebsgeheimnisse an, wenn in einem
Geschäfte durch eine besondre Mischung der Zuthaten oder durch Wahl ge¬
wisser Temperaturgrade eine besonders gute Ware hergestellt werde. Soll nun
der frühere Gehilfe diese Art der Mischung oder diese Temperaturgrade in
seinem eignen Geschäfte nicht anwenden dürfen? Er könnte jn selbst die Sache
ausprobiren und auf diese Art der Mischung oder auf diese Temperaturgrade
als die besten kommen. Wird man Nun hageln Nein, das darf er nicht,
denn er verwertet damit ein Geheimnis seines frühern Geschüftsherrn?
Ebenso ist es mit Geschäftsgeheimnissen. Als ein Hauptfall des Verrath auf
diesem Gebiete wird angeführt, daß ein Gehilfe die Kunden seines Geschäfts¬
herrn einem Dritten mitteilt und diesem dadurch Gelegenheit giebt, sie jenem
abspenstig zu machen. Die Denkschrift selbst aber erkennt an, daß das Verbot
eigner Verwertung hier nicht durchführbar ist. Denn ein Geschäftsreisender
soll nicht gehindert sein, die Kunden, die er im Dienste des einen aufgesucht
und kennen gelernt hat, später auch im Dienste eines andern aufzusuchen und
Waren an sie abzusetzen. Aber worin liegt denn der Unterschied dieses Falles
von dem andern, daß ein früherer Gehilfe, der sich selbständig gemacht hat, mit
Kunden seines frühern Geschäftsherrn Geschäftsverbindungen anknüpft? Soll
ein Buchhändler gehindert sein, einem Manne, den er, während er Gehilfe in
einem andern Geschäfte war, als eifrigen Bücherkäufer kennen gelernt hat, auch
seinerseits Bücher zur Einsicht zuzuschicken, und soll er, wenn dieser die Bücher
behält, als Verwerter fremden Geschäftsgeheimnisses bestraft und zum Schaden¬
ersatz verurteilt werden? So etwas ist doch ganz unmöglich.


Grenzboten I 1895 21
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/219171"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung unlautern Wettbewerbs</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_472" prev="#ID_471"> zuhalten verpflichtet ist. Gegen die Verletzung der in dieser Urkunde ange¬<lb/>
lobten Pflicht der Verschwiegenheit ist dann die Androhung einer Strafe und<lb/>
der Verpflichtung zum Schadenersatz zu richten. Daß der Geschäftsherr eine<lb/>
solche Urkunde aufstelle, ist auch nicht zu viel von ihm verlangt. Er muß<lb/>
doch am besten wissen, worüber er in seinem Geschäfte Stillschweigen gewahrt<lb/>
haben will. Bei manchen Arten von Geschäfte» wird wohl auch bald ein her¬<lb/>
kömmliches Formular für eine solche Urkunde in Übung kommen, sodaß deren<lb/>
Aufstellung keine besondre Schwierigkeit machen würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_473"> Das, was man hiernach von dein Verpflichteten verlangen kann, ist, daß<lb/>
er Dritten von den als geheim bezeichneten Dingen keine Mitteilung macht.<lb/>
Eine ganz andre Frage ist, ob man von ihm auch ohne weiteres verlangen<lb/>
könne, daß er diese Dinge anch für sich selbst nicht verwerte.  Die Frage<lb/>
kommt namentlich in Betracht, wenn ein Angestellter oder Lehrling später ein<lb/>
eignes Geschäft anfängt oder als Geschäftsleiter in das Geschäft eines Dritten<lb/>
eintritt.  Soll er da verhindert sein, das, was er in dem Geschäft, dem er<lb/>
früher angehörte, gesehen und gelernt hat, auch in dem nun von ihm selbst<lb/>
betriebnen oder geleiteten Geschäft anzuwenden? Ich halte es, menschlich be¬<lb/>
trachtet, für geradezu unmöglich, das von ihm zu verlangen.  Die Denk¬<lb/>
schrift führt als Beispiele zu währender Betriebsgeheimnisse an, wenn in einem<lb/>
Geschäfte durch eine besondre Mischung der Zuthaten oder durch Wahl ge¬<lb/>
wisser Temperaturgrade eine besonders gute Ware hergestellt werde. Soll nun<lb/>
der frühere Gehilfe diese Art der Mischung oder diese Temperaturgrade in<lb/>
seinem eignen Geschäfte nicht anwenden dürfen? Er könnte jn selbst die Sache<lb/>
ausprobiren und auf diese Art der Mischung oder auf diese Temperaturgrade<lb/>
als die besten kommen.  Wird man Nun hageln Nein, das darf er nicht,<lb/>
denn er verwertet damit ein Geheimnis seines frühern Geschüftsherrn?<lb/>
Ebenso ist es mit Geschäftsgeheimnissen. Als ein Hauptfall des Verrath auf<lb/>
diesem Gebiete wird angeführt, daß ein Gehilfe die Kunden seines Geschäfts¬<lb/>
herrn einem Dritten mitteilt und diesem dadurch Gelegenheit giebt, sie jenem<lb/>
abspenstig zu machen. Die Denkschrift selbst aber erkennt an, daß das Verbot<lb/>
eigner Verwertung hier nicht durchführbar ist.  Denn ein Geschäftsreisender<lb/>
soll nicht gehindert sein, die Kunden, die er im Dienste des einen aufgesucht<lb/>
und kennen gelernt hat, später auch im Dienste eines andern aufzusuchen und<lb/>
Waren an sie abzusetzen. Aber worin liegt denn der Unterschied dieses Falles<lb/>
von dem andern, daß ein früherer Gehilfe, der sich selbständig gemacht hat, mit<lb/>
Kunden seines frühern Geschäftsherrn Geschäftsverbindungen anknüpft? Soll<lb/>
ein Buchhändler gehindert sein, einem Manne, den er, während er Gehilfe in<lb/>
einem andern Geschäfte war, als eifrigen Bücherkäufer kennen gelernt hat, auch<lb/>
seinerseits Bücher zur Einsicht zuzuschicken, und soll er, wenn dieser die Bücher<lb/>
behält, als Verwerter fremden Geschäftsgeheimnisses bestraft und zum Schaden¬<lb/>
ersatz verurteilt werden? So etwas ist doch ganz unmöglich.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1895 21</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0169] Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung unlautern Wettbewerbs zuhalten verpflichtet ist. Gegen die Verletzung der in dieser Urkunde ange¬ lobten Pflicht der Verschwiegenheit ist dann die Androhung einer Strafe und der Verpflichtung zum Schadenersatz zu richten. Daß der Geschäftsherr eine solche Urkunde aufstelle, ist auch nicht zu viel von ihm verlangt. Er muß doch am besten wissen, worüber er in seinem Geschäfte Stillschweigen gewahrt haben will. Bei manchen Arten von Geschäfte» wird wohl auch bald ein her¬ kömmliches Formular für eine solche Urkunde in Übung kommen, sodaß deren Aufstellung keine besondre Schwierigkeit machen würde. Das, was man hiernach von dein Verpflichteten verlangen kann, ist, daß er Dritten von den als geheim bezeichneten Dingen keine Mitteilung macht. Eine ganz andre Frage ist, ob man von ihm auch ohne weiteres verlangen könne, daß er diese Dinge anch für sich selbst nicht verwerte. Die Frage kommt namentlich in Betracht, wenn ein Angestellter oder Lehrling später ein eignes Geschäft anfängt oder als Geschäftsleiter in das Geschäft eines Dritten eintritt. Soll er da verhindert sein, das, was er in dem Geschäft, dem er früher angehörte, gesehen und gelernt hat, auch in dem nun von ihm selbst betriebnen oder geleiteten Geschäft anzuwenden? Ich halte es, menschlich be¬ trachtet, für geradezu unmöglich, das von ihm zu verlangen. Die Denk¬ schrift führt als Beispiele zu währender Betriebsgeheimnisse an, wenn in einem Geschäfte durch eine besondre Mischung der Zuthaten oder durch Wahl ge¬ wisser Temperaturgrade eine besonders gute Ware hergestellt werde. Soll nun der frühere Gehilfe diese Art der Mischung oder diese Temperaturgrade in seinem eignen Geschäfte nicht anwenden dürfen? Er könnte jn selbst die Sache ausprobiren und auf diese Art der Mischung oder auf diese Temperaturgrade als die besten kommen. Wird man Nun hageln Nein, das darf er nicht, denn er verwertet damit ein Geheimnis seines frühern Geschüftsherrn? Ebenso ist es mit Geschäftsgeheimnissen. Als ein Hauptfall des Verrath auf diesem Gebiete wird angeführt, daß ein Gehilfe die Kunden seines Geschäfts¬ herrn einem Dritten mitteilt und diesem dadurch Gelegenheit giebt, sie jenem abspenstig zu machen. Die Denkschrift selbst aber erkennt an, daß das Verbot eigner Verwertung hier nicht durchführbar ist. Denn ein Geschäftsreisender soll nicht gehindert sein, die Kunden, die er im Dienste des einen aufgesucht und kennen gelernt hat, später auch im Dienste eines andern aufzusuchen und Waren an sie abzusetzen. Aber worin liegt denn der Unterschied dieses Falles von dem andern, daß ein früherer Gehilfe, der sich selbständig gemacht hat, mit Kunden seines frühern Geschäftsherrn Geschäftsverbindungen anknüpft? Soll ein Buchhändler gehindert sein, einem Manne, den er, während er Gehilfe in einem andern Geschäfte war, als eifrigen Bücherkäufer kennen gelernt hat, auch seinerseits Bücher zur Einsicht zuzuschicken, und soll er, wenn dieser die Bücher behält, als Verwerter fremden Geschäftsgeheimnisses bestraft und zum Schaden¬ ersatz verurteilt werden? So etwas ist doch ganz unmöglich. Grenzboten I 1895 21

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/169
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/169>, abgerufen am 23.07.2024.